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Wie kalkzehrend sind die N-Dünger wirklich?

Lesezeit: 8 Minuten

N-Dünger gelten bei vielen immer noch grundsätzlich als „kalkzehrend“. Die Grund-lagen der alten Werte sind aber längst überholt. Müssen wir neu bewerten?*


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Stickstoff-Dünger dienen in erster Linie dazu, die Pflanzen mit dem am stärksten ertragsbegrenzenden Nährstoff zu versorgen. Die N-Düngung stellt den Pflanzen nicht nur die Eiweißbausteine zur Verfügung. Durch ihre Wirkung auf den Phytohormon- und Enzymhaushalt lässt sich damit auch das Pflanzenwachstum steuern.


Nicht zuletzt beeinflusst die N-Düngung den pH-Wert und dadurch die Verfügbarkeit von Mikro-Nährstoffen im Boden. Der Einfluss auf den pH wird mit Hilfsgrößen wie der „Kalkzehrung“ oder dem „Kalkverlust“ in kg/ha CaO angegeben. Einschlägige Tabellen nennen folgende Kalkverluste pro 100 kg/ha N:


  • 48 kg/ha CaO beim Einsatz von Kalkammonsalpeter (KAS),
  • 100 kg/ha CaO bei Harnstoff bzw.
  • 300 kg/ha CaO beim SSA.


Wie stark versauern N-Dünger?

Wie stark die verschiedenen N-Dünger den pH-Wert beeinflussen, hängt davon ab, was nach dem Auftreffen des Düngerkorns auf den Boden passiert.


Diese drei Umwandlungsprozesse können sich auf den pH-Wert auswirken.


  • Das Düngersalz löst sich im Bodenwasser.
  • Die N-Form verändert sich im Boden, wenn z. B. Bakterien Ammonium zu Nitrat umwandeln.
  • Die Pflanze nimmt den Stickstoff auf.


Am einfachsten sind diese Prozesse beim Nitrat (NO3). Nach der Düngung nimmt die Pflanze den Stickstoff als Nitrat über die Wurzel auf. In diesem Fall müssen wir das Lösen des Düngerkorns im Bodenwasser verfolgen und die Aufnahme durch die Pflanze näher beleuchten.


Wie beeinflusst Nitrat den pH?

Theoretisch wirkt das Nitrat-Ion (= elektrisch geladenes Molekül) in der Bodenlösung schwach basisch. Es hebt also den pH-Wert leicht an. In der Praxis düngen wir aber kein reines Nitrat. Wir streuen es immer zusammen mit einem Kation (= positiv geladenes Ion), z. B. mit Ammonium im KAS oder mit Kalium oder Kalzium im Kalium- oder Kalziumnitrat. Diese beiden haben in Deutschland aber praktisch keine Bedeutung als Bodendünger.


Anders sieht es mit dem Ammoniumnitrat aus. Es wird in Osteuropa als reines Ammoniumnitrat im „Saletra“ genutzt oder in Deutschland mit Kalk ­vermischt als KAS angeboten. Das Ammonium in diesen Produkten senkt den pH-Wert beim Lösen der Granulate punktuell ab. Diese Dünger wirken also versauernd. Beim KAS neutralisiert dies der Kalk weitgehend wieder.


Nachdem das Nitrat in Lösung gegangen ist, verhält es sich immer gleich. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Düngemittel es stammt. Nitrat bewegt sich im Bodenwasser mit dem Massenfluss zur Wurzel und wird von der Pflanze aufgenommen.


Das Nitrat-Ion ist negativ geladen. Die Aufnahme verschiebt das Gleichgewicht im Ladungshaushalt der Pflanze zum Negativen. Diese muss somit parallel zur Aufnahme des Nitrats für einen Ladungsausgleich sorgen. Dieser erfolgt durch Aufnahme von Kationen wie Kalium, Magnesium und Kalzium.


Werden diese zu dem Zeitpunkt nicht in derselben Menge wie der aufzunehmende Stickstoff benötigt, nimmt die Pflanze zusätzliche positive Ladung über H+-Ionen auf. Das führt zu einer Verarmung der H+-Ionen in der unmittelbaren Nähe der Wurzel. Die Folge: Der pH-Wert im Wurzelbereich steigt an.


Dieses Phänomen bezeichnet man als physiologische Änderung des pH-Werts. Nitrat wirkt im Wurzelbereich immer physiologisch basisch (s. Übersicht 1). Es spielt dabei keine Rolle, ob das Nitrat aus der Nitrifikation eines Düngemittels (Ammoniumnitrat) stammt, das den Oberboden versauert oder aus pH-neutralen Quellen wie Kalium-, Kalziumnitrat oder aus KAS.


Wie verhält sich Ammonium?

Komplizierter ist die Wirkung von Ammonium (NH4) auf den pH-Wert. Denn es kann im Boden schnell zu Nitrat umgewandelt werden. Das führt dazu, dass der gedüngte Stickstoff sowohl als Ammonium als auch als Nitrat an der Wurzel ankommen kann.


Aber zuerst muss das Ammonium in Lösung gehen. Wenn es aus einem Düngersalz stammt, wirkt es in gelöster Form immer sauer. Im Gegensatz zum Nitrat ändert sich diese Eigenschaft durch die Begleit-Ionen nur unwesentlich, da diese meist schwache Basen sind.


Die beiden N-Formen Ammonium und Nitrat sind unterschiedlich mobil:


  • Nitrat wird im Oberboden hervorragend verteilt.
  • Ammonium wird in bindigeren Böden punktuell durch die Bodenmatrix festgehalten.


Die saure Wirkung des NH4+ wirkt also viel konzentrierter auf einen Punkt ein. Das soll der gelbe Hof um das Düngerkorn in Übersicht 2 zeigen. Diese Wirkung ist umso stärker, je höher die Ammoniumkonzentration im Dünger und je größer das Korn des eingesetzten Düngers ist.


Im Vergleich zum Nitrat ist Ammonium selbst positiv geladen. Die Ladungsbalance der Pflanze verschiebt sich nach der Aufnahme auf die positive Seite. Zum Ausgleich nimmt die Pflanze verstärkt Anionen (= negativ geladene Ionen), z. B. Phosphat oder Sulfat, auf. Oder sie gibt Protonen (H+-Ionen) ab. Das führt zu deren Anreicherung an der Wurzeloberfläche. Dadurch sinkt der pH-Wert in der Rhizosphäre. Ammonium wirkt also im Wurzelraum physiologisch sauer.


Richtig sauer wird es im Boden, wenn das Ammonium vor der Aufnahme noch zu Nitrat nitrifiziert wird (siehe Übersicht 2). Dabei sinkt der pH-Wert im Umfeld des Düngerkorns bzw. Ammonium-Depots weiter ab. Das entstehende Nitrat wird mit dem Massenfluss zur Wurzel transportiert und wirkt dort bei der Aufnahme physiologisch basisch.


Lehrbuchmeinung bestätigt?

Zieht man eine Zwischenbilanz, lassen sich die Tabellenwerte für die Kalkzehrung immer noch gut nachvollziehen:


  • Nitrathaltige Düngemittel heben den pH-Wert an. Bei genauerem Hinsehen, erfolgt dies jedoch nicht im gesamten Krumenbereich, sondern nur an den aktiven Wurzelteilen.
  • Ammoniumhaltige Düngemittel senken den pH-Wert stark ab. Das geschieht meist homogen, wenn die Pflanze das gedüngte Ammonium auch in dieser Form aufnimmt. In diesem Fall sind nicht nur die „Mikro-Depots“ der ehemaligen Dün­gerkörner sauer, sondern die Pflanze säuert auch im Wurzelbereich an. Wird das Ammonium zu Nitrat umgewandelt, werden die „Mikro-Depots“ deutlich saurer, dafür wird aber das Milieu in Wurzelnähe durch die Nitrataufnahme basisch.


Was ist beim Harnstoff anders?

Beim Harnstoff ist alles etwas komplizierter (Übersicht 3). Er löst sich sehr gut im Bo­denwasser und ist dann sogar ähnlich mobil wie Nitrat. Dies gilt allerdings nur, solange der Harnstoff nicht durch die Hydrolyse zu Ammonium gespalten wird. Beim Lösen des Düngerkorns hat Harnstoff keinen Effekt auf den pH-Wert. Dasselbe gilt für die Aufnahme in die Pflanze.


In Lehrbüchern findet man immer noch den Hinweis, dass die Pflanze nur Nitrat aufnehmen können. Das ist allerdings schon lange widerlegt. Pflanzen können neben Nitrat auch Ammonium, und sogar Harnstoff in großem Umfang aufnehmen und verarbeiten. NH4+ ist sogar die bevorzugte N-Form, vor allem bei einem niedrigen N-Angebot.


Pflanze nimmt Harnstoff auf.

Allerdings ist der Umfang, in dem die Pflanze Harnstoff aufnimmt, ohne den Einsatz von Urease-Inhibitoren zeitlich begrenzt. Wie schnell sich Harnstoff zu Ammonium spaltet, hängt von der Bodenfeuchte, Temperatur und biologischen Aktivität des Bodens ab.


Faustzahl: In der Vegetationsperiode liegen nach zwei Tagen 75 % des gedüngten Harnstoffs als Ammonium vor.


Durch die Spaltung von Harnstoff zu Ammonium steigt der pH-Wert im Boden sogar stark an. Das ist allerdings nur punktuell der Fall, wenn der Harnstoff schnell gespalten wurde. Er kann sich in diesem Fall noch wenig im Oberboden verteilen. In der gesamten Krume nimmt der pH-Wert deutlich zu, wenn der Harnstoff vor der Spaltung genügend Zeit hatte, sich homogen im Boden zu verteilen. Vor allem auf Böden mit hohen pH-Werten ist die gleichmäßige Verteilung wichtig, da dadurch die punktuell hohen Konzentrationen vermieden werden. Damit sinkt auch das Risiko von Ammoniak-Verlusten.


Das entstehende Ammonium wird entweder von der Pflanze aufgenommen und wirkt in Wurzelnähe physiologisch sauer, oder es wird weiter zu Nitrat umgewandelt. Durch die Nitrifizierung wird der zuvor basisch gewordene Krumenbereich wieder neutralisiert bis leicht angesäuert. Das daraus entstehende Nitrat wirkt dann bei der Aufnahme in die Pflanze wieder physiologisch basisch.


Beim Harnstoff klafft die größte Lücke zwischen den Tabellenwerten für die „Kalkzehrung“ und dem aktuellen Erkenntnisstand: Die Werte vermitteln, dass Harnstoff zu den sauren Düngemitteln gehört und nur nach der Umwandlung zu Nitrat für die Pflanze verfügbar ist. Fakt ist aber, dass der Harnstoff, wenn er als solcher aufgenommen wird, neutral wirkt. Die Spaltung zu Ammonium führt zu einer deutlichen basischen Veränderung im Boden. Nur im Bereich der Wurzel sinkt der pH durch die NH4+-Aufnahme ab.


Erst nach der Nitrifizierung des aus dem Harnstoff entstandenen Ammoniums kommt es im Oberboden zu einer geringen Versauerung. Diese reicht allerdings nicht, um Mikro-Nährstoffe im Boden zu mobilisieren, da das Nitrat bei der Aufnahme über die Wurzel die Rhizosphäre basisch macht.


pH und Mikro-Nährstoffe:

Stellt sich zum Schluss noch die Frage, wie die Effekte für die Mobilisierung von Mikro-Nährstoffen auf Böden mit höheren pH-Werten (über 6,8) zu bewerten sind. Hier die Ergebnisse für die Praxis:


  • Ein nutzbares Potenzial, den pH-Wert abzusenken, haben nur N-haltige Düngemittel, die zum überwiegenden Teil Ammonium enthalten, wie z. B. Schwefelsaures Ammoniak (SSA) oder MAP bzw. DAP. Diese verlieren auch kaum an Wirkung, wenn sie nitrifiziert werden.
  • Keine Wirkung auf die Verfügbarkeit von Metallen oder Phosphaten haben überwiegend nitrathaltige Düngemittel.
  • Ein eher theoretisches Potenzial besitzt Ammoniumnitrat. Aus Sicherheitsgründen wird ihm bei uns Kalk zugemischt. Das wirkt der pH-Absenkung entgegen.
  • Beim Harnstoff wirkt die mögliche Versauerung punktuell nicht stark genug, um Spurenelemente sicher zu mobilisieren. Denn aufgrund seiner guten Wasserlöslichkeit wird Harnstoff vor der Hydrolyse zu gut verteilt.

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