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Wie hoch pokern?

Lesezeit: 6 Minuten

Die Investition in Grund und Boden ist eine enge Rechnung. An welchen Faktoren hängt die Entscheidung? Und wo liegen die betriebswirtschaftlichen Grenzen?


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Vor so einer Entscheidung steht man nicht alle Tage, dessen war sich Schweinehalter Peter Thiemann aus Ostwestfalen* (Name von der Redaktion geändert) sofort bewusst. Ein langjähriger Verpächter, eine Erbengemeinschaft aus dem Nachbarort, hatte dem Schweinehalter (70 ha Ackerbau, 1 200 Mastplätze) den Kauf von zwei 5 ha-Parzellen in unmittelbarer Hofnähe angeboten. Kaufpreis: 250 000 €, rund 25 000 €/ha.


Noch massiver erwischte es Ackerbauer Josef Aulermann* aus Sachsen-Anhalt. Von den 1 200 ha seines Marktfruchtbaubetriebes (Zuckerrüben, Weizen, Raps, Gerste) hatten die BVVG und drei weitere Verpächter ganze 250 ha zum Verkauf ausgeschrieben. Kaufpreis rund 18 000 €/ha, in der Summe 4,5 Mio. €.


Interessenten gab es in beiden Fällen genug, zumal die Pachtverträge der betreffenden Flächen in wenigen Jahren ausliefen. Besonders für den ostdeutschen Landwirt ein Dilemma: Er war auf die Flächen im nahen Hofumfeld angewiesen, hatte Maschinenpark und Lagerkapazitäten auf die aktuelle Betriebsgröße optimiert. Dies hatte aber gleichzeitig weite Teile der betrieblichen Liquidität gefordert. Es lag auf der Hand: Ein Kauf war – wenn überhaupt – nur sehr schwer zu schultern. Aber war er auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu rechtfertigen?


Wo liegt mein Leistungsniveau?

Wer eine Investition in Grund und Boden überdenkt, sollte sich als erstes das eigene Leistungs- und Kostenniveau vor Augen führen. Der Maßstab hierfür ist die erzielbare Grundrente, die zugleich dem betriebswirtschaftlich maximal vertretbarem Pachtpreis für eine Fläche entspricht.


Wie in Übersicht 1 dargestellt, beinhaltet die Grundrente alle Leistungen und Prämien sowie sämtliche Kosten und kalkulatorischen Kostenansätze. Unterm Strich ergibt sich so der Wert, der nach angemessener Entlohnung aller anderen Faktoren zur Entlohnung der Fläche bleibt. An dieser Stelle gilt für jeden Betriebsleiter: Selber kalkulieren! Denn je nach Fruchtfolgeanteilen, erwartetem Preis- und Ertragsniveau sowie der individuellen Kostenstruktur sind die Unterschiede erheblich. Das zeigt eine einfache Kalkulation für einen Beispielsbetrieb (Übersicht 2). Unter sonst gleichen Bedingungen schwankt die Grundrente je nach Preis und Naturalertrag zwischen 50 und 950 €/ha – eine wahnsinnige Spanne.


Die auch noch von Fläche zu Fläche variiert. Es versteht sich von selbst, dass für einen 20 ha-Schlag in direkter Hofnähe mehr gezahlt werden kann, als für zehn 2 ha-Parzellen verstreut in 8 km Entfernung. Zwischen einem gut geschnittenen 20 ha-Schlag und einer kleinen, spitz zulaufenden Parzelle können schnell über 100 €/ha Bearbeitungserschwernisse zu Buche schlagen.


Wenn über den Ackerbau die Vieheinheiten für Tierhaltung „quersubventioniert“ werden, ist auch dies in Ansatz zu bringen. In diesem Fall kann die maximale Pacht auch etwas über der kalkulierten Grundrente liegen.


Wie finanzieren?

Die beiden Landwirte kennen ihre Zahlen. Der Ostwestfale erwirtschaftet – auch mithilfe der Mast – eine durchschnittliche Grundrente von 600 €/ha, wovon 500 €/ha für Pachtzahlungen aufgewendet werden. Der Marktfurchtbetrieb kommt, mit spitzer Feder gerechnet, auf 475 €/ha Grundrente bei einem Pachtniveau von 375 €/ha.


Was heißt das für die Kaufentscheidung? Unterstellen wir, dass die Landwirte ihre bisher bezahlte Pacht auch nutzen könnten, um den Kapitaldienst (Zinsen und Tilgung) für einen fremdfinanzierten Kauf der Fläche aufzubringen. In Übersicht 3 sind Kaufwerte anhand des aufzubringenden Kapitaldienstes abgeleitet. Es wird deutlich: Unter deutschen Verhältnissen ist es nahezu unmöglich, aus der laufenden Flächenbewirtschaftung den kompletten Kapitaldienst für den Kauf einer Fläche aufzubringen.


So könnte selbst ein Betrieb, der 500 €/ha Grundrente aufbringt, keine 10 000 €/ha für einen Flächenkauf ausgeben. Und das bei einem Zinssatz von 3 % und einer Kreditlaufzeit von 30 Jahren. Liegen das Zinsniveau bei 5 % und die Grundrente bei 300 €/ha, fällt der maximale Kaufpreis sogar auf unter 6 000 €/ha. Damit wären sowohl der ostdeutsche Betrieb als auch der westdeutsche Schweinehalter weit davon entfernt, die geforderten Kaufpreise von 18 000 bzw. 25 000 €/ha komplett aus der Bewirtschaftung zu tragen.


Wie spitz darf ich rechnen?

Das stimmt für die Liquidität. Aber gilt dies auch für die Rentabilität? Schließlich dient der eigentliche Kauf auch der Vermögensbildung. Wir lassen die Tilgung einen Moment außen vor und unterstellen, dass die bisher gezahlten Pachten voll genutzt werden könnten, um den Zinsaufwand für den Kauf aufzubringen.


In diesem Fall gestaltet sich die Rechnung etwas positiver. Wie Übersicht 4 zeigt, können bei 500 €/ha Grundrente und einem durchschnittlichen Zinssatz von 3 % bis zu 28 000 €/ha gezahlt werden. Auch hier hat das Zinsniveau eine starke Hebelwirkung. Steigt der Zinssatz durch einen ungünstigen Zeitpunkt oder ein schlechtes Rating von 3 auf 5 %, sinkt der maximal vertretbare Kaufpreis unter 16 000 €/ha.


Die beiden Landwirte rechnen weiter. Beide könnten den Kauf zu einem Zinssatz von rund 4 % mit einer Laufzeit von 30 Jahren finanzieren. Das haben sie in einem Vorabgespräch mit ihrer Hausbank geklärt. Die Verhältnisse aus erzielter Grundrente und gefordertem Kaufpreis liegen damit noch knapp im Rahmen des Möglichen (Ostwestfalen 600 € und 25 000 €/ha) und (Sachsen-Anhalt 475 € und 18 000 €/ha).


Kann ich quersubventionieren?

Nur, was ist in diesem Fall mit der Liquiditätsbelastung? Gilt doch das Motto: „Liquidität vor Rentabilität.“ Hier muss, falls ein Kauf unbedingt erwünscht, die Tilgung aus anderen Bereichen quersubventioniert werden.


Beispiel Ostwestfalen: Der Schweinehalter käme für den Kauf der 10 ha auf einen jährlichen Kapitaldienst von knapp 14 500 €. Um diese Summe zu erwirtschaften, braucht er eine Fläche von 24 ha (Rechenweg: 14 500 € Kapitaldienst geteilt durch 600 €/ha Grundrente). Das bedeutet, zusätzlich zu den gekauften 10 ha muss der Schweinehalter weitere 14 ha im Eigentum haben, um die Deckung seiner Liquidität sicherzustellen. Das macht für 1 ha Kauffläche umgerechnet 1,4 ha vorhandenes Eigentum – für den Betrieb Thiemann ist dies kein absolutes Ding der Unmöglichkeit.


Anders ist die Lage in Sachsen-Anhalt. Der Ackerbauer käme beim Kauf der 250 ha auf einen jährlichen Kapitaldienst von fast 250 000 €. Dadurch wären zur Abdeckung der Liquidität mehr als 500 ha Fläche notwendig (245 777 € geteilt durch 475 €/ha). Damit bräuchte er zusätzlich zu den 250 ha rund 270 ha bereits vorhandene Eigentumsflächen – ein Verhältnis von 1 ha Kauffläche zu 1,06 ha Eigentum.


Dies ist zwar ein günstigeres Verhältnis als in den alten Bundesländern, aber auch diese Flächen hat der Betrieb nicht. Wie bei vielen anderen ostdeutschen Betrieben ist die Eigenlandausstattung auch bei Ackerbauer Aulermann dünn. Er zeichnet gerade einmal 100 ha sein Eigen. Eine Quersubventionierung des Kapitaldienstes allein aus Eigentumsflächen fällt damit flach. Trotzdem rechnet er weiter und bezieht die verbleibenden 850 ha Pachtflächen mit in die Rechnung ein (1 200 ha abzüglich 100 ha Eigentum und 250 ha Zukauf).

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