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Bald 20 MillionenTierwohl-Schweine?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Initiative Tierwohl steht. Im September haben sich Bauern, Schlachter und der Handel über Finanzierung und Kriterien verständigt. top agrar stellt das Konzept vor.


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Obwohl deutsche Schweinehalter bereits nach hohen Standards produzieren, fordern Verbraucher und Lebensmittelhandel (LEH) mehr Tierwohl in den Ställen. Einige rot-grüne Landesregierungen greifen diese Stimmung auf und verlangen ebenfalls schärfere Vorgaben. Das Fatale daran: Gesetzliche Regelungen führen oft dazu, dass die Kosten steigen, deutsches Fleisch teurer wird als die ausländische Konkurrenz und am Ende Marktanteile verloren gehen.


Die Initiative Tierwohl bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma: Steigende Tierwohl-Kosten werden über separate Boni ausgeglichen.


Wer mitmacht, muss Auflagen erfüllen, die über dem gesetzlichen Standard liegen. Die Vorgaben sind in einem umfangreichen Kriterienkatalog aufgelistet. Sauenhalter können aus 13 Kriterien auswählen, die Mäster aus neun.


Jede Zusatzanforderung, die der Landwirt erfüllt, wird finanziell entschädigt. Weil die Entschädigung unabhängig vom aktuellen Schweinepreis gezahlt wird, sind die Kosten für das zusätzliche Tierwohl für den Tierhalter marktpreisneutral.


Die Kriterien für die drei Betriebszweige Sauen, Ferkel und Mast sind einheitlich in drei Blöcke aufgeteilt, wobei Block A und B das Standardpaket bilden (vgl. Übersichten 1 und 2).


Block A enthält sieben Grundanforderungen, die jeder Teilnehmer erfüllen muss. Dafür wird ihm eine pauschale Betriebsprämie von 500 € pro Betriebszweig und Jahr gezahlt. Wer im geschlossenen System wirtschaftet, erhält 1 500 € für die Bereiche Sauenhaltung, Ferkel­aufzucht und Mast, sofern er mit allen drei Betriebszweigen teilnimmt.


Block B ist zweigeteilt. Block B1 enthält zwei Wahlpflicht-Kriterien. Jeder Teilnehmer muss mindestens eins davon erfüllen. Beispiel Mast: Zur Auswahl stehen 10, 20 oder 40 % mehr Fläche, oder die Raufuttergabe. Block B2 umfasst neun Wahl-Kriterien. Um in den Genuss des individuellen Wahlbonus zu kommen, muss der Mäster so viele Kriterien aus dem gesamten Block B erfüllen, dass mindestens 3 € pro Mastschwein bzw. 2 € pro Ferkel bei der Sauenhaltung erreicht werden. In der Ferkelaufzucht sind es mindestens 1 € pro Tier.


Beispiel: Für 10 % mehr Fläche bekommt ein Mäster 2,80 € pro Schlachtschwein, der Einbau einer automatischen Kühlung bringt 0,20 € je Tier.


Im Block C geht es um den „Ringelschwanz“. Hier müssen Ferkelerzeuger, -aufzüchter und Mäster als Einheit mitmachen. Als Bonus winken 6 € pro Tier, die zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden. Um Erfahrungen zu sammeln, sollen die Teilnehmer schrittweise vorgehen und nicht sofort den gesamten Betrieb umstellen. Wer beim „Ringelschwanz“ mitmacht, muss sich auf jeden Fall fachlich begleiten lassen.


Im ersten Jahr erwarten die Initiatoren rund 2 000 Teilnehmer mit rund 4 Mio. Bonus-Schweinen. Im dritten Jahr kalkuliert man mit rund 10 000 Betrieben und 20 Mio. Tieren. Dabei bleibt die Teilnahme an der Initiative Tierwohl immer freiwillig. Spätestens nach einem Jahr kann jeder wieder aussteigen.


Die Bonushöhe orientiert sich an den tatsächlichen Kosten der Maßnahme. Die Kalkulation haben zwei betriebswirtschaftliche Berater erstellt. Da die Kosten zwischen Einzelbetrieben variieren, muss jeder für sich nachrechnen und entscheiden, ob eine Teilnahme Sinn macht und wenn ja, welche Kriterien sich am besten umsetzen lassen. Der Lebensmitteleinzelhandel hat das Recht, die Boni zu senken oder anzuheben. Damit will man die Nutzung bestimmter Kriterien gegebenenfalls fördern, heißt es.


Das Geld für die Bonuszahlungen kommt aus den Umsatzerlösen des LEH. Momentan wird von gut 100 Mio. € pro Jahr gesprochen. Damit sei die Finanzierung für mindestens drei Jahre gesichert, erwarten die Initiatoren. Unklar ist derzeit, was passiert, wenn mehr Geld benötigt wird als geplant. Werden dann keine neuen Betriebe mehr aufgenommen? Sinken die Boni oder schießt der LEH frisches Kapital nach?


Der LEH zahlt die Beträge in einen Fonds ein, der von einer Clearingstelle verwaltet wird. Die bisherige Preisermittlung und -feststellung für Schweinefleisch sowie der tägliche Handel bleiben von den Geldflüssen unberührt. Der Fonds zahlt das Geld an die Landwirte aus, die bei der Initiative mitmachen – unabhängig vom Marktpreis.


Entscheidend ist, dass der LEH die Initiative auf breiter Basis unterstützt, denn nur dann lässt sich das System finanzieren. Die bisherigen Teilnehmer stehen für mehr als Dreiviertel des deutschen Einzelhandelsumsatzes. Folgende Unternehmen machen mit: Aldi Nord und Süd, Lidl, Rewe-Gruppe, Edeka Zentrale/Netto, Kaiser’s Tengelmann, Kaufland, Metro-Gruppe.


Der Plan: Bis März 2014 sind alle rechtlichen und organisatorischen Fragen geklärt. Ebenso sind die Vorgaben bei den Einzelkriterien konkretisiert. Mitte nächsten Jahres fließt das erste Geld an die Clearingstelle. Ab Oktober werden dann die ersten Betriebe auditiert und ab Januar 2015 kann das erste Geld an die landwirtschaftlichen Betriebe fließen. Dieser Zeitplan gilt zunächst für die Mast. Die Sauenhaltung soll zeitverzögert eingebunden werden.


Die Kontrollen sollen über QS organisiert werden, so lassen sich Doppelkontrollen vermeiden. Wenn möglich wird ein Tierwohl-Audit mit einem QS-Audit kombiniert. Die Kosten für die Audits von ca. 100 € pro Betriebszweig hat der Landwirt zu tragen.


Das Kartellamt könnte das Konzept noch kippen. Die Wettbewerbshüter werden prüfen, ob die Initiative Tierwohl den Wettbewerb zwischen den Händlern beeinträchtigt und damit die Verbraucherpreise künstlich erhöht.


Um diesen Eindruck gar nicht erst zu erwecken, werden die Boni unabhängig vom Marktgeschehen gezahlt. Die Chancen für eine Freigabe stehen daher nicht schlecht.


Der Handel will kein neues Label bzw. keine Differenzierung für Fleisch – es soll alles wettbewerbsneutral sein. Denn jede Auslobung von Waren kostet Geld, weil man dafür die Warenströme trennen muss. Zudem droht eine Marktspaltung. Am Ende wären Tiere von Betrieben, die nicht an der Initiative teilnehmen, vielleicht doch weniger wert und der freie Markt würde beeinflusst.


Das Gleiche gilt übrigens für den Ferkelmarkt. Tiere von auditierten Betrieben müssen weiter frei zu vermarkten sein. Es darf keine Rolle spielen, ob der Mäster an der Initiative teilnimmt oder nicht. A. Beckhove/M. Arden

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