Das Coronavirus trifft vor allem Schlachtbetriebe. Tierhalter fragen sich zu Recht, welche Folgen ein Flächenbrand hätte. US-Farmer haben diese Odyssee bereits erlebt.
Anfang 2020 sah alles nach einem weiteren Rekordjahr für die amerikanischen Tierhalter aus. Die US-Fleischexporte hatten sich in wenigen Monaten verdoppelt, die Börsenkurse für Rind, Schwein und Geflügel kletterten immer höher und auch die Milchpreise entwickelten sich freundlich. Zusammen mit niedrigen Mais- und Sojakursen rechneten die Veredelungsbetriebe mit satten Gewinnen und planten vielfach weitere Wachstumsschritte.
Lieferstau durch Pandemie
Doch im April traf die Covid19-Pandemie die US-Veredlungswirtschaft mit voller Wucht:
Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben fehlten plötzlich Arbeitskräfte. Die Kapazitätsauslastung fiel zeitweise auf 60% zurück (s. Übersicht 1).
Farmer blieben auf ihren schlachtreifen Rindern, Schweinen und Hähnchen sitzen.
In der Folge platzten auch die Ställe für die Jungtieraufzucht aus allen Nähten. Millionenfach wurden Schweine und Geflügel notgetötet. Über das genaue Ausmaß wird spekuliert.
Auch im Milchsektor bremsten Molkereien die Milchannahme und senkten die Grundpreise. Überlieferungen wurden sogar mit Preisabschlägen bestraft.
Milchfarmer sortierten Kühe vorzeitig aus oder stellten sie frühzeitig trocken. Teilweise wurde Milch verfüttert oder sogar entsorgt.
Auch beim Fleischabsatz kam es zu Verwerfungen. Der Außer-Haus-Verzehr, der in den USA eine sehr große Bedeutung hat, brach völlig weg. Dennoch stieg die Nachfrage durch Hamsterkäufe kurzfristig an. Die absurde Folge: Während die Verbraucherpreise für konsumfertige Fleischteile in den Himmel schossen, rauschten die Erzeugerpreise in den Keller. Schlachter und Händler freuten sich über traumhafte Margen – auf Kosten der Tierhalter.
Amerikanische Schweinemäster erzielten am Tiefpunkt der Krise weniger als umgerechnet 0,60 € pro kg Schlachtgewicht (SG). Die Erlöse für Schlachtrinder stürzten binnen weniger Wochen um ein Viertel auf 3,10 €/kg SG ab. Und die Hähnchenpreise fielen kurzzeitig um mehr als 45%. Die Milchpreise fuhren Achterbahn und rutschten von 34 Cent im Februar auf 20 Cent im April ab, um bis Anfang Juni wieder auf 40 Cent zu steigen.
Nachdem der US-Präsident Trump Nahrungsmittel-Unternehmen als systemrelevant einstufte, kam die Verarbeitung zwar wieder in Gang. Dennoch hakt es in den Lieferketten weiterhin, sodass etliche Verarbeitungsbetriebe noch immer nicht die Vor-Corona-Umsätze erreichen.
Mit hohen Direkthilfen im Wert von 16 Mrd. Dollar versucht die US-Regierung den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Den größten Teil davon erhalten die Farmer:
5,1 Mrd. $ für Fleischrinderhalter
2,9 Mrd. $ für Milchviehhalter
1,6 Mrd. $ für Schweineproduzenten
Trotz dieser üppigen Finanzspritze dürfte die Krise auch mittelfristige Folgen für die US-Agrarwirtschaft haben. Denn die Nachfrage nach veredelten Produkten hängt auch von der Wirtschaftslage ab. Da viele Amerikaner in der Krise ihren Job verloren haben, dürfte das Geld nicht mehr so locker sitzen. Das amerikanische Agrarministerium (USDA) hat in der neuen Prognose die Corona-Folgen mit einfließen lassen und schätzt die Perspektiven je nach Branche unterschiedlich ein.
Rind: Schwere Tiere am Markt
Im zweiten Halbjahr 2020 führen die aufgestauten Rinder in Verbindung mit hohen Schlachtgewichten zu Angebotsdruck, erwartet das USDA. Die weiterhin eingeschränkten Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten bremsen dennoch die Fleischerzeugung, sodass 1 bis 2% weniger Rindfleisch als im Vorjahr zur Verfügung steht. Parallel dazu geht der Pro-Kopf-Verbrauch (PKV) durch die Coronakrise spürbar zurück, und zwar von 26 auf 24,8 kg. Die Preiserwartungen liegen bei umgerechnet 3,40 € pro kg SG. Eigentlich sind US-Farmer Kurse von über 4 € gewohnt, aber für höhere Preise gibt es kaum Luft. Trump erwägt deshalb bereits einen Importstopp, um den heimischen Markt zu stützen.
Auch für 2021 sind die Aussichten nicht rosig. Die Rindfleischerzeugung soll auf eine Rekordmenge zulegen, während die Nachfrage im In- und Ausland durch die Rezession kaum steigt. Die Preiserwartungen liegen bei 3,70 € pro kg SG.
Schwein: Sauenzahlen sinken
US-Schweinehalter haben ihre Erzeugung in den vergangenen fünf Jahren um 20% ausgebaut. Damit ist nun Schluss, denn durch die Krise wird die amerikanische Schweinebranche laut USDA unsanft ausgebremst. Dennoch soll die Erzeugung in der zweiten Jahreshälfte noch knapp über dem Vorjahr liegen. Wie bei den Rindern wird wegen eingeschränkter Schlachtkapazitäten mit höheren Schlachtgewichten gerechnet. Der Verbrauch soll mit 22,5 kg pro Kopf und Jahr um 1,5 kg hinter das Vorjahr zurückfallen.
Ab 2021 geht es zunächst mit der Erzeugung sogar um 5% unter die Vorjahreslinie, denn aktuell werden deutlich mehr Sauen geschlachtet als üblich.
Das hat auch Folgen für die US-Exporte. Sie sollen zeitweise um bis zu 6% unter die Vorjahreszahlen rutschen (Übersicht 2). Die durchschnittlichen Erzeugerpreise schätzt das USDA in den nächsten Quartalen auf umgerechnet 0,85 € bis 0,90 € pro kg SG. Das ist selbst für US-Schweinehalter zu wenig.
Geflügel: Nur kurze Delle
Die US-Geflügelbranche hat bereits mit weniger Bruteiern und Kükenaufstallungen reagiert. Das Hähnchenfleischaufkommen soll dadurch kurzfristig um 4% sinken, um den rückläufige PKV abzufedern. Er soll im laufenden Jahr von 44,4 auf 42,6 kg zurückgehen.
Auch 2021 soll nach Meinung des USDA die Nachfrage schwach starten, sich dann aber im weiteren Jahresverlauf erholen. Geflügelfleisch ist vergleichsweise günstig, sodass dieser Markt wohl am besten durch die Krise kommt, heißt es.
Milch: Weniger Nachfrage
In der zweiten Jahreshälfte geht die Milcherzeugung jahreszeitüblich zurück. Allerdings dürften die Anlieferungen in diesem Jahr durch abgestockte Kuhbestände noch stärker zurückfallen. Die Nachfrage nach Milchprodukten ist einkommensbedingt gehemmt. Und im Export von beispielsweise Magermilchpulver haben es die Amerikaner mit harter Konkurrenz aus der EU und anderen Exportländern zu tun. Für 2021 rechnet das USDA aber dennoch mit einer Stabilisierung des Milchmarktes.
andreas.beckhove@topagrar.com
Unser Autor
Heribert Breker,
Landwirtschaftskammer NRW
Hinweis:
Bitte aktivieren Sie Javascipt in Ihrem Browser, um diese Seite optimal nutzen zu können
Zum Lesen dieses Artikels benötigen Sie ein top agrar Abonnement
Das Coronavirus trifft vor allem Schlachtbetriebe. Tierhalter fragen sich zu Recht, welche Folgen ein Flächenbrand hätte. US-Farmer haben diese Odyssee bereits erlebt.
Anfang 2020 sah alles nach einem weiteren Rekordjahr für die amerikanischen Tierhalter aus. Die US-Fleischexporte hatten sich in wenigen Monaten verdoppelt, die Börsenkurse für Rind, Schwein und Geflügel kletterten immer höher und auch die Milchpreise entwickelten sich freundlich. Zusammen mit niedrigen Mais- und Sojakursen rechneten die Veredelungsbetriebe mit satten Gewinnen und planten vielfach weitere Wachstumsschritte.
Lieferstau durch Pandemie
Doch im April traf die Covid19-Pandemie die US-Veredlungswirtschaft mit voller Wucht:
Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben fehlten plötzlich Arbeitskräfte. Die Kapazitätsauslastung fiel zeitweise auf 60% zurück (s. Übersicht 1).
Farmer blieben auf ihren schlachtreifen Rindern, Schweinen und Hähnchen sitzen.
In der Folge platzten auch die Ställe für die Jungtieraufzucht aus allen Nähten. Millionenfach wurden Schweine und Geflügel notgetötet. Über das genaue Ausmaß wird spekuliert.
Auch im Milchsektor bremsten Molkereien die Milchannahme und senkten die Grundpreise. Überlieferungen wurden sogar mit Preisabschlägen bestraft.
Milchfarmer sortierten Kühe vorzeitig aus oder stellten sie frühzeitig trocken. Teilweise wurde Milch verfüttert oder sogar entsorgt.
Auch beim Fleischabsatz kam es zu Verwerfungen. Der Außer-Haus-Verzehr, der in den USA eine sehr große Bedeutung hat, brach völlig weg. Dennoch stieg die Nachfrage durch Hamsterkäufe kurzfristig an. Die absurde Folge: Während die Verbraucherpreise für konsumfertige Fleischteile in den Himmel schossen, rauschten die Erzeugerpreise in den Keller. Schlachter und Händler freuten sich über traumhafte Margen – auf Kosten der Tierhalter.
Amerikanische Schweinemäster erzielten am Tiefpunkt der Krise weniger als umgerechnet 0,60 € pro kg Schlachtgewicht (SG). Die Erlöse für Schlachtrinder stürzten binnen weniger Wochen um ein Viertel auf 3,10 €/kg SG ab. Und die Hähnchenpreise fielen kurzzeitig um mehr als 45%. Die Milchpreise fuhren Achterbahn und rutschten von 34 Cent im Februar auf 20 Cent im April ab, um bis Anfang Juni wieder auf 40 Cent zu steigen.
Nachdem der US-Präsident Trump Nahrungsmittel-Unternehmen als systemrelevant einstufte, kam die Verarbeitung zwar wieder in Gang. Dennoch hakt es in den Lieferketten weiterhin, sodass etliche Verarbeitungsbetriebe noch immer nicht die Vor-Corona-Umsätze erreichen.
Mit hohen Direkthilfen im Wert von 16 Mrd. Dollar versucht die US-Regierung den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Den größten Teil davon erhalten die Farmer:
5,1 Mrd. $ für Fleischrinderhalter
2,9 Mrd. $ für Milchviehhalter
1,6 Mrd. $ für Schweineproduzenten
Trotz dieser üppigen Finanzspritze dürfte die Krise auch mittelfristige Folgen für die US-Agrarwirtschaft haben. Denn die Nachfrage nach veredelten Produkten hängt auch von der Wirtschaftslage ab. Da viele Amerikaner in der Krise ihren Job verloren haben, dürfte das Geld nicht mehr so locker sitzen. Das amerikanische Agrarministerium (USDA) hat in der neuen Prognose die Corona-Folgen mit einfließen lassen und schätzt die Perspektiven je nach Branche unterschiedlich ein.
Rind: Schwere Tiere am Markt
Im zweiten Halbjahr 2020 führen die aufgestauten Rinder in Verbindung mit hohen Schlachtgewichten zu Angebotsdruck, erwartet das USDA. Die weiterhin eingeschränkten Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten bremsen dennoch die Fleischerzeugung, sodass 1 bis 2% weniger Rindfleisch als im Vorjahr zur Verfügung steht. Parallel dazu geht der Pro-Kopf-Verbrauch (PKV) durch die Coronakrise spürbar zurück, und zwar von 26 auf 24,8 kg. Die Preiserwartungen liegen bei umgerechnet 3,40 € pro kg SG. Eigentlich sind US-Farmer Kurse von über 4 € gewohnt, aber für höhere Preise gibt es kaum Luft. Trump erwägt deshalb bereits einen Importstopp, um den heimischen Markt zu stützen.
Auch für 2021 sind die Aussichten nicht rosig. Die Rindfleischerzeugung soll auf eine Rekordmenge zulegen, während die Nachfrage im In- und Ausland durch die Rezession kaum steigt. Die Preiserwartungen liegen bei 3,70 € pro kg SG.
Schwein: Sauenzahlen sinken
US-Schweinehalter haben ihre Erzeugung in den vergangenen fünf Jahren um 20% ausgebaut. Damit ist nun Schluss, denn durch die Krise wird die amerikanische Schweinebranche laut USDA unsanft ausgebremst. Dennoch soll die Erzeugung in der zweiten Jahreshälfte noch knapp über dem Vorjahr liegen. Wie bei den Rindern wird wegen eingeschränkter Schlachtkapazitäten mit höheren Schlachtgewichten gerechnet. Der Verbrauch soll mit 22,5 kg pro Kopf und Jahr um 1,5 kg hinter das Vorjahr zurückfallen.
Ab 2021 geht es zunächst mit der Erzeugung sogar um 5% unter die Vorjahreslinie, denn aktuell werden deutlich mehr Sauen geschlachtet als üblich.
Das hat auch Folgen für die US-Exporte. Sie sollen zeitweise um bis zu 6% unter die Vorjahreszahlen rutschen (Übersicht 2). Die durchschnittlichen Erzeugerpreise schätzt das USDA in den nächsten Quartalen auf umgerechnet 0,85 € bis 0,90 € pro kg SG. Das ist selbst für US-Schweinehalter zu wenig.
Geflügel: Nur kurze Delle
Die US-Geflügelbranche hat bereits mit weniger Bruteiern und Kükenaufstallungen reagiert. Das Hähnchenfleischaufkommen soll dadurch kurzfristig um 4% sinken, um den rückläufige PKV abzufedern. Er soll im laufenden Jahr von 44,4 auf 42,6 kg zurückgehen.
Auch 2021 soll nach Meinung des USDA die Nachfrage schwach starten, sich dann aber im weiteren Jahresverlauf erholen. Geflügelfleisch ist vergleichsweise günstig, sodass dieser Markt wohl am besten durch die Krise kommt, heißt es.
Milch: Weniger Nachfrage
In der zweiten Jahreshälfte geht die Milcherzeugung jahreszeitüblich zurück. Allerdings dürften die Anlieferungen in diesem Jahr durch abgestockte Kuhbestände noch stärker zurückfallen. Die Nachfrage nach Milchprodukten ist einkommensbedingt gehemmt. Und im Export von beispielsweise Magermilchpulver haben es die Amerikaner mit harter Konkurrenz aus der EU und anderen Exportländern zu tun. Für 2021 rechnet das USDA aber dennoch mit einer Stabilisierung des Milchmarktes.