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Astrein! Bei den Eichen im Spessart

Lesezeit: 9 Minuten

Der Spessart ist für seine einmaligen Eichenbestände bekannt, die teils über 400 Jahre alt sind. Wir wollten wissen, warum die Eichen hier so besonders sind und haben uns auf die Spurensuche gemacht.


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Die Spessart-Eiche: Jeder Forstfan hat von diesen besonderen Bäumen gehört: Eichen mit bis zu 30 m langen, geraden und nahezu astfreien Schäften, oft in optimaler Furnierqualität. Wir wollten wissen, warum diese Qualitäten gerade hier wachsen.


Der Spessart ist eine 2400 km2 große Mittelgebirgsregion in Hessen und Unterfranken, nördlich des Mains auf der Linie zwischen Frankfurt und Würzburg. Hier haben wir zwei Forstbetriebe besucht:


  • Stadtwald der Stadt Lohr am Main: Die nahezu voll arrondierte Fläche der vier Reviere umfasst eine Fläche von rund 4100 ha. Der Anteil der Eichen liegt bei 18%, der Laubholzanteil insgesamt bei 64%. Im Stadtwald trafen wir den langjährigen Leiter der Forstverwaltung, Bernhard Rückert.
  • Staatlich bayerischer Forstbetrieb Rothenbuch: Dessen 17000 ha Fläche ist ebenfalls stark arrondiert und gliedert sich in insgesamt zehn Reviere. Dieser Betrieb im Hochspessart ist überregional bekannt für seinen hohen Eichenanteil von rund 25%. Die Eiche wächst hier in teils sehr alten Beständen, die über vierhundert Jahre zählen. Die Eichen in Rothenbuch besuchten wir zusammen mit dem Forstbetriebsleiter Jann Oetting.


Die beiden Verantwortlichen wirtschaften unter ähnlichen Bedingungen, haben aber teils etwas unterschiedliche Ansätze bzw. Philosophien. Doch das Ziel ist bei beiden das gleiche: Auch in den kommenden vierhundert Jahren soll es im Spessart noch Eichen mit optimaler Holzqualität geben. Wie sie das erreichen wollen, stellen wir in den beiden Reportagen vor.


Warum gerade Spessart?

Im Spessart wächst das größte zusammenhängende Laubmischwald-Gebiet in Deutschland. Und nein, die Eiche hat es hier nicht besonders leicht. Denn vor allem die Rotbuche ist im Spessart im Optimum. Und das macht sie zur größten Konkurrentin der lichtliebenden Eiche. Sobald die frohwüchsige Buche ihren dichten Schirm schließt, ist es um die Eiche geschehen.


Der Buntsandstein-Verwitterungsboden ist relativ nährstoffarm. Niederschlag ist in den Eichenrevieren keine Mangelware: Die Wolken regnen sich am Spessart aus und hinterlassen teils mehr als 1000 mm Jahresniederschlag.


Weil sich die Buche so hervorragend entwickelt, sind die heutigen Eichenbestände ohne menschlichen Einfluss kaum denkbar. Zur Entstehung der besonders markanten, rund 400-jährigen Altbestände gibt es unterschiedliche Theorien. Eine besonders gängige geht auf den Dreißigjährigen Krieg zurück: Auf der Flucht vor den schwedischen Angreifern zogen sich die Menschen in die Wälder zurück. Sie nutzten die Bäume und die Streu in den Waldgebieten sehr intensiv und lichteten die Bestände auf. Gleichzeitig muss es in diesen Jahren zu einer oder mehreren starken Eichenmasten gekommen sein.


Die Eicheln erhielten optimale Startbedingungen und bildeten dichte Jungbestände. Die jungen Bäume wuchsen mit schmalen, schlanken Schäften heran und bildeten kaum Seitenäste. Außerdem erkannten die Churmainzer Fürstbischöfe den Wert der Eichen für die Jagd als Mastbaum und förderten sie.


Wer im Spessart gigantische Eichenriesen erwartet, wird fast enttäuscht. Trotz ihrer teils mehr als 400 Jahre sind Eichen mit mehr als 1,20 m Stammdurchmesser eher die Ausnahme.


Die Eiche wächst langsam im Spessart. Dadurch ist der Abstand der Jahrringe sehr eng. Das Holz ist vergleichsweise weich, lässt sich sehr gut zu Furnier verarbeiten. Neben den Fur-nierstämmen ist das Fassholz aus dem Spessart besonders gefragt.


Dichte Saat:

Auch heute setzen die Förster auf die traditionelle Bestandsbegründung bei der Eiche: die Saat. Obwohl es um eine enorm lange Kulturdauer geht, ist bei diesem Verfahren Schnelligkeit gefragt. Denn eine sichere Eichenmast kündigt sich oft erst im August an. Ab dann müssen die Flächen möglichst schnell für die Eichensaat vorbereitet werden. Der Altbestand wird bis auf einen lockeren Schirm komplett zurückgenommen – es bleiben nur relativ wenige Altbäume zurück. Wenn es richtig werden soll und sich nicht plötzlich üppige Grasflächen entwickeln sollen, ist dabei forstliches Geschick gefragt.


Was die einheimischen Bürger seit Generationen kennen, ist bei städtischen Waldbesuchern ohne forstliches Hintergrundwissen manchmal anders: Sie stehen dieser Maßnahme eher ablehnend gegenüber, hat Jann Oetting festgestellt. Sie halten das Zurücknehmen des Altbestandes teils für „Kahlschlag“. Dabei geht es eigentlich gerade um eine uralte, naturnahe Waldbautradition.


Saatflächen bis 2 ha:

Bei der Größe der Flächen gibt es unterschiedliche Ansätze: Eher kleinflächig mit einem Viertel bis einem halben Hektar Größe bis hin zu mit rund 2 ha recht großen Teilstücken. Früher wurden sogar noch größere Flächen freigehauen, was heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr gängig ist.


Der Forstbetrieb Rothenbuch setzt eher auf die größeren Flächen, die sich nach dortiger Ansicht rationeller pflegen und damit auch langfristig erhalten lassen. Im benachbarten Stadtwald arbeitet Bernhard Rückert gerne auch mit kleineren Saatflächen ab einem Viertel Hektar, z.B. auch nach Windwürfen.


Beim Sammeln der Eicheln in Mastjahren hilft traditionell die Bevölkerung im Spessart – auch das ist Tradition. Einige Familien machen das teils seit Generationen. Bei der letzten großen Mast im Jahr 2009 betrug der Lohn pro kg rund 2 bis 4 €.


Die Leute erhalten einen Sammelschein und werden in die entsprechenden Bestände eingewiesen. Sie geben die Eicheln täglich ab, und die Verantwortlichen haben ein Auge darauf, dass die Eicheln wirklich aus den anerkannten Mutterbeständen stammen.


Neben der Saat vermarkten die Reviere einen Teil der Eicheln an andere Forstbetriebe oder Baumschulen. Der Stadtwald in Lohr hat so z.B. im Jahr 2009 von den ca. 9 t gesammelten Eicheln rund 6 t als Saatgut verkauft. Der Erlös lag bei ca. 23000 €. Auch das Revier Rothenbuch hat 2009 einen nennenswerten Betrag so erwirtschaftet.


Im Schnitt kommt es alle fünf bis sieben Jahre zu einer Vollmast. Jann Oetting hat festgestellt, dass der Abstand in den letzten Jahren eher größer geworden ist, aus welchen Gründen auch immer. Er schätzt, dass der Abstand zwischen den Vollmasten heute bei etwa zehn Jahren liegt. Weil er regelmäßiger neue Bestände begründen möchte, setzt er in seinem Forstbetrieb deshalb zunehmend auch auf die Pflanzung. Auch im Stadtwald von Bernhard Rückert nutzt man teils Wildlinge.


Schwerpunkt bleibt aber die Saat. Deshalb bedeutet ein Mastjahr Stress für die Förster. Sie müssen die Flächen vorbereiten, das Sammeln koordinieren und überwachen, die Saat organisieren. Die Praktiker versuchen, die Eicheln so schnell wie möglich in den Boden zu bringen. Dabei setzen die Betriebe auf unterschiedliche Verfahren, teils per Schlepper, teils per Pferd.


Zunächst muss der Mineralboden freigelegt werden. Das ist in abgehenden Nadelholzbeständen wegen der dicken Rohhumusauflage aufwendiger als auf Laubholzflächen. Die Eicheln werden dann entweder von Hand breitwürfig oder direkt in Bodenrillen ausgebracht und dort per Handrechen mit 2 bis 5 cm Boden abgedeckt.


In Mastjahren spielt die Saatgutmenge nur eine untergeordnete Rolle, Eicheln gibt es dann fast im Überfluss. Die Saatstärke liegt oft bei 600 bis 700 kg/ha – je kleiner die Fläche, desto dichter säen die Forstleute. Durch diese Saat sollen sich die Bestände, wie für den Spessart üblich, möglichst dicht entwickeln.


Trotz des hohen Saatgutangebots ist die Maßnahme nicht billig. Das Räumen von einem Hektar Fläche kostet rund 750 €, die Bodenbearbeitung rund 350 €. Die Kosten für das Sammeln des Saatguts liegen bei rund 1400 €. Die Saat selbst wird mit ca. 900 € angesetzt. Schließlich muss die Fläche noch eingezäunt werden, was je nach Form und Größe des Stücks im Schnitt 1800 € pro Hektar kostet. Macht unter dem Strich in diesem Beispiel einer rund 2 ha großen Fläche im Forstbetrieb Rothenbuch 5200 €/ha. Je nach örtlichen Verhältnissen und auf kleineren Flächen können die Kosten aber durchaus auf das Doppelte steigen.


Trotz intensiver Bejagung geht es nicht ohne den Zaun. Auf den kargen Böden gibt es kaum Grün, die Äsung für Reh- und Rotwild ist knapp und die Tiere freuen sich über jede junge Pflanze. Sowohl Rückert als auch Oetting kümmern sich intensiv um die Wildkontrolle in ihren Betrieben.


Wichtige Pflege:

Die Kulturpflege ist sehr wichtig im Spessart. Die Eiche hat auf den Saatflächen natürlich Priorität. Regelmäßig müssen die Förster deshalb Bedränger zurücknehmen. Die naturverjüngte Buche findet auf den umzäunten Flächen optimale Bedingungen. Weil mit einer Eichenmast oft auch eine Buchenmast einhergeht, müssen die jungen Eichenbestände rechtzeitig von den Buchen befreit werden. Die herausgerissenen Buchen lassen sich dann aber teils als Wildlinge nutzen bzw. verkaufen.


Bis zum Dickungsschluss muss der Eichenbestand mindestens zwei Mal gepflegt werden. Geht es um ehemalige Fichten-Flächen, muss man junge Nadelbäume im Blick behalten. Gleichzeitig sollen nützliche und seltene Baumarten erhalten werden. Auch darf man die Buche nicht zu stark zurücknehmen, sie sorgt unter den Eichen für die wichtige Schaftpflege und verhindert Wasserreiser.


Hier ist forstliches Fingerspitzengefühl und teils auch ein Umdenken gefragt. Denn Eichen-Reinbestände sind heute auch im Spessart nicht mehr das Ziel. Weil bei reinen Eichenbeständen der Kronenbereich relativ licht ist, steigen dort die Temperaturen. Das mögen viele blattfressende Insekten. Einige davon sind, durch den Klimawandel gefördert, aus dem Mittelmeerraum eingewandert. Die Kalamitäten durch Fraßgesellschaften aus Prachtkäfer, Eichenwickler, Prozessionsspinner und Frostspanner nehmen zu.


Deshalb tolerieren Förster wie Bernhard Rückert und Jann Oetting auch Buchen, die bis ins Herrschende bzw. in die Mittel- und Oberschicht hochwachsen. Die Strategie: Die dichteren Buchenkronen senken hier die Temperaturen, und die Fraßschädlinge finden weniger optimale Bedingungen vor. Der Eichenanteil in diesen Beständen wird bei rund 70% liegen. Im Spessart gibt es aber durchaus noch Bestände, in denen die Eichen einen Anteil von über 90% erreichen. Guido Höner

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