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„Es ist sinnvoll, die P-Richtwerte anzupassen“

Lesezeit: 7 Minuten

Die neuen P-Gehaltsklassen des VDLUFA sorgen für Diskussionen. top agrar sprach mit den Initiatoren darüber.


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Was war der Anlass für den Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA), die Richtwerte für die P-Düngung zu senken?


Taube: Schon die bis Mitte der 1990er-Jahre durchgeführten Phosphatdüngeversuche hätten die Festlegung auf niedrigere Richtwerte im ursprünglichen Standpunkt aus dem Jahr 1997 erlaubt. Damals wurde aber eine Risikominimierung für einzelne Situationen einbezogen. Zwischenzeitlich bestätigen viele Düngeversuche, dass Optimal-erträge auch bei einer Absenkung der Richtwerte noch erreicht werden.


Weiterhin zeigt sich, dass ein Aufdüngen der Böden in der Gehaltsklasse B auf das bisherige Niveau der Klasse C in keinem Fall ökonomisch ist. Dem trägt die Landwirtschaft in den Ackerbauregionen schon seit Jahren Rechnung. Nicht zuletzt fordert die Gesetzgebung künftig einen Ausgleich zwischen Produktions- und Umweltzielen.


Im Gesetz geht es dabei um Ressourcen- und Umweltschonung. Wie ist es um die weltweiten P-Vorräte bestellt und welche Umweltwirkungen gehen von P aus?


Wiesler: Die weltweiten Phosphatreserven und die Entwicklung des Phosphatdüngemittelverbrauchs unterliegen einer starken Dynamik. Deshalb sind verlässliche Aussagen über die Reichweite der P-Vorräte kaum möglich. Sie dürfte bei 200 bis 300 Jahren liegen.


Wichtige zusätzliche Aspekte sind die Qualität der Rohphosphate, vor allem im Hinblick auf Schwermetallbelastungen. Zudem konzentrieren sich die Lagerstätten auf wenige, politisch oft nicht stabile Länder. Nicht zuletzt ist auch die gerechte globale Verteilung der P-Reserven bis heute bei weitem nicht gegeben.


Umweltwirkungen gehen von Phosphor vor allem aufgrund von dessen Eintrag in Oberflächengewässer sowie Übergangs- und Küstengewässer aus. Deren ökologischer Zustand ist in Deutschland in weniger als 10% der Fälle gut, in über 90% allenfalls mäßig bis schlecht.


Häufigste Ursachen für das Verfehlen des guten ökologischen Zustandes sind menschlich verursachte Nährstoffbelastungen und Veränderungen der Gewässerstrukturen. Hinsichtlich Phosphor hängen zu hohe P-Gehalte im Boden direkt mit P-Austrägen in die Gewässer durch Erosion, Oberflächenabfluss und Abfluss über Drainagen zusammen. Auch Austräge über das Grundwasser werden öfter diskutiert. Eine Absenkung der P-Gehalte im Boden wird mittelfristig also zu einer Verminderung von P-Einträgen in Gewässer beitragen.


Wenn die Ergebnisse zur P-Düngung teilweise schon seit Mitte der 1990er-Jahre bekannt waren, warum hat der VDLUFA nicht schon früher niedrigere P-Richtwerte empfohlen?


Taube: Die Festlegung auf Richtwerte stellt immer einen Kompromiss dar. So stand bei den 1997 verabschiedeten Werten die Risikominimierung auch auf Einzelstandorten im Vordergrund. Weiterhin entsprach es dem damaligen Verständnis, dass in Gehaltsklasse C - wenn überhaupt - nur noch ein geringer Ertragseffekt durch P-Düngung erzielt werden sollte. Nach dem neuen Standpunkt sind Ertragseffekte in der Klasse C durchaus zu erwarten. Mit der Düngung von P soll in Zukunft mehr eine Pflanzen- und weniger eine Bodendüngung erfolgen.


Einer früheren Anpassung der Werte standen auch Widerstände entgegen, die auf „Zwängen zur Unterbringung“ von wirtschaftseigenen Düngern, Gärrückständen oder Klärschlamm beruhten und wenig mit einer bedarfsgerechten P-Düngung von Pflanzen zu tun hatten.


Reichen die abgesenkten P-Richtwerte wirklich aus, um auch bei suboptimalen Wachstumsbedingungen – wie z.B. ein kaltes oder nasses Frühjahr – noch sichere Erträge zu ernten?


Wiesler: Suboptimalen Wachstumsbedingungen wird nicht nur durch die Einstellung eines bestimmten P-Gehalts im Boden Rechnung getragen, sondern auch durch produktionstechnische Maßnahmen, wie z.B. die Düngerplatzierung. Versuchsergebnisse aus Trockengebieten wie Thüringen zeigen, dass dadurch die P-Wirksamkeit auch im Getreideanbau wesentlich verbessert werden könnte. Ähnliches gilt für kalte Vegetationsabschnitte, in denen das Wurzelwachstum und damit die räumliche Erschließung von P im Boden beeinträchtigt sind.


Wie viel Puffer bieten die neuen Werte und inwieweit berücksichtigen sie unterschiedliche Bodenqualitäten sowie regionale Standortunterschiede?


Taube: Die neuen Richtwerte und die damit zusammenhängenden Düngeempfehlungen bieten eher mehr Puffer als bisher. So sind für Trockengebiete erhöhte Richtwerte vorgesehen. Weiterhin ist die empfohlene Düngermenge in Gehaltsklasse D, also bei hoher P-Versorgung des Bodens, sehr flexibel. Sie sollte zwar niedriger als die Abfuhr sein, kann unter ungünstigen Standortbedingungen aber an diese heranreichen. Das frühere VDLUFA-Schema war hier viel starrer und empfahl eine P-Düngung nur bis zur Hälfte der Abfuhr.


Wie kleinräumig müsste eine Differenzierung bestenfalls ausfallen und wer müsste sie vornehmen?


Wiesler: Eine über das bisherige Schema hinausgehende kleinräumigere Differenzierung wird von Erkenntnisfortschritten und letztlich auch von der technischen Realisierbarkeit abhängen. Wir sehen aber gerade in diesem Jahr, dass nicht das letzte Gramm Phosphor je 100 g Boden, sondern Witterungsextreme insbesondere über die Wasserverfügbarkeit die Erträge limitieren.


Wie sollten die Länder nun mit den neuen Richtwerten umgehen?


Taube: Die Länder würden gut daran tun, die neuen Richtwerte in vollem Umfang zu übernehmen. Sie sind das Ergebnis eines langen fachlichen Diskussionsprozesses und durch seriös publizierte Versuchsergebnisse belegt. Wenn also wissenschaftliche Erkenntnis die Richtschnur für die Beratung ist, dann ist das alles mehr als eindeutig.


Auf Basis der alten Richtwerte von 1997 haben die Bundesländer die Empfehlungen für die Gehaltsklasse C bislang unterschiedlich umgesetzt. War das aus pflanzenbaulicher Sicht nachvollziehbar?


Wiesler: Insgesamt haben die Bundesländer die bisherigen Empfehlungen durchaus vergleichbar umgesetzt. Lediglich einzelne Bundesländer, insbesondere Schleswig-Holstein, wichen mit ihren Richtwerten sehr stark von den Empfehlungen des VDLUFA ab. Großräumige Unterschiede in der P-Düngeempfehlung, z.B. zwischen den Bundesländern, sind aus pflanzenbaulicher Sicht nicht gerechtfertigt. Allerdings sollte man für die treffsichere Ermittlung des P-Düngebedarfs in Zukunft zusätzliche bodenphysikalische und pflanzliche Eigenschaften stärker berücksichtigen. Dafür fehlt aber bislang noch die ausreichende experimentelle Basis. Diesen Fragen wird sich der VDLUFA künftig noch mehr widmen.


Für viele Landwirte in den Veredlungsgebieten mit hochversorgten Böden sind die neuen P-Richtwerte ein Problem. Rutscht ein Standort durch die Absenkung von Gehaltsklasse C in D und würden per Länderermächtigung Rotgebiete ausgewiesen, wäre eine Düngung nur noch nach Bedarf möglich. In Gehaltsklasse E wäre der Einsatz von Gülle und Gärresten gänzlich verboten. Wie können betroffene Landwirte das Problem kurzfristig lösen?


Taube: Die neuen Richtwerte wurden auf der Basis des P-Düngebedarfs von Pflanzen entwickelt. Sie sind also fachlich begründet und belegt. Die Probleme der P-Überschüsse in den tierintensiven Regionen sind schon lange bekannt. Diese dürfen nicht als Begründung für eine falsche P-Düngeempfehlung dienen. Um Brüche in diesen Regionen zu vermeiden, wird die Politik bzw. Gesetzgebung sicherlich zu Kompromissen bereit sein. So räumt die neue Düngeverordnung den tierintensiven Regionen bereits jetzt viele Freiräume ein, die aus Gründen des Bestandsschutzes in der Tierproduktion zwar nachvollziehbar, mit der Erzielung langfristig nachhaltiger Nährstoffhaushalte aber kaum vereinbar sind.


Was erwarten Sie von der Beratung?


Wiesler: Wir erwarten, dass die Bundesländer die Offizialberatung nicht weiter schwächen, sondern wieder stärken. Diese vom Steuerzahler finanzierte Beratung sollte dann aber auch gesamtgesellschaftliche Interessen berücksichtigen. Das heißt: Produktions- und Umweltziele in der Landwirtschaft in Einklang bringen, so wie es auch das neue Düngegesetz verlangt.


Wie geht es weiter? Ab wann werden sich die Länder voraussichtlich entscheiden, ob sie dem VDLUFA-Standpunkt folgen wollen oder nicht?


Wiesler: DIE Länder gibt es ja nicht als einheitlichen Block, sondern es gibt solche, die wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne der Landwirtschaft schnell umsetzen und solche, die dafür offensichtlich etwas länger brauchen. Für die Landwirte hat es sich noch nie ausgezahlt, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nicht umgesetzt werden – dann wird es nur teurer.


Wie könnten Bund und Länder den von der Absenkung der P-Richtwerte betroffenen Landwirten in den Veredlungsregionen helfen?


Taube: Indem man Übergangsregelungen schafft, aber verbindliche Ziele formuliert, die von den Betrieben in Zukunft eingehalten werden müssen. Die landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere junge Hofnachfolger, haben ein Recht darauf zu erfahren, auf was sie sich einstellen müssen.


Kontakt: matthias.broeker@topagrar.com

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