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Kleine Maus, große Plage

Lesezeit: 8 Minuten

Treten Mäuse in Massen auf, sind Ertragsverluste von über 30% möglich. Schaffen ausgeklügelte Warnsysteme und Bekämpfungsstrategien Abhilfe?


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Die Angst vor einer erneuten Feldmausplage ist groß. So stecken die enormen Ertragsausfälle aus dem letzten Jahr noch vielen Landwirten in den Knochen. Betroffen waren nicht nur die Hauptrisikogebiete, sondern auch weite Teile anderer Regionen.


Ob oder wie stark die Nager in diesem Jahr zuschlagen werden, ist nur schwer zu beantworten. Fakt ist aber, dass es oft im Abstand von zwei bis fünf Jahren zu einer Massenvermehrung kommt.


Das große Fressen:

Feldmäuse siedeln sich gern in Getreide, Raps und Dauerkulturen an. Bei hoher Dichte erreichen die Schäden oft beachtliche ökonomische Dimensionen. In Einzelfällen kann es sogar zum Totalausfall von Beständen kommen. Befall tritt häufig in Regionen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf. Jahresabhängig bleiben auch Gebiete in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern nicht verschont.


Ob es zu einer massenhaften Vermehrung kommt, hängt vor allem von der Witterung ab. Trockene und sonnige Abschnitte im Frühjahr, Sommer und Herbst fördern die Mäuse. Kaltes Winterwetter – so die verbreitete Meinung – soll sie hingegen bremsen. Die Beobachtungen des Pflanzenschutzdienstes Sachsen-Anhalt zeigen jedoch Folgendes: Sehr tiefe Temperaturen oder eine über lange Zeit geschlossene Schneedecke allein erhöhen die Sterberate (Mortalität) offenbar nicht. Eine isolierende Schneedecke kann im Gegenteil sogar dazu führen, dass sich die Feldmäuse darunter vermehren. Ist die Witterung dagegen wechselhaft mit starken Temperaturschwankungen und Nässe, erhöht sich die Mortalität. Zusätzlich gibt es aber noch eine Reihe weiterer Faktoren, wie Bodenart, geographische Höhe usw., die Einfluss auf die Vermehrung haben.


Verbessertes Warnsystem:

Um frühzeitig vor einer drohenden Mäusegefahr warnen und neue Bekämpfungsstrategien erarbeiten zu können, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium im Jahr 2013 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Feldmaus-Management eingerichtet (siehe Kasten). Diese erfüllt z.B. folgende Aufgaben:


Gemeinsam mit den Pflanzenschutzdiensten erfolgt ein Monitoring, um die Mäusedichten zu ermitteln. Mithilfe dieser Daten konnte man in 2015 vor der starken Mäusegefahr warnen.


Abhängig von der Befallsstärke prüfen die Experten, ob man Notfallzulassungen für Streueinsätze beantragen sollte.


Neue Lösungen gegen die Mäuseplage sollen erarbeitet werden. So hat z.B. das Julius Kühn-Institut (JKI) ein Prognosesystem für den Befall von ein- und mehrjährigen Kulturen entwickelt.


Die Aktivität und Größe von Feldmauspopulationen ermitteln die Pflanzenschutzdienste in der Regel mit der sogenannten Lochtretmethode. Dazu werden auf Feldern mit mehr- und einjährigen Kulturen mehrmals im Jahr auf 2x250 m2 Fläche pro Schlag alle Mäuselöcher zugetreten. Nach 24 Stunden kontrolliert man, wie viele Löcher die Mäuse wieder geöffnet haben. Die Anzahl zeigt den Feldmausdruck auf dem Einzelschlag an. Aus den Mittel- und Maximalwerten lässt sich auf die regionale Befallslage schließen.


In den Risikogebieten nahm z.B. im Frühjahr 2015 die Zahl wieder geöffneter Löcher deutlich zu und belegten somit die eingetretene Massenvermehrung. Betroffen waren Wintergetreide, -raps, mehrjähriges Feldfutter und Grünland. Auch in den Rückzugsgebieten am Schlagrand (Böschungen, Straßengräben) oder auf Inseln im Feld (Windkraftanlagen) ließ sich eine erhöhte Aktivität der Nager durch diese Methode nachweisen.


Eine Ursache dafür dürfte der Witterungsverlauf gewesen sein. Von Februar bis Juni fiel in Sachsen-Anhalt deutlich weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel. Das letzte Frühjahr zählt in dieser Region zu den trockensten seit Jahrzehnten. Dies begünstigte im Sommer den fast durchgehenden massiven Anstieg des Mäusedrucks.


Die vom Pflanzenschutzdienst Sachsen-Anhalt ermittelten Mäusedichten aus 2006 bis 2015 entnehmen Sie Übersicht 1. Diese belegen einen kontinuierlichen Anstieg der Aktivität seit dem Herbst 2014. Lediglich der kurze Wintereinbruch Ende März führte zu einem kurzzeitigen Rückgang. Die Werte der Pflanzenschutzdienste anderer Bundesländer wie Sachsen und Thüringen ergaben ein ähnliches Bild.


Luftbilder helfen:

Zusätzliche Luftbildaufnahmen zeigen das Ausmaß der Schäden. So belegten die Bilder vom Juni 2015 zusammen mit den stichprobenartigen Kontrollen vor Ort, dass nicht nur in Sachsen-Anhalt mittlere bis sehr hohe Mäuseschäden auftraten. Auch in vielen weiteren Regionen waren die Bestände stark ausgedünnt, sodass man bereits zu diesem Zeitpunkt von bis zu 30% Minderertrag ausging.


Befallen waren auch Sommerungen. Bisher galten sie als wenig gefährdet. Oft wanderten die Mäuse bereits im Juni in die benachbarten Kulturen. Die Schäden an Rüben und Mais belegen, dass selbst eine Schwarzbrache über Winter keinen 100%igen Schutz bietet. Sobald auf Nachbarschlägen ein attraktiveres Nahrungsangebot besteht, ziehen die Mäuse von der Befallsfläche oder aus Rückzugsgebieten in den „neuen“ Schlag ein.


Weitere Hinweise zum Ausmaß von Schäden ergaben Befragungen von betroffenen Landwirten. In Sachsen-Anhalt gaben sie an, dass durchschnittlich 68% der Flächen in 2015 einen mittleren bis starken Befall aufwiesen. Starkbefall meldeten sie auf durchschnittlich 26% der Flächen. Rund 70% schätzten, dass der Feldmausbefall weiter zunimmt.


Zusätzlich wies auch das Prognosemodell des JKI für das Gebiet Sachsen-Anhalt ein hohes Risiko einer massenhaften Mausvermehrung im Herbst 2015 aus. Das Modell berechnet mit Hilfe von Wetter- und Bodendaten sowie Höhenangaben das Vermehrungs-Risiko.


Antrag auf Notfallzulassung:

Die Pflanzenschutzdienste Sachsen-Anhalts und weiterer Bundesländer kamen daraufhin zu dem Schluss, dass die Gefahr für die im Spätsommer und Herbst 2015 bestellten Bestände sehr hoch ist. Gleiches galt für Dauergrünland- und mehrjährige Feldfutterflächen. Bei einem derartigen Druck war es absehbar, dass alternative Maßnahmen oder der Einsatz von Giftweizen oder -linsen mit der Legeflinte nicht ausreichend wirken werden. Deshalb beantragte man befristete Notfallzulassungen für den Rodentizideinsatz im Spätsommer bzw. Herbst 2015. Wie sind die Erfahrungen von der Antragstellung bis zum Einsatz?


Die Federführung bei der Antragstellung übernahm – nach Abstimmung in der BLAG – der Pflanzenschutzdienst Sachsen-Anhalt. Weitere Bundesländer schlossen sich an. Bei den Mitteln bzw. Einsatzgebieten wurde die drohende Einwanderung der Mäuse aus Rückzugsgebieten mit berücksichtigt. Um die Gefahr einzudämmen, waren daher zwei Anträge notwendig:


  • Zur Befallsreduzierung auf dem Schlag beantragte man die Streuanwendung des Mittels Ratron Feldmausköder (Chlorphacinon). Der Einsatz sollte nur auf einem geringen Teil der Starkbefallsflächen erfolgen (ca. 5%). Bereits bei der Antragstellung wurden Auflagen vorgeschlagen, die ein eventuelles Risiko für Nichtzielarten mindern sollten.
  • Um das Risiko einer Einwanderung von außen zu senken, wurde zusätzlich der verdeckte Einsatz von Ratron Giftlinsen (Zinkphosphid) außerhalb des Kulturlandes beantragt. In Sachsen-Anhalt und Thüringen lagen positive Erfahrungen aus Starkbefallsjahren vor.


Das BVL erteilte beide Notfallzulassungen rechtzeitig für eine begrenzte Menge und einen begrenzten Zeitraum (01.09. bis 29.12.2015). Damit verbunden waren aber strenge Auflagen. Für einen Streueinsatz war z.B. eine Einzelfallgenehmigungen erforderlich. Bei jeder Anwendung musste sich der Pflanzenschutzdienst zudem mit der zuständigen Naturschutzbehörde abstimmen. Auch musste man nachweisen, dass auf der beantragten Fläche auch wirklich Starkbefall vorlag (mindestens 20 wiedergeöffnete Löcher/250 m² nach 24 Stunden).


Der Einsatz von Ratron Giftlinsen auf Nicht-Kulturland setzte voraus, dass Mäuse bereits stark in angrenzende Kulturen eingewandert waren. Die Köder mussten verdeckt, tief und unzugänglich für Vögel per Legeflinte in die Nagetiergänge gelegt werden. Jede Anwendung bedurfte – wie beim Streueinsatz auch – einer Einzelfallgenehmigung durch den Pflanzenschutzdienst.


Das Antragsverfahren und die Genehmigungspraxis wichen für beide Zulassungen zwischen den Bundesländern deutlich voneinander ab. Auslöser hierfür waren auch Proteste von Umwelt- und Tierschutzverbänden. Sie forderten eine sofortige Rücknahme der Notfallzulassung, vor allem für den Streueinsatz der Köder.


Starke Proteste:

Die Proteste der Umweltverbände führten bei Naturschutzbehörden zu Unsicherheiten bei der Risikobewertung von Ratron Feldmausködern. Häufig kam es daraufhin zu pauschalen Ablehnungen oder einer verzögerten Abstimmung mit dem Pflanzenschutzdienst. Bei strittigen Fragen wurde eine Genehmigung erst im zweiten Anlauf erteilt und in diesen Fällen oft nur dann, wenn man den Einsatz auf stark befallene Teilflächen beschränkte und weitere Auflagen wie Vergrämungsmaßnahmen erfüllte.


In den Risikogebieten machten die Probleme bei der Genehmigung unter den betroffenen Landwirten schnell die Runde. Viele haben daraufhin von einer Beantragung abgesehen, zumal die Bekämpfung unverzüglich und nicht erst nach Wochen hätte erfolgen müssen.


Fazit: Diese Erfahrungen zeigen, dass der Einsatz von Zinkphosphid-Präparaten mit der Legeflinte in Getreide, Raps und Co. letztendlich doch die einzige Möglichkeit bleibt, einem Starkbefall zu begegnen. Dass dies in vielen Fällen nicht reicht, belegen die Luftbilder. In Thüringen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt waren viele Flächen im Herbst 2015 erneut stark geschädigt. Ein rechtzeitiger Streueinsatz von Chlorphacinon hätte den Schaden mit großer Wahrscheinlichkeit gemindert.

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