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Nematoden: Bald nur noch tolerante Sorten

Lesezeit: 11 Minuten

Zunehmender Rübenanbau und trocken-warme Frühjahre fördern den Nematodenbefall. Neue, tolerante Sorten versprechen Hilfe. Mehr dazu von Dr. Ulrich Lehrke, LWK Niedersachsen, Hannover.


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Rübenanbauer haben den Anbau nematodentoleranter Sorten wegen der Zulassung neuer, leistungsfähiger Sorten in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet. Einzelne Betriebe in den Rübenhochburgen nutzen diese bereits zu 100 %. In einigen Regionen, wie z.B. dem Vorharz und der Hildesheimer Börde, beträgt der Anteil nematodentoleranter Sorten bereits mehr als 50 %. Tendenz weiter steigend.


Durch die Neuzulassungen der nematodentoleranten Sorten Hella (Syngenta) und Kühn (Strube) im Frühjahr 2010 sind mittlerweile alle Züchter im Boot. Das wird dem Anbau dieser Sorten weiteren Aufschwung verleihen. Die Zahl der neu angemeldeten Sorten beim Bundessortenamt steigt ebenfalls stark. Das lässt vermuten, dass nematodentolerante Sorten in wenigen Jahren zum Standard werden – ähnlich wie es rizomaniatolerante Sorten heute bereits sind.


Mit steigender Zahl toleranter Sorten nimmt auch ihre Variabilität zu. Neben Ertragseigenschaft, Qualität und der Blattbildungsvermögen, zeigt sich in neueren Versuchsergebnissen auch eine Differenzierung bei der Nematodentoleranz. Diese sollten Sie bei der Auswahl der Sorten beachten.


Verschärfter Nematoden-Druck für die Rübe


Nematoden gehören in den Rübenanbaugebieten nach wie vor zu den wichtigsten Schaderregern. Den Befall beeinflussen im Wesentlichen die Anbauhäufigkeit und der Standort. Vor allem die Klimaveränderung der letzten Jahre, gekennzeichnet durch steigende Frühjahrstemperaturen und anhaltende Trockenphasen, trägt dazu bei, dass sich Nematoden immer besser vermehren können. Gleichzeitig führt Trockenheit bereits bei geringem Nematodenbesatz zu hohen Ertragsverlusten.


Die Reform des Zuckermarktes hat vor­übergehend dafür gesorgt, dass der Rübenanbau rückläufig war. Mittlerweile nimmt er aber wieder zu und weitet sich sogar durch die Nutzung in Biogasanlagen in bislang rübenfreie Flächen aus. Motor der Anbauausdehnung ist vor allem die gestiegene Nachfrage nach Zuckerrüben. Deshalb honoriert z. B. Nordzucker in 2011 den Anbau von Überrüben bis 115 % der Quote. Industrierüben für die Bio-ethanolnutzung kommen hinzu.


Das leisten neue, tolerante Sorten


Die Rübe steht damit in vielen Betrieben weiter oder wieder in engen dreijährigen Anbaufolgen. Zudem weiten immer mehr Betriebe den Anbau von Raps in Rübenfruchtfolgen aus. Das Problem: Raps ist ebenfalls Wirt für die Rübennematoden. Daher ist zu befürchten, dass ohne effektive Bekämpfungsmaßnahmen der Nematodenbesatz auf vielen Flächen ansteigen wird. Für die Anbauer stellen sich damit u.a. drei wichtige Fragen:


1. Wie weit kann ich den Rübenanbau – auch unter Berücksichtigung anderer wirtschaftlich interessanter Früchte wie Raps und Mais – in meinem Betrieb ausgedehnen?


2. Sollte ich dabei den Anbau nematodentoleranter Sorten ausweiten? Wie unterscheiden sich diese Sorten? Welche Rolle spielen resistente Sorten?


3. Kann ich mit Blick auf Nematodenbefall auf Zwischenfrüchte verzichten?


Seit der Einführung der ersten nematodentoleranten Rübensorte (Pauletta) im Jahr 2005 ist der Anbauumfang dieser Sorten kontinuierlich gestiegen. Im Einzugsgebiet von Nordzucker sind mittlerweile ca. 25 % aller Sorten nematodentolerant. Vor allem seit der Zulassung neuerer, qualitativ deutlich besserer Sorten, wie Theresa 2008 sowie u.a. Adrianna und Belladonna 2009, scheint der Bann für diese Sor­ten gebrochen. Denn parallel zur Steigerung bzw. Senkung der inneren Qualitätsparameter Zuckergehalt und Amino N-Gehalt, stieg auch der Ertrag dieser neu­en Sorten unter Nichtbefall deutlich an.


Damit ist das Anbaurisiko, bei Nichtbefall Ertragsverluste zu erleiden, kaum noch vorhanden. Andererseits steigt jedoch das Risiko, Ertrag durch Nematodenbefall beim Anbau von „Normalsorten“ zu verschenken. Eine ähnliche Entwicklung, allerdings über einen deutlich längeren Zeitraum, gab es bereits bei den rizomaniatoleranten Sorten.


Was leisten die nematodentoleranten und -resistenten Sorten bei geringem und starkem Befall? Aufschluss geben darüber die Ergebnisse des Sortenvergleichs, dem so genannten SV – N (siehe Übersicht 1). Dieser bundesweit durchgeführte Versuch, den das Institut für Zuckerrübenforschung koordiniert, wurde in 2010 erstmals in Standorte mit geringem und hohem Nematodenbefall aufgeteilt.


Auf Standorten mit geringem Befall fällt die anfällige Sorte mit rel. 99 % im bereinigtem Zuckerertrag (BZE) nur geringfügig ab. Die besten nematodentoleranten Sorten Adrianna und Belladonna liegen jedoch selbst bei schwachem Befall um etwa 4 bis 6 % über der Vergleichssorte. Dadurch erzielen sie einen bereinigten Mehrerlös von etwa 100 €/ha. Theresa und Kühn schneiden mit rel. 101 % im BZE dreijährig etwas schwächer ab. Nur geringe Ertragsvorteile erzielen die beiden ertragsbetonten Typen Pauletta und die Neuzulassung Hella. Beide Sorten kommen damit auf Standorten mit geringem Befall nicht für den Anbau in Frage.


Die resistenten Sorten Nemata und Sanetta fallen im Ertrag stark ab. Dieser schwa­che Ertrag der resistenten Sorten zeigt sich – anders als vermutet – auch unter starkem Befall, sogar mit fallender Tendenz. Die anfällige Vergleichssorte erreicht auf den hoch belasteten Stand­orten mit rel. 73 % BZE sehr geringe Erträge. Das ist ein Verlust von ca. 700 €/ha!


Sichere Sortenwahl


Die höchste Ertragsleistung unter starkem Befall bringt Hella, gefolgt von Corvetta, Adrianna und Belladonna. Etwas schwächer zeigt sich wieder die Sorte Kühn. Wie die Sorte Pauletta verbindet sie gute Rübenerträge mit nur geringeren Zuckergehalten. Damit deutet sich an, dass Hella vor allem unter starkem Befall eine Anbauwürdigkeit besitzt. Adrianna und die zuckerreiche Sorte Belladonna lassen sich dagegen sowohl bei starkem als auch bei schwachem Befall anbauen.


In der Qualität ist vor allem Belladonna mit hohem Zuckergehalt und geringem Amino N-Gehalt sehr ansprechend und besonders für die Frührodung geeignet. Adrianna ist eher ein ausgeglichener Normaltyp für die frühe und mittlere Erntephase, mit guter innerer Qualität. Hella, Pauletta und Kühn sollten Sie als ertragsbetonte Sorten nur in der letzten Rodeperiode einplanen. Hella und Pauletta weisen zudem sehr hohe Amino N-Gehalte auf. Ihr Anbau ist daher auf sehr nachlieferungsstarken Standorten nicht zu empfehlen.


Die Blattbildung der Sorten hat in der letzten Zeit zu vielen Diskussionen geführt. Pauletta, als sehr blattstarke Einstiegssorte, hat im Anbau durch eine überragende Unkrautunterdrückung überzeugt. Da mit Nematoden befallene Standorte häufig einen hohen Unkrautdruck u. a. mit Bingelkraut aufweisen, ist eine gute und andauernde Blattabdeckung sehr wichtig. Theresa ist demgegenüber blattarm, so dass auf vielen Standorten Unkrautdurchwuchs auftrat. Die neuen Sorten Hella, Kühn und Belladonna sind wieder blattreicher. Adrianna liegt etwa zwischen den blattreichen Sorten und Theresa.


Resistente Rübe – ein Auslaufmodell


Die resistenten Sorten sind den toleranten Sorten in Sachen Nematodenrreduktion überlegen, denn sie bekämpfen die Nematoden biologisch. Die Minderung des Nematodenbesatzes ist etwa dem Zwischenfruchtanbau mit Ölrettich oder einer Anbaupause mit Getreide gleichzusetzen.


Es gibt daher Stimmen, die den Anbau resistenter Sorten bei sehr starkem Befall für richtig halten, um langfristig eine nachhaltige Nematodenreduktion zu erzielen. Beim Anbau toleranter Sorten kommt es nämlich zu einer geringen Nematodenvermehrung von ca. 20 bis 100 %. Die Vermehrung schwankt jedoch stark je nach Standort, Jahr und Ausgangsverseuchung. Unter anfälligen Sorten kommt es jedoch häufig zu einer Vervierfachung des Nematodenbesatzes.


Resistente Sorten sollten jedoch nur sehr verhalten angebaut werden, da sich in Gewächshäusern bereits resistente Pathotypen ausgebildet haben. Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass der Ertrag der toleranten Sorten selbst bei sehr hohem Befall immer dem der resistenten überlegen ist. Die Bereitschaft, in der Praxis resistente Sorten anzubauen, ist daher sehr gering. Nach Auskunft der Züchter verfolgen sie diese Zuchtrichtung derzeit auch nicht weiter.


Zwischenfrüchte bringen Ertragsvorteile


Wenn Sie auf einem Standort mit höherer Nematodenverseuchung wirtschaften, sollten Sie daher den Anbau von Zwischenfrüchten intensivieren. Versuchsergebnisse der letzten Jahre machen deutlich, dass sich auf Flächen mit langjährigem Rübenanbau durch die kombinierte Nutzung von Zwischenfrüchten und toleranten Rübensorten, ein zusätzlicher Ertragsanstieg realisieren lässt.


Ein Beleg dieses Zwischenfrucht-Effektes, der jedoch eine frühe Aussaat und möglichst den Anbau von Ölrettich voraussetzt, zeigt sich auch in dem langjährigen Systemversuch der LWK Niedersachsen auf dem Versuchsfeld Poppenburg bei Nordstemmen. Der Anbau der Rüben erfolgt in drei Systemen in drei bzw. vierjährigen Fruchtfolgen:


System I ist die Pflug-Variante ohne Zwischenfruchtanbau,


In System II ist der Stoppelweizen durch Gerste ersetzt. Nur zur Gerste wird gepflügt und danach Ölrettich angebaut.


System III ist völlig pfluglos (seit 1998). In der vierjährigen Fruchtfolge steht Rübe mit Weizen und Raps. Es erfolgt kein Zwischenfruchtanbau.


Die Anbausysteme wurden jeweils zur Hälfte mit der toleranten Sorte Hella und der Normalsorte Lukas bestellt.


Im Mittel der Sorten fällt das System I im Vergleich zu den Systemen II (ohne Zwischenfruchtanbau) und III um etwa 20 dt/ha Zuckerertrag deutlich ab. Die Ursache dieses starken Ertragsabfalls ist vorrangig auf Nematodenbefall zurückzuführen. Gleichzeitig zeigten die Rüben in der Mulchsaat eine bessere Wüchsigkeit. Im Sortenvergleich ist Hella in System I und II der Sorte Lukas um 8 bzw. 12 dt/ha sehr deutlich überlegen (siehe Übersicht 2). In der vierjährigen Fruchtfolge mit Raps (System III) sind die Sorten etwa gleich.


Alle Systeme weisen dabei Nematodenbefall auf. Im System I hat sich jedoch über die Jahre ein recht starker Befall von mehr als 1000 Eier und Larven je 100 g Boden aufgebaut. Im System II und III hat sich der Befall in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau unterhalb der Schadensschwelle von 500 Eier und Larven stabilisiert. Raps und Rübe haben selbst in enger vierjähriger Fruchtfolge nicht zu einem Anstieg der Nematodenbelastung geführt. Im Versuch wird jedoch der Ausfallraps konsequent bekämpft. Der Ertragseffekt in System II macht jedoch deutlich, dass sich tolerante Sorten auch bei geringem Befall lohnen können.


Für Ihre Anbauplanung sollten Sie wissen, ob Ihr Standort mit Nematoden belastet ist. Da sich Nematoden bis vor ein paar Jahren nur durch Zwischenfruchtanbau bekämpfen ließen, stand in den Anbauregionen die Entwicklung von Nematoden meist nicht im Focus. Das hat sich seit Einführung toleranter Sorten geändert.


Nematodenbesatz: Stochern Sie nicht im Dunkeln!


In Nordrhein-Westfalen setzen Anbauer und Fabriken für die Nematodenerfassung vor allem die Schwadbeprobung ein. Im Anbaugebiet von Nordzucker hat sich die Flächenbeprobung durchgesetzt. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile. In Hinblick auf eine genaue Aussage über den Befallsumfang sind sie jedoch beide häufig ungenau. Grundsätzlich beantworten beide vor allem die Frage, ob überhaupt ein Befall mit Nematoden vorliegt.


Wie stark Nematoden die Rüben schädigen, hängt neben der Besatzdichte auch sehr stark von den Vermehrungsbedingungen des Jahres ab. Die Schäden können vor allem in warmen, trockenen Jahren, wie z. B. 2003 und 2006, sehr hoch ausfallen.


Nematoden reduzieren die Wurzelentwicklung der Rüben. Daher sind Wasser- und Nährstoffdefizite die Ursache für hohe Ertragsverluste. In Jahren mit guten Wachstumsbedingungen aufgrund früher Aussaat und ausreichender Niederschläge kann es selbst bei höherem Nematodenbesatz nur zu geringen Ertragsverlusten kommen. Daher ist es zu erklären, dass auf Standorten mit nur geringem Nematodenbesatz von 100 bis 300 Eiern und Larven bereits hohe Ertragsverluste auftreten können. Dies ist vor allem auf wasserarmen Sandstandorten und bei trockenen Klimabedingungen zu erwarten.


Deshalb ist die Ertragsentwicklung der neuen nematodentoleranten Sorten unter Nichtbefall sehr erfreulich. Wie die Ergebnisse im Sortenvergleich SSV-R zeigen, sind die Zuckererträge der neu­en toleranten Sorten nahezu gleichauf mit denen der Standardsorten. Nur die neuen ertragstarken Sorten liegen noch wenige Pro­zentpunkte über den toleranten Rübensorten.


Deshalb sollten Sie bereits bei geringem Nematodenbefall tolerante Rübensorten anbauen. Anders als bei den re­sistenten Sorten, ist bei ihnen auch keine Resistenzbildung zu erwarten. Die hö­heren Saatgutkosten von 25 bis 35 €/ha sind dabei eine gut investierte Risikoabsicherung – ähnlich wie eine insektizide Beize.


Bei toleranten Sorten 40 kg N/ha einsparen


Nematoden schädigen bei Befall die Wurzelbildung der Rübenpflanze. In der Praxis ist bekannt, dass auf Befallsstandorten eine höhere N-Düngung erforderlich ist. Gleichzeitig sind Rüben auf Befallsstandorten immer von sehr guter innerer Qualität. Das ist auch ein Indiz dafür, dass sie weniger Stickstoff aufgenommen haben. Tolerante und resistente Sorten sollten daher eine bessere Nährstoff- und Wasseraufnahme besitzen.


Versuche in den letzten Jahren haben diesen Zusammenhang bestätigt. In toleranten Sorten können Sie daher die N-Düngung deutlich zurückfahren, ohne dass Sie Ertragsnachteile befürchten müssen. In den Versuchen über mehrere Jahre bestätigte sich ein möglicher Abschlag von 40 kg N/ha in Bezug auf die Sollwertdüngeempfehlung von 160 kg N/ha abzüglich Nmin.


Gleichzeitig beobachten Praktiker, dass tolerante Sorten unter Wasserstress – auch bei geringem Nematoden-Befall – länger durchhalten. Die Rübenerträge können auch dadurch höher und stabiler werden. Trotz des höheren Saatgutpreises sind tolerante Sorten den Standardsorten daher wirtschaftlich in den meisten Fällen überlegen. Ein Anbau lohnt deshalb bereits bei nur schwachem Befall.

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