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Bleibt Getreide knapp und teuer?

Lesezeit: 10 Minuten

Knappe Vorräte und eine bescheidene Ernte. Das sind die Zutaten für stabile Getreidepreise. Und nicht nur Optimisten glauben, dass das auch so bleibt.


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Die Terminbörsen sind zurzeit extrem wetterwendisch. Schon ein paar Trockentage oder ein kleiner Schauer führen an Matif, CBoT und Co. zu erheblichen Kursausschlägen. Bis zum Sommer wird sich das auch nicht mehr ändern. Das macht die Vermarktung der neuen Ernte nicht leichter. Was nun, fragen sich im Moment viele Getreidebauern. Zu Recht.


Der Markt ist unberechenbar.

Ende letzten Jahres hat fast niemand damit gerechnet, dass die Erzeugerpreise wieder anziehen würden. Denkste:


  • Brotweizen hat sich von Dezember 2011 bis heute (Stand Anfang Juni 2012) im Bundesmittel um rund 40 €/t verteuert. Das hohe Niveau von 2010/11 liegt zwar immer noch in weiter Ferne, aber im Gegensatz zu damals zeigt die Preiskurve jetzt keinen Knick (vgl. Übersicht 1 auf Seite 115). Selbst Partien mit Fallzahlen (Fz) unter 220 wurden von den Mühlen ohne Abzug akzeptiert.
  • Mühlenfähiger Roggen war der Preiskönig des ablaufenden Wirtschaftsjahres. Seit Dezember 2011 sind die Erzeugerpreise zwar „nur“ um 35 €/t gestiegen. Aber dafür kostete Roggen schon direkt nach der Ernte 200 €/t. Deutlich mehr als im Vorjahr.
  • Futterweizen hat in den vergangenen Monaten preislich so zugelegt wie Brotweizen. Während der gesamten Saison brauchte Futterweizen den Preisvergleich mit Mühlenware nicht zu fürchten. Im Gegenteil, meistens gab es für das gesamte Weizensortiment nur einen Kurs, und der wurde in vielen Gebieten vom Futterweizen markiert.
  • Futtergerste hat zuletzt zwar etwas geschwächelt. Da der Markt weitgehend leergefegt ist, handelt es sich bei den jüngsten Notierungen aber eher um „Meinungspreise“. Diese liegen immer noch über denen des Vorjahres. In Veredlungshochburgen erzielt Gerste nach wie vor mindestens Weizenpreise.


Rückwirkend gesehen hat sich die Einlagerung meistens nicht gelohnt. Unter Berücksichtigung der Kosten für Lagerung, Zinsen, Schwund usw. haben einlagernde Landwirte meistens draufgezahlt. Die spannende Frage lautet: Was bedeutet das für das kommende Getreidejahr?


Indifferenter Markt.

Die Antwort ist nicht ganz leicht. Die Marktsignale sind widersprüchlich. So haben sich die globalen Weizenvorräte in den letzten zwölf Monaten spürbar erholt. Handelsnahe Meinungsmacher nutzten das für Baisse-Prognosen. Diese haben sich aber nicht bestätigt. Im Gegenteil: Selbst jetzt, kurz vor der neuen Ernte, tendieren die Preise überwiegend stabil bis fest.


Analysten machen dafür China und Indien verantwortlich, die ihre Getreidevorräte sukzessive aufstocken. Peking bunkert mittlerweile rund ein Viertel der globalen Weizenvorräte, und weitere 10 bis 11 % lagern in Indien. Der Großteil dieser Bestände ist aber gar nicht für den Weltmarkt vorgesehen. Das gilt besonders für die chinesischen. Unterm Strich ist das marktwirksame Sicherheitspolster also wohl erheblich dünner als es auf den ersten Blick erscheint.


Spannend wird es deshalb, wenn wir keine gute Ernte einfahren, und die weltweite Versorgung nur durch den Rückgriff auf Lagerbestände gewährleistet ist. Die Hochrechnungen und Prognosen des Internationalen Getreiderates (IGC), des US-Agrarministeriums (USDA), der EU sowie anderer Stellen sehen im Moment nicht bei allen Getreidearten auskömmliche Erntemengen.


Der IGC erwartet laut seiner jüngsten Prognose in der Saison 2012/13 eine weltweite Getreideproduktion von insgesamt 1,873 Mrd. t (ohne Reis). Das wären 32 Mio. t oder annähernd 2 % mehr als 2011/12. Den voraussichtlichen Verbrauch beziffern die Experten auf 1,871 Mrd. t. Die globalen Vorräte dürften sich demnach Mitte 2013 bei 373 Mio. t einpendeln, was nur ein ganz kleines Plus gegenüber Mitte 2012 wäre.


Von einem Überangebot kann demnach wirklich keine Rede sein. Gegenüber ihren April-Zahlen haben die Londoner Beobachter die voraussichtlichen Endbestände zudem um 10 Mio. t nach unten korrigiert.


Deutlich mehr Mais:

Die positive weltweite Getreidebilanz liegt vor allem am Mais (s. Übers. 2, S. 116). Der IGC hat seine vorherige Ernteschätzung erneut angehoben und kommt jetzt auf eine Rekordmenge von insgesamt 913 Mio. t Mais in der Saison 2012/13 (47 Mio. t mehr als im Vorjahr). Der Bedarf soll dagegen „nur“ um 32 Mio. t auf 902 Mio. t steigen. Das heißt, die Mais-Vorräte können sich erstmals seit Jahren wieder etwas erholen, wenn auch das für Mitte 2013 erwartete Polster von knapp 16 % des Jahresverbrauchs noch keineswegs beruhigend ist. Die FAO und andere Organisationen, die sich mit der Welternährung beschäftigen, peilen normalerweise mindestens 20 bis 25 % als notwendige Reserve an. Das gilt besonders für Getreidearten, die direkt der menschlichen Ernährung dienen.


Den Weizen haben die Beobachter von FAO und Co. deshalb ebenfalls genau im Auge. Und hier zeichnet sich nach den jüngsten IGC-Schätzungen keine neue Rekordernte ab. Gründe dafür sind Anbaueinschränkungen, Auswinterungsschäden sowie fehlende Niederschläge in maßgeblichen Erzeugungsregionen in etlichen Teilen der Welt. Die Weizenernte soll mit ins­gesamt etwa 671 Mio. t denn auch 24 Mio. t unter der von 2011/12 liegen. Der Verbrauch sinkt dagegen nur um ca. 7 Mio. t auf rund 681 Mio. t in der Saison 2012/13. Es bleibt demnach eine Lücke von 10 bis 11 Mio. t.


Das garantiert natürlich noch keine anziehenden Weizenpreise. Aber es engt immerhin den Preisspielraum nach unten ein. Und: 2011/12 hatten wir bei steigenden Vorräten stabile bis feste Notierungen. Warum sollten die Preise also gerade dann abstürzen, wenn die globalen Reserven zurückgehen?


Wie viel erntet Osteuropa?

Wichtig für die künftigen Getreidepreise wird einmal mehr der Konkurrenzdruck aus dem Schwarzmeerraum sein. Kasachstan, die Ukraine und vor allem Russland haben uns während der letzten Jahre in den traditionellen Zuschussgebieten Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens das Leben immer schwerer gemacht. Bleibt es dabei?


Beobachter zweifeln daran. Denn Auswinterungsschäden und die Frühjahrstrockenheit sollen wichtige Getreideregionen Russlands und vor allem der Ukraine stark getroffen haben. Der IGC hat deshalb seine Ernte-Prognosen für die Schwarzmeerstaaten erneut nach unten korrigiert.


Beim Weizen kommen Russland, Kasachstan und die Ukraine demnach nur noch auf 74 Mio. t. Käme es so, wäre das über ein Viertel weniger als im Vorjahr. Das würde sich auch negativ auf die Weizen-Ausfuhren dieser Länder auswirken. Daran ändern auch die vollmundigen Exportankündigungen für die neue Saison aus Moskau und Kiew nichts.


Etwas anders zeigt sich die Situation bei der Gerste. Hier werden Russland und Kasachstan zwar etwas weniger ernten als im Vorjahr. Dafür wird in der Ukraine deutlich mehr Gerste gedroschen, glauben die Experten. Das spricht dafür, dass wir uns z. B. in Saudi Arabien, das mit 7 Mio. t auch 2012/13 der wichtigster Gerstenimporteur bleiben soll, weiterhin auf sehr harte Konkurrenz vom Schwarzen Meer einstellen müssen.


Dies dürfte auch einer der Gründe dafür sein, dass Brüssel für die kommende Saison mit Gerstenausfuhren auf Vorjahresniveau rechnet. Demnach kämen wir ohne Berücksichtigung der Gerstenmalz-Exporte auf magere 2,4 bis 2,5 Mio. t, die wir in Drittstaaten absetzen können. Und das, obwohl der schwache Kurs des Euro gegenüber der Leitwährung am Weltmarkt, dem US-Dollar, EU-Exporteuren eigentlich in die Hände spielen sollte.


Weniger Weizen in der EU.

Im neu-­en Getreidejahr wird die EU-27 rund 14,9 Mio. t Weizen ausführen können, glaubt Brüssel. 2011/12 waren es noch 15,2 Mio. t. Dieses leichte Minus beruht aber ausschließlich auf Rückgängen beim Drittlandgeschäft mit Durum. Beim Weichweizen ist das Steigerungspotenzial deshalb begrenzt, weil die Ernte EU-weit wohl kleiner ausfällt als 2011.


Dafür sprechen mittlerweile nahezu alle Schätzungen, auch die letzte des Hamburger Handelshauses Töpfer International (ACTI). Demnach produzieren die Getreideanbauer in der EU-27 in diesem Jahr etwa 281,5 Mio. t, also knapp über 1 % weniger als 2011, davon …


  • 124,9 Mio. t Weichweizen (- 3,9 %) sowie 8,1 Mio. t Durum (+ 1,6 %),
  • 62,8 Mio. t Mais (- 3,5 %),
  • 56 Mio. t Gerste (+ 8,1 %) – verbreitet wurden ausgewinterte und umbrochene Getreideflächen noch mit Sommergerste bestellt,
  • 9,9 Mio. t Triticale (- 5,9 %),
  • 7,97 Mio. t Roggen (+ 14,6 %) sowie
  • 4,15 Mio. t Hirse und Menggetreide.


In der „alten“ EU-15 zeichnet sich laut ACTI ein moderates Plus von 1,7 Mio. t gegenüber 2011 ab. Dagegen bleiben die 12 zuletzt hinzugekommenen EU-Staaten mit 80,8 Mio. t rund 4,6 Mio. t unter der letzten Ernte. Das könnte im Lauf des neuen Wirtschaftsjahres durchaus für die eine oder andere interessante Verkaufsmöglichkeit innerhalb der Gemeinschaft führen. Polnische Interessenten haben schließlich auch schon in den letzten Jahren deutschen Mühlenweizen gekauft. Und wenn wir im Gegenzug dafür wieder preisgünstigen N-Dünger von dort bekommen könnten, wäre beiden Seiten sogar doppelt geholfen.


Erste Nagelprobe bei Gerste:

In vielen Bundesländern hat es starke Auswinterungsschäden gegeben. Etliche Getreidebestände mussten sogar umgebrochen werden. So rechnet der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) mit 19 % mehr Sommergerstenfläche als im Vorjahr.


Diese Steilvorlage kam den Mälzereien gerade recht. Sie spekulieren auf mehr braufähige Ware. Deshalb sind die „Meinungspreise“ dafür zuletzt regelrecht abgeschmiert. Die „Qualitätsprämien“ sackten auf magere 10 bis 20 €/t für Braugerste ab. Einige Händler boten sogar nur Futtergerstenpreise.


Diese Arroganz könnte sich noch rächen. Es ist keineswegs klar, dass wir in diesem Jahr wirklich mehr braufähige Gerste haben werden als 2011/12. „Etliche Anbauer peilen nämlich bei ihrer Bestandesführung der Sommergerste eher die Verwertung über den Futtertrog an“, sagt ein niedersächsischer Berater. Und das sei in anderen Regionen ähnlich. Eventuell werden sich die Mälzereien also nach der Ernte etwas einfallen lassen müssen, um ihre Rohstoffversorgung zu sichern. Und dass immer mehr Anbauer dieser Frucht den Rücken zukehren, dürfte ohnehin klar sein. „Es sei denn, man garantiert mir Aufschläge von 40 bis 50 €/t gegenüber normaler Gerste“, so ein fränkischer Erzeuger. Aber das bleibe leider wohl weiterhin Wunschdenken.


Bei der Futtergerste geht die Spanne weit auseinander: Ex Ernte 2012 werden 160 bis 190 €/t offeriert, in Veredelungshochburgen auch noch über 200 €/t. Soll man verkaufen? „Vor einigen Wochen hätte man zwar noch mehr festmachen können, und weniger als 170 €/t sollte man auch jetzt eigentlich nicht akzeptieren“, sagt ein westdeutscher Marktexperte. Ab 175 €/t und mehr frei Ersterfasser rät er aber zum Verkauf. Das gelte besonders für Überschussregionen oder frachtferne Standorte. Hier könne es während der Ernte durchaus Druck geben.


An eine langanhaltende Schwäche bei Futtergerste glauben derzeit aber auch Pessimisten nicht. Schließlich bleibt das Angebot überschaubar. Inklusive Sommergerste sollen bei uns in diesem Jahr laut DRV 9,3 Mio. t Gerste geerntet werden. Das wären gut 6 % mehr als im Vorjahr. Der deutsche Verbrauch liegt aber bei rund 10 Mio. t jährlich. Das heißt, wir bleiben das zweite Jahr in Folge Nettoimporteur, und das stützt normalerweise die Preise.


Vieles hängt bei der Gerste auch davon ab, wie die Qualität der Weizenernte 2012 ausfällt. Je mehr Partien den Anforderungen der Mühlen genügen, desto geringer ist der Verkaufsdruck in Richtung Mischfutterindustrie und damit der Druck auf die Preise für anderes Futtergetreide. Wenn der Weizen enttäuscht, werden das die Mischer nach der Ernte vermutlich gnadenlos ausnutzen.


Weizenqualität entscheidet.

Zuletzt wurden überwiegend zwischen 180 und knapp über 200 €/t für neuerntigen B-Weizen frei Ersterfasser genannt. In veredelungsstarken Regionen, wo dieser Weizen ohnehin eher in den Futtertrog wandert, sind bis 210 €/t besprochen worden. Nennenswerte Umsätze kamen aber nicht zustande. Die Landwirte halten den Weizen fest, weil sie schon einen Teil vorab verkauft haben bzw. auf weiter steigende Preise hoffen.


Auch in puncto A- und E-Weizen haben viele Anbauer die Hoffnung trotz der schlechten Erfahrungen der Saison 2011/12 noch nicht aufgegeben. Nur wenige Händler nennen derzeit Preise bzw. Prämien für Spitzenweizen. Und wenn, dann ist es enttäuschend wenig. Im Streckengeschäft soll A-Weizen mit 13,5 % Protein jüngst für 230 €/t gehandelt worden sein. Standardpartien lagen auch nur 10 €/t darunter. 2011/12 gab es monatelang im Prinzip fast nur einen Preis für das gesamte Weizensortiment, und es gibt leider keine Garantie, dass es jetzt erheblich anders wird.


Zurückhaltend beurteilen Beobachter derzeit auch die weiteren Preisaussichten beim Brotroggen. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde der Anbau bei uns deutlich ausgeweitet, und der Roggen ist gut durch den Winter gekommen. Wenn das Wetter mitspielt, wird sich die Versorgungslage der Roggenmühlen verbessern. Diese haben ihre Einkaufskonditionen ex Ernte 2012 denn auch bereits mehr oder weniger deutlich nach unten korrigiert.

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