Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

BGH-Urteil schockt Solarstromerzeuger

Lesezeit: 4 Minuten

Nach dem EEG 2009 galt jedes einzelne Modul als Anlage. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden: Nur alle Module zusammen bilden die Anlage. Das hat fatale Konsequenzen.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Böse Überraschung für die Solarstrom­erzeuger: Möglicherweise müssen einige Betreiber einen Teil ihrer Einspeisevergütung zurückzahlen. Schuld ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH).Betroffen sind vor allem Stromerzeuger, die ihre Anlage im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen haben.


Das Urteil:

Die Richter des BGH haben Anfang Dezember überraschend den sogenannten Anlagenbegriff aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz 2009 rückwirkend neu definiert. Danach gehören aus juristischer Sicht zu einer Anlage alle Module und diese müssen fest mit dem Gestell bzw. Dach verbunden sein. Ob auch die Wechselrichter, die Verkabelung und der Netzanschluss dazu gehören, ließen die Richter offen. Bislang waren sich hingegen Oberlandesgerichte und die Clearingstelle darin einig: Nach dem EEG ist jedes einzelne Modul als Anlage zu betrachten.


Die Folgen:

Aus dieser auf den ersten Blick banalen Wortklauberei der Juristen ergeben sich erhebliche Konsequenzen. Denn für die Höhe der Vergütung ist immer entscheidend, wann eine Anlage bzw. in diesem Fall ein Modul in Betrieb genommen wurde bzw. zum ersten Mal Strom erzeugt hat.


Beispiel: Immer wenn die Regierung die Solarstrom-Vergütung zu Jahresanfang am 1. Januar gekürzt hat, löste das kurz zuvor einen regelrechten Bauboom aus. Viele wollten sich noch schnell die höhere Einspeisevergütung sichern. Dazu mussten die Betreiber ihre Anlage aber vor der Kürzung in Betrieb nehmen. Allerdings waren die Installateure zu dem Zeitpunkt oft ausgebucht oder die Hersteller der Wechselrichter kamen mit der Produktion nicht hinterher. Deshalb haben nicht wenige Investoren die teilweise noch nicht auf den Halterungen verschraubten Module mit einem Kabel an eine Glühbirne angeschlossen und diese für kurze Zeit zum Leuchten gebracht. So konnten sie die Inbetriebnahme der Anlage nachweisen. Erst nachdem bereits die neue, niedrigere Vergütung in Kraft getreten war, installierten sie die Module auf dem Dach und speisten den Strom ins Netz ein – kassierten aber die höheren Tarife. Nach dem neuen Urteil stehen den Betreibern diese aber gar nicht zu, sondern lediglich die niedrigeren. Entscheidend für die Höhe der Vergütung ist laut BGH nämlich nicht die Inbetriebnahme des Modules, sondern die der Anlage – und die existierte erst, als alle Module fest auf dem Dach verschraubt waren und Strom erzeugten.


Die gute Nachricht: Wer defekte Module austauscht, stand bislang vor einem Problem. Nach dem EEG 2009 wurde das Modul als eine einzelne Anlage betrachtet. Folge: Das Ersatzmodul erhielt auch ein neues Inbetriebnahme-Datum und somit auch die zum Zeitpunkt des Tausches gültige Vergütungshöhe. Die fiel jedoch in der Regel geringer aus als die für das alte Modul. Zwar hat die Bundesregierung diesen Missstand für Anlagen, die nach dem 1. Januar 2012 installiert wurden, ausgeräumt. Nun ist aber auch der Austausch von älteren Modulen ohne finanzielle Einbußen möglich. Außerdem können Betreiber, die bereits von einem Tausch betroffen waren, nun Nachforderungen bei ihren Netzbetreibern einreichen. Möglicherweise können Betreiber nun sogar alte Module gegen neue und leistungsfähigere Typen austauschen (Repowering). Bedingung: Es müsste mind. ein altes Modul der Anlage erhalten bleiben. Allerdings ist noch nicht sicher, ob das Repowering tatsächlich erlaubt ist.


Das sagen Experten:

Dr. Christoph Richter von der Rechtsanwaltskanzlei Maslaton aus Leipzig rät: „Das Urteil des Bundesgerichtshofes kann nur das Verfassungsgericht kippen.“ Dazu müssten die Betroffenen allerdings innerhalb eines Monats nach Urteilsverkündung Klage einreichen. Ob das bereits erfolgt ist, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest (14.12.2015). Wenn Betreiber mit Rückforderungen auf der Grundlage des BGH-Urteils konfrontiert werden, sollten sie sich rechtlichen Rat einholen und sehr genau prüfen lassen, ob das Urteil auf ihren Fall überhaupt übertragbar ist und ob ggf. ein Teil der Rückforderung bereits verjährt ist. „Die Verjährung tritt nämlich zwei Jahre nach dem Schluss des Jahres ein, in dem die Einspeisung erfolgt ist. Rückforderungen für das Kalenderjahr 2013 verjähren somit zum 31.12.2015.


top agrar meint:

Ohne nachvollziehbaren Grund hat der BGH eine unumstrittene Regelung über den Haufen geworfen. Ausbaden müssen das nun diejenigen, die sich nach damaligem Rechtsverständnis nichts zu Schulden kommen lassen haben. Man kann nur an den guten Willen der Netzbetreiber appellieren: Ignorieren Sie das Urteil, verzichten Sie auf Rückforderungen.


Für die Politik ist der Richterspruch hingegen ein Warnschuss: Gesetze sollten eindeutig sein. Dort, wo die Politik handwerklich nicht sauber arbeitet, müssen Richter anschließend klären, was der Gesetzgeber gemeint haben könnte – und der Schuss kann gewaltig nach hinten losgehen (Az. VIII ZR 244/14).Diethard Rolink

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.