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Biogas: Runter mit den Stromkosten!

Lesezeit: 6 Minuten

Wenn Biogasanlagen Strom für Pumpen, Rührwerke oder das BHKW aus dem Netz ziehen, wird es teuer. Wir stellen Lösungen gegen den teuren Strombezug vor.


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Helmut Wasmeier kann es nicht fassen: Innerhalb eines Jahres hat sich seine Stromrechnung mehr als verzehnfacht – und das bei konstantem Verbrauch! Der Landwirt aus Postmünster (Niederbayern) betreibt eine Biogasanlage mit 100 Kilowatt (kW) Leistung. Den produzierten Strom speist er in das Mittelspannungsnetz ein. Er ist wie viele der rund 8000 Anlagenbetreiber in Deutschland ein sogenannter Überschusseinspeiser, was bedeutet: Er nutzt einen Teil des produzierten Stroms für Komponenten wie Rührwerke, Pumpen, Gasverdichter oder Kühlung des Blockheizkraftwerks (BHKW) selbst.


Doch die Anlage kann sich nicht das ganze Jahr komplett selbst versorgen. Wird das BHKW zur Wartung abgeschaltet oder fällt es bei einer Störung aus, ziehen die anderen Aggregate den Strom aus dem Netz. In Wasmeiers Fall sind das nur rund 10 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr. Im Jahr 2014 hatte der Landwirt für zwölf Monate insgesamt 116,25 € (brutto) gezahlt: 19 ct/kWh als Arbeitspreis und ein Grundpreis von knapp 100 €.


Preis verzehnfacht:

Im Jahr 2015 änderte sich das dramatisch: „Auf einmal musste ich im Monat 150 bis 200 € bezahlen. Pro Jahr sind das über 2000 €“, rechnet er empört vor.


Was war passiert? Im Jahr 2014 informierte ihn der zuständige Stromversorger E.ON über eine Änderung der Stromnetzzugangsverordnung. Danach müssen Betreiber von Anlagen, die Strom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einspeisen, für den Bezugsstrom einen Liefervertrag mit einem Stromanbieter abschließen. Bis dato hatten Wasmeier und viele andere Kollegen den Strom aus dem Netz der Bayernwerk AG bezogen, die aber als Netzbetreiber keinen Strom liefern darf.


Dazu kommt: Nach dem EEG sind Betreiber von Anlagen ab 100 kW Leistung seit dem Jahr 2012 verpflichtet, eine technische Einrichtung „zur Abrufung der Ist-Einspeisung“ zu installieren. Der Netzbetreiber kann damit die Menge des eingespeisten und des bezogenen Stroms jederzeit feststellen.


Betreiber, die Strom über einen Trafo ins Mittelspannungsnetz einspeisen und auch beziehen, müssen damit zur „Registrierenden Leistungsmessung“ (RLM) wechseln.


Hoher Grundpreis:

Bei der RLM fällt ein deutlich höherer Grundpreis an, der sich vor allem wegen der Messkosten erhöht. Im Fall Wasmeier sahen die einzelnen Netto-Positionen im Jahr 2015 so aus: 109 € Grundpreis, 28 € pro kW und Jahr Leistungspreis sowie 13 ct/kWh Arbeitspreis.


Diesen Tarif berechnet Energieversorger E.ON als „Ersatztarif für Nicht-Haushaltskunden“. Bei einem Verbrauch von 1 kWh und einer Leistungsspitze von 2 kW musste Wasmeier damit in einem Monat 135,33 € zahlen (Übersicht).


„Das Problem haben viele Anlagenbetreiber bundesweit. Sie können sich kaum wirksam dagegen wehren“, erklärt Dr. Helmut Loibl, Fachanwalt aus Regensburg.


Günstigerer Tarif:

Allerdings ist die Grundversorgung in der Regel die teuerste Variante. „Anlagenbetreiber sollten einen Sondernutzungsvertrag ihres Stromanbieters wählen oder den Stromanbieter wechseln“, rät Georg Friedl vom Fachverband Biogas.


E.ON selbst bietet dafür den Tarif „Power Value M-JLP Small“ an mit einem Leistungspreis von 10,13 € pro kW und Jahr, einem Arbeitspreis von 10,59 ct/kWh (in der Hochtarifzeit) bzw. 9,39 ct/kW (in der Nieder-tarifzeit) sowie einem Verrechnungspreis von 150 € pro Monat für Messdatenverarbeitung, Abrechnung, Rechnungsstellung und sonstige Dienstleistungen.


Wasmeier hat sich für den Grünstromlieferanten Clean Energy Sourcing (Clens) entschieden. „Der Preis ist jedoch mit 150 €/Monat kaum gesunken. Denn auch hier zahlen wir neben 49,46 € für den Strom eine Grundgebühr von 100,80 € netto für Netzzugang und Messung“, musste der Landwirt feststellen.


Sein Berufskollege Helmut Schaffelhuber aus Hebertsfelden (Niederbayern) hat sich dagegen für den E.ON-Tarif entschieden. Im Vergleich zum Ersatzlieferungs-Vertrag ist der Leistungspreis zwar deutlich günstiger. Aber trotzdem kann er stark zu Buche schlagen, wie Schaffelhuber im vergangenen Jahr feststellen musste: „Das BHKW war im Herbst etwa eine Stunde lang ausgefallen und ich war gerade nicht auf dem Hof. In der Zeit sind die Rührwerke und Pumpen angelaufen, sodass die Leistungsspitze auf 40 kW gestiegen ist.“ Diese eine Stunde hat ihm in dem Monat zwar nur einen Leistungspreis von 33 € eingebrockt. Aber der Preis wird auf das ganze Jahr hochgerechnet, sodass Schaffelhuber rund 400 € mehr bezahlen musste.


Messkosten verhandeln:

Doch nicht der Leistungspreis ärgert die Landwirte. „Dass wir für Spitzenstrom mehr bezahlen müssen, können wir noch in Kauf nehmen. Aber die hohe Grundgebühr ist mir unerklärlich“, meint Landwirt Andreas Aigner aus Wurmannsquick dazu, der eine Biogasanlage mit 570 kW betreibt. „Wir wissen, dass viele Landwirte über die hohen Grundgebühren von mehr als 100 € erbost sind“, sagt E.ON-Sprecher Michael Krautzberger gegenüber top agrar. Doch fallen laut Krautzberger die Messkosten beim Netzbetreiber an, nicht beim Stromversorger. „Diese Kosten muss sich jeder Netzbetreiber von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen, es ist also ein reguliertes Geschäft“, klärt er auf.


Der Stromversorger muss diese nach dem EEG 2012 als Dienstleister für den Netzbetreiber erheben und durchreichen. Daher sinkt der Preis kaum, wenn der Betreiber einen anderen Tarif oder sogar einen anderen Anbieter wählt. Denn die Messkosten bleiben bestehen.


In Bayern gab es dazu bereits mehrere runde Tische zwischen betroffenen Landwirten, dem Bauernverband, dem Netzbetreiber und E.ON. „Da jedoch niemand von ihnen das EEG ändern kann, liegt der Ball bei der Politik in Berlin“, fasst Krautzberger zusammen.


Bei den Messkosten gibt es noch ein zweites Problem: Landwirt Josef Ammer aus Mengkofen bei Dingolfing (Bayern) muss beispielsweise nicht nur für die Leistungsmessung seiner Biogasanlage im Monat 108,74 € Grundgebühr bezahlen. „Für den gleichen Zähler berechnet der Netzbetreiber Bayernwerk auch noch einmal 40 € pro Monat für die Stromeinspeisung“, ärgert er sich. „Wenn der Netzbetreiber über den gleichen Zähler die eingespeiste und die bezogene Strommenge misst, sollte der Anlagenbetreiber mit dem Stromlieferanten über den Mess- und Ablesungspreis verhandeln“, rät Anwalt Loibl. Wenn sie sich dabei nicht einigen können, rät Loibl, zu einem günstigeren Stromanbieter zu wechseln.


So bietet beispielsweise der Nürnberger Energieversorger N-Ergie, in dessen Einzugsgebiet viele Biogasanlagen liegen, den Umbau der Messanlage auf Standardlastprofil (SLP-Messung) an. Statt der viertelstündlichen, registrierenden Leistungsmessung legt der Stromanbieter einen standardmäßigen Stromverbrauch zugrunde. Das bedeutet eine jährliche Messung und damit reduzierte Kosten. „Der Umbau ist möglich bei Kunden, die weniger als 100000 kWh verbrauchen. Das ist bei der Überschusseinspeisung der Fall“, erklärt Annemarie Endner von N-Ergie. Die Entscheidung, ob eine Messstelle technisch umgebaut werden kann, liegt allerdings beim Netzbetreiber.


Neuen Tarif wählen:

Nach dem Umbau der Messstelle kann der Kunde einen Gewerbekundentarif wählen. „Neben den klassischen Stromversorgern können sich Anlagenbetreiber auch bei Grünstromanbietern oder bei landwirtschaftlichen Dienstleistern wie dem Bauernverband oder den Maschinenringen nach entsprechenden Tarifen erkundigen“, rät Robert Wagner, Biogas-experte beim Beratungsnetzwerk C.A.R.M.E.N. aus Straubing.


Am Ende bleibt festzuhalten, dass Landwirte wie Helmut Wasmeier zwar in den sauren Apfel beißen und die höheren Strombezugskosten in Kauf nehmen müssen. Allerdings können sie an kleinen Schrauben drehen, um die Belastung zu reduzieren.


Hinrich Neumann

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