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EEG-Novelle: Bleibt Biogas auf der Strecke?

Lesezeit: 9 Minuten

Die Bundesregierung plant eine massive Änderung bei der Förderung von Ökostrom. Es gibt heftige Diskussionen vor allem über die Zukunft der Biogasbranche.


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Mit der turnusmäßigen Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2016 will Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel für mehr Wettbewerb bei der Förderung der Erneuerbaren sorgen. Das EEG hat bislang mit staatlich garantierten Einspeisevergütungen die Stromerzeugung aus Windkraft-, Solar- oder Biogasanlagen gefördert. Die Vergütungssätze haben den Anlagenbetreibern und den finanzierenden Banken in der Vergangenheit Planungssicherheit gegeben. Jetzt haben die erneuerbaren Energien aber einen Anteil von 33 % am Strommarkt und sind Deutschlands wichtigste Stromquelle geworden. Daher will die Bundesregierung, dass die Vergütung für die Anlagen ab dem Jahr 2017 mit dem sogenannten Ausschreibungsverfahren in einer Art Versteigerung ermittelt wird.


Ende November legte das zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) den Verbänden erste Eckpunkte zur Novellierung vor. Darin hat das Ministerium die Ziele für das künftige Fördersystem aufgeführt:


  • den Ausbaukorridor für erneuerbare Energien einhalten,
  • die Kosten für das EEG möglichst niedrig halten,
  • allen Akteuren eine faire Chance eröffnen, sowohl regional (Nord-/Süddeutschland) als auch größenmäßig: Auch Bürgerenergiegenossenschaften oder lokale Projektentwickler sollen sich weiterhin beteiligen können.


Künftig legt die Bundesregierung jährlich fest, in welchem Umfang die Erneuerbaren ausgebaut werden sollen. Daraus leitet die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständige Behörde die entsprechende Leistung ab und schreibt die Förderung getrennt nach Technologien aus. Bislang will das BMWi nur Ausschreibungen für Wind- und Solar­energie im neuen EEG regeln. Die Rahmenbedingungen für Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke sollen dagegen in einer Verordnung festgelegt werden.


Bei der Windenergie an Land soll jährlich eine Förderung für eine Anlagenleistung von 2 000 bis 2 900 Megawatt (MW) ausgeschrieben werden, bei der Photovoltaik 500 MW. Geplant sind drei bis vier Ausschreibungsrunden pro Jahr, jeweils für Wind- und Solarenergie. Die Bieter müssen zuvor eine Sicherheit hinterlegen, damit nur ernst gemeinte Gebote eingehen. Anschließend geben sie verdeckt ein Gebot über den Preis ab, den sie für einen festgesetzten Zeitraum (geplant sind zwanzig Jahre) pro Kilowattstunde Strom erhalten wollen.


Angefangen von den günstigsten Anboten werden anschließend so viele Gebote berücksichtigt, bis die insgesamt ausgeschriebene Leistung erreicht ist. Zuschläge erhalten aber nur die günstigsten Angebote. Und jedem Bieter steht nur die Förderung zu, die er selbst geboten hat („Pay-as-bid“-Verfahren).


Die Zuschläge sind auch an das jeweilige Projekt gebunden, können also nicht übertragen werden. Die Anlagenbetreiber müssen die Anlagen dann in einer festgelegten Zeit bauen und Strom liefern, sonst droht eine empfindliche Strafe. Wer bei der Auktion nicht zum Zuge gekommen ist, kann sich zum nächsten Termin mit einem neuen Angebot wieder bewerben.


Es soll Ausschreibungen für neue Wind­energieanlagen an Land und auf See sowie für große Photovoltaikanlagen geben. Generell sollen Wind- oder Solaranlagen unter 1 Megawatt (MW) Leistung von Ausschreibungen ausgenommen werden. Da heutige Windräder deutlich größer sind, dürften also nur die Photovoltaik-Anlagen von der Ausnahme profitieren.


  • Bei der Photovoltaik-Ausschreibung können sich Bieter mit Dach- oder Freiflächenanlagen bewerben. Bei Frei­flächen sind nach jetziger Planung Anlagen auf Konversionsflächen, einem 110 m breiten Seitenstreifen entlang von Autobahnen oder Schienen, auf versiegelten Flächen sowie zehn Anlagen pro Jahr auf Ackerflächen in benachteiligten Gebieten erlaubt.
  • Windparks, die bis Ende 2016 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben und bis Ende 2018 am Netz sind, sollen weiterhin eine feste Vergütung nach dem bisherigen EEG erhalten.
  • Besonderheit bei der Ausschreibung von Wind-Anlagen an Land ist, dass die Anlagen bei Gebotsabgabe bereits eine BImSch-Genehmigung haben müssen. Als Sicherheit sollen die Bieter 30 €/kW hinterlegen (bei einer 2 MW-Anlage wären das also 60 000 €). Der Höchstpreis für die Gebote ist im Jahr 2017 auf 8,9 Cent pro Kilowattstunde festgelegt und soll dann jährlich um 1 % sinken. Die Anlagen müssen nach Zuschlagserteilung innerhalb von zwei Jahren gebaut sein. Sollte es eine Klage gegen den Windpark geben, kann die Frist einmal verlängert werden.
  • Da der Zubau von neuen Biomasseanlagen (Biogas, Holz) zu gering ist, um einen echten Wettbewerb herstellen zu können, will das BMWi eine gemeinsame Ausschreibung für bestehende und neue Biomasseanlagen einführen. Damit hätten auch bestehende Anlagen die Möglichkeit, nach Ablauf ihres ersten Förderzeitraums eine Weiterförderung zu erhalten. Allerdings sollen die Regelungen dazu nicht während der kommenden EEG-Reform im Gesetz festgelegt, sondern erst im Nachhinein durch eine Verordnung festgelegt werden. Die kann das BMWi erlassen. Ziel der Weiterförderung von bestehenden Anlagen soll es sein, dass nur die kostengünstigsten und effizientesten Anlagen weiter betrieben werden.


Das Ausschreibungssystem ist sehr umstritten. Denn es birgt viele Risiken für die Betreiber. Sie müssen unter anderem in Planungskosten investieren, ohne zu wissen, ob sie eine Förderung erhalten. Auch haben andere Länder in Europa schlechte Erfahrungen mit dem Ausschreibungsmodell gemacht, der Anlagenzubau war gering, die Kosten ließen sich damit auch nicht senken. Auch wird befürchtet, dass vor allem finanzstarke Investoren zum Zuge kommen. Das zeigen auch die bisherigen Erfahrungen des seit April 2014 laufenden Pilotverfahrens zur Ausschreibung von Freiflächen-Solaranlagen in Deutschland.


Aus diesen Gründen sehen viele Verbände aus dem Sektor der erneuerbaren Energien Ausschreibungen kritisch. Allerdings versuchen sie, an den gesetzlichen Regelungen mitzuwirken, damit z. B. Bürgerenergieprojekte trotz des Systemwechsels weiterhin möglich sind.


Der Bundesverband Windenergie (BWE) bezeichnet das Eckpunktepapier als „Hoffnungsschimmer“, weil das BMWi einige zentrale Forderungen der Branche aufgenommen habe, z. B. die Voraussetzung zur Teilnahme an Ausschreibungen oder die Höhe der zu hinterlegenden Sicherheit in Höhe von maximal 30 €/kW. Diese ist nötig, um überhaupt an der Ausschreibung teilnehmen zu dürfen (siehe Punkt 2). Korrekturbedarf sieht der BWE dagegen beim Ausschreibungsvolumen, das zu niedrig sei, um künftig die Energiewende für die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr voranzubringen. Der BWE fordert statt 2 000 bis 2 900 MW ein Volumen von 4 400 MW jährlich. Außerdem müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den günstigen Windstrom auch zum Heizen bzw. für Elektroautos nutzen zu können. Auch habe die Festlegung des Höchstpreises, der jedes Jahr abgesenkt wird, nichts mit dem vielbeschworenen „Wettbewerb“ zu tun.


Der Fachverband Biogas sieht Ausschreibungen ebenfalls kritisch. Da aber auch das EEG 2014 die Biogasbranche nicht voran bringt, hofft der Fachverband, dass bestehende und neue Anlagen im Zuge der EEG-Novellierung eine Perspektive bekommen – notfalls auch mit dem Ausschreibungssystem.


Die jetzt vorgeschlagene Idee, die Regelungen für Biomasse erst im Nachgang zur EEG-Reform per Verordnung festzulegen, reicht dem Fachverband nicht. Denn wie lang sich das BMWi mit einer Verordnung Zeit lassen würde und wie ein Ausschreibungsverfahren dann aussähe, bliebe unsicher. Insbesondere die Betreiber bestehender Anlagen müssten möglichst bald wissen, ob sie mit einer Weiterförderung nach 20 Jahren rechnen können.


Schon demnächst stünden für viele von ihnen große und langfristige Investitionen an, um z. B. die Vorgaben nach der neuen Dünge-Verordnung umzusetzen. Hierfür müssen viele Betreiber neuen Lagerraum für Gärreste schaffen. Ohne Planungssicherheit könnten sich viele Landwirte entscheiden, die Anlagen schon vor Ablauf der 20-jährigen Vergütungszeit stillzulegen, wenn hohe Investitionen drohen.


Der Fachverband hat mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) und dem Bundesverband Bioenergie (BBE) Vorschläge erarbeitet, wie ein Ausschreibungsverfahren aussehen könnte:


  • An einer Ausschreibung können sich neue und bestehende Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke beteiligen, die im Wettbewerb zueinander stehen.
  • Die Anlagen müssen als Sicherheit vor dem Gebot maximal 5 €/kW hinterlegen, nach dem Gebotszuschlag dann 25 €/kW. Das soll sicherstellen, dass die Anlagen auch gebaut werden bzw. ihre neu ersteigerte Förderung tatsächlich in Anspruch nehmen.
  • Außerdem soll die Umrüstung auf eine flexible, am Strombedarf orientierte Stromerzeugung für Biogasanlagen verpflichtend sein. Um die dadurch entstehenden Mehrkosten für größere Gasspeicher und zusätzliche Blockheizkraftwerke auszugleichen, gibt es einen „Flexzuschlag“ von 40 €/kW installierter Leistung.
  • Damit künftig nicht nur Großanlagen einen Zuschlag erhalten, streben die Verbände auch eine Größenstaffelung für die Vergütung an. Der Wettbewerbsnachteil von z. B. kleinen, bäuerlichen Biogasanlagen gegenüber großen Holzheizkraftwerken soll so aufgehoben werden.
  • Allerdings sieht das Konzept auch eine Reihe von Ausnahmeregelungen vor, insbesondere, um Kleinstanlagen schützen und die Vergärung von Rest- und Abfallstoffen sowie ökologisch besonders wertvollen Einsatzstoffen zu schützen. So sollen zum Beispiel Güllekleinanlagen mit einer Leistung von bis zu 75 kW generell von dem Ausschreibungsverfahren ausgenommen werden und weiterhin ihre feste Einspeisevergütung des EEG 2014 erhalten.
  • Auch Anlagen, die 80 % ökologisch besonders wertvolle Stoffe wie z. B. Gülle, Mist, besondere Energiepflanzen oder Landschaftspflegematerial einsetzen, sollen eine Sonderregelung bekommen, sodass sie sich nicht um eine Förderung bewerben müssen.


Nicht alle Vertreter der Biogasbranche glauben, dass die Ausschreibung politisch unumstößlich ist. Drei Bioenergievereine aus Süddeutschland mit zusammen 600 Anlagenbetreibern lehnen das geplante Ausschreibungsverfahren ab. Dieser Arbeitskreis „Biogas Südwest“ will Folgendes erreichen: Biogas soll die Stromversorgung im Winter in Zeiten einer „Dunkel­flaute“ (also ohne Wind- oder Solarstrom) sichern. Solange Langzeitspeicher und Power-to-Gas noch nicht marktreif sind, sind dafür viele konventionelle Kraftwerke nötig, um die sichere Versorgung auch im Winter aufrecht zu erhalten. Wenn die gespeicherte Biomasse schwerpunktmäßig im Winter für die Gaserzeugung eingesetzt wird, ließe sich die Biogas-Kraftwerksleistung von heute 3,0 GW auf 4,5 GW steigern.


In dieser Größenordnung könnten dann Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Zudem seien mit der Verlagerung der Biogasverstromung in die Winterzeit mehr Wärmeerlöse möglich. Mit dieser saisonalen Verschiebung könne der vermeintlich teure Strom aus Biogas wertvolle Dienste für den Fortgang der Energiewende im Strom- und Wärmesektor leisten, argumentiert der AK.


Diese Vorschläge stünden im Einklang mit der EU-Beihilfeleit­linie, die im Unterkapitel 3.3.2.3. einen Rechtsrahmen definiert hat, wie bereits bestehende Anlagen nach Ablauf der ersten zwanzig Förderjahre unter dem EEG weitere zehn Jahre gefördert werden können. Der AK Biogas Südwest will sich in der Schlussdiskussion um das EEG 2016 auf die energiewirtschaftlichen Ziele konzentrieren, die mit Biogas erreicht werden können.


Um die Anlagenbetreiber über den Inhalt der EU-Beihilfeleitlinie aufzuklären und um sie für die Unterstützung der politischen Gespräche zu mobilisieren, hat der AK eine Petition an die Bundesregierung und den Bundes­-tag unter www.wirtschaft-umwelt.de/initiativen.html veröffentlicht.


Viel Zeit für die politische Diskussion bleibt den Verbänden nicht. Im Januar 2016 soll es bereits einen Referentenentwurf geben, im Sommer 2016 soll das Gesetz dann spätestens beschlossen sein. Das neue System soll dann für das Jahr 2017 gelten. Hinrich Neumann

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