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Holzgastechnik ist serienreif!

Lesezeit: 7 Minuten

Die gleichzeitige Strom- und Wärmeerzeugung aus Holz kommt wieder in Fahrt. Über 300 Anlagen sind in den letzten zwei Jahren neu in Betrieb gegangen. Wir geben einen aktuellen Überblick über Markt und Technik.


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Fast 2 000 m2 Wohn- und Stallfläche mit Holz heizen und, statt für die Wärme zu bezahlen, 700 € im Monat dazuverdienen? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Keine Utopie ist das seit zweieinhalb Jahren für Landwirt Johann Geltinger aus Geisenhausen im Landkreis Landshut (Bayern).


Der Sauenhalter besitzt seit Ende 2010 eine Holzgas-Anlage. Sie erzeugt aus Hackschnitzeln ein brennbares Gas. Dieses Holzgas verbrennt Gel­tinger in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 70 Kilowatt (kW) thermischer und 30 kW elektrischer Leistung. Mit der Abwärme aus dem BHKW beheizt er den Stall für 300 Sauen und 7 000 Ferkel sowie zwei Wohnhäuser mit zusammen über 1 200 m2 beheizter Fläche. „Nach dem Bau des zweiten Wohnhauses wurde meine Hackschnitzelheizung mit 110 kW einfach zu klein. Bei meinem Heizungsbauer habe ich eine Holzgasanlage in Aktion gesehen und mich für diese Technik entschieden“, blickt er zurück.


Eine Holzgas-Anlage benötigt zwar auch Hackschnitzel als Brennstoff. Aber sie erzeugt zusätzlich Strom, der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit ca. 20 Cent je Kilowattstunde (kWh) vergütet wird. Nach Abzug der Kosten für die zugekauften 900 m3 Hackschnitzel, Zinsen und Tilgung für die Anlage bleiben ihm im Monat immer noch ca. 700 € als Überschuss. Die Wärme hat er dafür kostenlos, die nach seiner Schätzung zu heutigen Öl- oder Gaspreisen noch einmal rund 700 € monatlich wert wäre.


Zweite Generation am Start:

Wie Geltinger interessieren sich auch andere Landwirte für die Holzvergasung. Die Technik ist zwar nicht neu (siehe Kasten), hatte aber in der Vergangenheit extreme Startschwierigkeiten. Schon vor rund zehn Jahren gab es einen regelrechten Boom und viele Hersteller, die die Technik als serienreif auf den Markt bringen wollten. „Damals sind allerdings auch einige Glücksritter eingestiegen, die schnelles Geld verdienen wollten, heute aber wieder vom Markt verschwunden sind“, weiß Gero Ferges von der AHT Pyrogas aus Bergisch Gladbach.


In der Tat hat es nicht nur bei Firmen Insolvenzen gegeben, auch Landwirte standen nach Fehlinvestitionen vor dem wirtschaftlichen Aus. Denn viele Konzepte waren nicht ausgereift. Darum ist es seit dem Jahr 2006 sehr ruhig geworden um die Holzvergasung.


Wärmebedarf ist entscheidend.

Doch mit neuen Konzepten und weniger Kinderkrankheiten ist jetzt die zweite Generation der Holzvergaser am Start. Heute sind in Deutschland schätzungsweise 400 Holzvergaser am Netz.


Als Käufer kommen Landwirte infrage, die in Wohnhaus und Stall einen hohen Wärmebedarf haben, wie z. B.:


  • Ferkelerzeuger,
  • Milchviehhalter (mit Wärmebedarf für Reinigung),
  • Betreiber von Gewächshäusern,
  • Betriebe mit Trocknungsanlagen.


Die Anlagen können aber auch errichtet werden, um die Wärme über Contracting zu verkaufen, z. B. an Hotels, Gaststätten oder Nahwärmenetze (siehe Reportage auf Seite 30). Das ist vor allem für Betriebe interessant, die eigenes Waldrestholz vermarkten wollen. Denn als Rohstoff verwenden die Landwirte überwiegend Hackschnitzel, aber es kommen auch Stroh-, Miscanthus- oder Holzpellets zum Einsatz. Holzpellets haben den Vorteil, dass sie ein definierter Brennstoff, einfach zu transportieren und zu lagern – dafür aber auch teurer als Hackschnitzel sind.


Die Betreiber einer Holzgasanlage wünschen vor allem günstige Wärme. Daher werden die Anlagen meistens „wärmegeführt“ betrieben, also immer nur dann, wenn Wärme benötigt wird. Der Strom fällt eher nebenbei an. Darum laufen die Anlagen selten rund um die Uhr, sondern im Schnitt ca. 6 000 Stunden.


Mit einer Anlage von 30 kW kann man z. B. 20 000 bis 30 000 Liter Heizöl ersetzen und gleichzeitig je nach Laufzeit des BHKW (6 000 bis 8 000 Stunden) zwischen 180 000 und 240 000 Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugen. Bei einer Einspeisevergütung von rund 20 Cent/kWh nach dem EEG 2012 (14 Cent Grundvergütung + 6 Cent für Material aus Einsatzstoffvergütungsklasse I) liegen die Stromeinnahmen also zwischen 36 000 und 48 000 € im Jahr. Eine Anlage mit 30 kW verbraucht im Jahr rund 180 t Hackschnitzel. Bei 100 €/t, die laut Preisbarometer des bayerischen Netzwerks CARMEN bezahlt werden, liegen die Brennstoffkosten jährlich bei 18 000 €. Dazu kommen Ausgaben für Zins und Tilgung. Für eine Holzgasanlage muss man derzeit mit rund 4 500 €/kW elektrischer Leistung kalkulieren. Eine Anlage mit 30 kW kostet derzeit ab 132 000 €.


Kohle als drittes Standbein.

Aber es gibt neben Strom und Wärme noch ein drittes Produkt aus Holzgasanlagen. „Wir setzen die bei der Vergasung anfallende Holzkohle zum Humusaufbau bzw. zur Bodenverbesserung ein“, erklärt Hans Soehl von Soehlmetall aus Obertaufkirchen (Bayern). Bis zu 25 % des eingesetzten Holzes fällt in der Anlage von Soehlmetall nach der Vergasung in Form von Holzkohle an.


Kohle ist extrem porenreich und hat damit eine hohe Aufnahmekapazität für Wasser und Nährstoffe. Bis sie aber als Bodenhilfsstoff eingesetzt werden darf, muss die Holzkohle jedoch so hergestellt werden, dass die Grenzwerte für Schadstoffe unterschritten werden. Besonders kritisch werden dabei die polyzyklischen, aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) angesehen, die in dem Reststoff aus Holzvergasungsanlagen anzutreffen sind. Soehlmetall kann nach eigenen Angaben die PAK-Grenz­werte bei der Kohleherstellung unterschreiten. Auch andere Hersteller arbeiten daran, die Vergasung hinsichtlich der PAK-Grenzwerte zu optimieren.


Große Bandbreite am Markt:

Die wichtigsten Komponenten einer Holzgasanlage sind ein Rohstoffbunker mit Zuführeinrichtung, der Vergaser und ein Blockheizkraftwerk (BHKW). Trotz des einfachen Aufbaus unterscheiden sich die verfügbaren Anlagen in vielerlei Hinsicht. Da ist zunächst die Leistung zu nennen: Die kleinsten beginnen bei 30 kW elek­trisch, die größten erreichen 800 kW und mehr. Kleine Anlagen haben den Vorteil, dass die Vergasung einfacher ist. Beispiel Spanner Re2 aus Neufahrn (Bayern): Der Hersteller setzt bewusst auf kleine Anlagen mit 30 und 45 kW elektrischer Leistung. Spanner hat dazu den von Landwirt Bernd Joos aus Bodnegg (Allgäu) entwickelten Holzvergaser (siehe top agrar 6/2004) zur Serienreife gebracht. Mit rund 200 in­stallierten Anlagen ist dieses die heute am häufigsten eingesetzte Technik.


Für diese Größe spricht, dass sich nahezu 100 % der erzeugten Wärme verwerten lässt. Bei 30 kW elektrischer Leistung liefern BHKW und Holzvergaser zusammen 80 kW thermisch. Ein weiteres Plus sind die geringen Abmessungen. Holzgasanlage und BHKW benötigen nur eine Stellfläche von 5 x 6 m. Damit lässt sich die Anlage auch in einem Altgebäude unterbringen.


Ein Nachteil der kleineren Anlagen ist der geringere elektrische Wirkungsgrad des BHKW. Er liegt bei den von Spanner eingesetzten BHKW bei 23 %. Der Hersteller nutzt einen GM-Industriemotor mit 5,7 Liter Hubraum. „Das ist kein Wirkungsgradkünstler, aber ein sehr robuster Motor. Einige der Anlagen haben selbst nach 25 000 Stunden Laufzeit noch den ersten Motor in Betrieb“, hat Geschäftsführer Thomas Bleul festgestellt. Wer dagegen mehrere Vergaser zusammenschaltet und ein größeres BHKW in der Größenordnung von 100 kW einsetzt, kann den elektrischen Wirkungsgrad auf 28 % erhöhen.


Mehr-Zonen-Verfahren:

Andere Hersteller setzen dagegen gleich auf größere Vergasungsanlagen und können BHKW mit höherem Wirkungsgrad nutzen. Ein Beispiel dafür ist die Firma Schnell, die in Kooperation mit der AHT Pyrogas eine Biomasse-Vergasungsanlage auf den Markt bringt. Sie ist in den Größen 200, 400 und 800 kW (elektrisch) erhältlich. Hier erreicht schon die kleine Anlage einen elektrischen Wirkungsgrad von 29 %, bei 800 kW liegt dieser bei 31 %. Das BHKW hat einen Zündstrahl-Motor, der pro Stunde etwa 2,5 Liter Biodiesel oder Pflanzenöl als Stützfeuerung benötigt.


Bei größeren Vergasungsanlagen ist die Erzeugung eines teerfreien Gases dagegen nicht so einfach. Denn in größeren Vergasungseinheiten (Reformern) kann sich der Brennstoff entmischen und Brücken bilden. Damit ist nicht immer gewährleistet, dass die Hitze im Glutbett zum Aufschluss der Teerverbindungen ausreicht. AHT setzt aus diesem Grunde das sogenannte Zwei-Zonen-Verfahren ein, eine Kombination aus Gleich- und Gegenstromvergasung.


Andere Hersteller teilen die Vergasung in mehrere Stufen auf, wie z. B. die Firma Cleanstgas aus Österreich, einem Zusammenschluss des Heizkesselherstellers KWB und des Industrieofenbauers Ebner. Die Holzgasanlage leistet 350 kW elektrisch und 430 kW thermisch. Die Prozessstufen Pyrolyse, Oxidation und Reduktion finden bei dieser Anlage getrennt statt.


In der Marktübersicht auf Seite 33 finden Sie Hersteller von Holzgasan­lagen.Hinrich Neumann

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