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Muss es immer ein Vollwartungsvertrag sein?

Lesezeit: 8 Minuten

Windmüller setzen oft auf Rundum-sorglos-Pakete. Das ist aber teuer. Welche Alternativen es gibt und für wen diese infrage kommen, haben wir Experten gefragt.


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Bis zu 80000 € pro Jahr – so viel kosten Vollwartungsverträge für typische Windkraftanlagen mit drei Megawatt Leistung. Viel Geld, das vor allem bei Neueinsteigern zwei Fragen aufwirft: Darf nur der Hersteller die Windmühle warten oder kann man die Aufträge auch an herstellerunabhängige Servicedienstleister abgeben? Und muss es immer der Top-Vertrag sein oder reichen auch einfache Wartungsverträge aus, bei denen man den Umfang der Wartung selber bestimmt?


Ehe auf Zeit:

Zumindest die erste Frage lässt sich relativ einfach beantworten. Theoretisch sind Sie nicht an den Hersteller gebunden. Sie können alle Arbeiten – angefangen bei der Wartung bis zur Reparatur – an ein unabhängiges Unternehmen vergeben. „Praktisch ist das aber kaum möglich“, sagt Rechtsanwalt Philipp Wernsmann aus Ibbenbüren. Denn wenn Sie innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von zwei Jahren die Routinearbeiten von einem Drittanbieter erledigen lassen, übernimmt der Hersteller bei einem Schaden möglicherweise nicht die Gewährleistung und die Kosten. „Stattdessen könnte der Anlagenbauer versuchen, die Schuld auf den unabhängigen Serviceanbieter zu schieben“, erklärt Wernsmann das Problem. Möglicherweise müssen Sie dann auf eigene Rechnung den Schaden begleichen.


Nach Ablauf der Gewährleistung ist ein Wechsel hingegen weniger kritisch und kann durchaus sinnvoll sein. Denn die unabhängigen Dienstleister sind oft günstiger und genießen bei Praktikern einen besseren Ruf als die Hersteller. Lesen Sie dazu auch den Kasten rechts.


Rundum sorglos:

Schwieriger wird es hingegen bei der Frage, ob es immer ein Vollwartungsvertrag sein muss oder ob auch ein einfacher Vertrag ausreicht. Streng genommen gibt es einen Vollwartungsvertrag eigentlich nicht. Zwar hat sich der Begriff in der Praxis durchgesetzt, im Prinzip sind damit aber Instandhaltungsverträge gemeint. „Einen solchen Vertrag sollten Sie aber – gut verhandelt – mit einem Rundum-sorglos-Paket vergleichen können“, erklärt Martina Beese, Rechtsanwältin der Kanzlei Engemann und Partner in Lippstadt (NRW). Alle Arbeiten, die im Zusammenhang mit Abnutzung und Verschleiß anfallen, übernimmt dann der Hersteller – angefangen bei der Überwachung der Anlagen, dem Austausch oder der Reparatur von Bauteilen bis hin zu den technischen und arbeitsschutzrechtlichen Prüfungen. Ziel: Die Anlage soll möglichst rund um die Uhr Strom erzeugen können. In den Paketen ist deshalb oft auch eine leistungsbasierte Verfügbarkeitsgarantie enthalten. Üblich ist ein Wert von mindestens 97%. Die Windmühle muss in diesem Fall an rund 8500 Stunden bzw. 354 Tagen im Jahr betriebsbereit sein bzw. darf an maximal elf Tagen wegen eines Schadens ausfallen.


Diese Sicherheiten haben Sie bei einfachen Wartungsverträgen nicht. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Wartung der Anlage, wie sie der Hersteller in dem Wartungspflichtenheft der Windmühle vorschreibt. Eine Instandsetzung nach einem Schaden ist in den Paketen hingegen meistens nicht enthalten. Bei Bedarf können Sie diese Arbeiten aber hinzubuchen oder an eine Fremdfirma vergeben. Anders als bei einem Vollwartungsvertrag tragen Sie somit einen Teil des Risikos selbst bzw. müssen dieses mit Versicherungen abdecken. Außerdem ist der organisatorische Aufwand höher, weil Sie die anstehenden Arbeiten selber organisieren müssen.


Vor- und Nachteile:

Karl Heinz Zurhold und Alfons Efker aus dem Landkreis Steinfurt (NRW) haben bereits mit beiden Konzepten ihre Erfahrungen gesammelt. Im Jahr 2001 hat Zurhold in eine Anlage mit 1,5 Megawatt investiert und unter anderem mit Efker sowie weiteren Gesellschaftern einen Windpark mit 13 Anlagen (je 1,8 Megawatt) gebaut. Für einen Vollwartungsvertrag sprechen aus ihrer Sicht folgende Argumente:


  • Haben Sie eine Verfügbarkeit für die Anlage vereinbart, hat der Hersteller ein eigenes Interesse daran, Defekte oder Schäden möglichst gering zu halten. Andernfalls kann er sein Versprechen im Vertrag nicht einhalten und muss für die Ausfälle geradestehen.
  • Die Hersteller reagieren bei einem Vollwartungsvertrag zügiger auf Ausfälle als bei herkömmlichen Wartungsmodellen. „Selbst an Weihnachten wurden bereits an unserer Anlage ein defekter Wechselrichter ausgetauscht, um die zugesicherte Verfügbarkeitsgarantie einzuhalten“, berichtet Efker.
  • Bei einem Vollwartungsvertrag wechseln die Hersteller öfter auch nur leicht verschlissene Anlagenteile aus, bevor ein größerer Schaden und damit entschädigungspflichtiger Ausfall der Anlage entstehen kann. Dadurch lassen sich die Ausfallzeiten deutlich reduzieren. Außerdem achten die Hersteller beim Bau der Anlagen bereits auf Qualität, wenn gleichzeitig auch ein jahrelanger Vollwartungsvertrag abgeschlossen wird.
  • Wer auf einfache Wartungsverträge setzt und einen Teil des Risikos selber übernimmt, muss Rücklagen für Ausfälle und Schäden bilden. In welcher Höhe und wann Sie die Reserven benötigen, wissen Sie hingegen nicht. Zwar haben Sie eine Gewährleistung von zwei Jahren. Doch danach müssen Sie selbst für die Schäden aufkommen. Wann beispielsweise das Getriebe streikt, lässt sich nicht kalkulieren und ein Defekt an dem empfindlichen Bauteil kann Hunderttausende Euro kosten. Das Geld müssen Sie somit theoretisch nach wenigen Jahren Laufzeit der Anlage bereits angespart haben. Zudem benötigen Sie Ersatzteile auf Vorrat, damit bei einem Schaden, die Anlage nicht zu lange still steht. „Anders ausgedrückt: Wenn Sie einen Vollwartungsvertrag wählen, geben Sie dieses Risiko ab“ so Zurhold.


Sie können einige der Risiko-Lücken bei einem einfachen Wartungsvertrag natürlich zusätzlich mit Versicherungen absichern. Zum Beispiel durch eine Maschinenbruchversicherung mit Betriebsunterbrechungs-Versicherung. Diese deckt die Einkommensausfälle ab, die durch eine Reparatur oder einen Schaden eines versicherten Umstandes entstehen.


„Allerdings bieten die Policen keine hundertprozentige Sicherheit oder einen vergleichbaren Umfang zur Instandhaltung. „Sie sollen schließlich nicht den Umfang eines Instandhaltungskonzeptes abdecken, sondern als Allgefahrenversicherung nur vor unvorhergesehenen Schäden schützen und den Zeitwert ersetzen“, so Beese. Es kann schließlich zum Streit mit der Versicherung kommen – in der Praxis keine Seltenheit. Wenn der Versicherer dann nicht zahlt, und Sie auf keine Rücklagen zugreifen konnten, müssen Sie möglicherweise für die Reparatur einen zusätzlichen Kredit aufnehmen.


  • In den einfachen Wartungsverträgen klammern die Hersteller oder unabhängige Serviceanbieter oft bestimmte Leistungen aus. Dazu zählen z.B.: Wartung der Trafostation, Prüfung der Seilwinden, des Fahrstuhles in den Anlagen oder der Feuerlöscher. Erfahrungsgemäß können solche Leistungen noch in die Verträge mit aufgenommen werden. Aber oft ist es günstiger, wenn die Leistungen an Spezialfirmen vergeben werden. Fragen Sie am besten bei den entsprechenden Herstellern der Bauteile nach, ob diese die Wartung übernehmen oder wen sie dafür empfehlen.


Vollwartung ist teuer.

Andererseits kostet ein Vollwartungsvertrag etwa 1,0 bis 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Das sind bei einer 3-Megawatt-Anlage bei einer Laufzeit von 1800 Vollaststunden bis zu rund 80000 € pro Jahr und Windrad. Einfache Wartungsverträge sind hingegen um bis zu 70% günstiger.


Zudem gibt es in der Praxis immer wieder Streit darüber, was unter Verfügbarkeit zu verstehen ist, wenn diese nicht eindeutig im Vertrag definiert wird. Einige Hersteller verstehen beispielsweise unter Verfügbarkeit auch die Zeit, in der Bauteile getauscht werden. Ohnehin ist eine Verfügbarkeitsgarantie nicht immer ein Garant dafür, dass Sie auch hohe Erträge einfahren. Denn was nutzt es Ihnen, wenn Ihre Anlage zwar die jährliche Leistungsgarantie einhält, aber genau in den Starkwindzeiten ausfällt?


Eine Verfügbarkeitsgarantie bedeutet zudem viel Arbeit für Sie, weil Sie die Leistungsgarantie kontrollieren und nachrechnen müssen. Zudem erstrecken sich auch Vollwartungsverträge oft nicht auf das Umspannwerk, den Trafo und die Übergabestation. Die Wartung dieser Bauteile müssen Sie daher ohnehin an Fachfirmen vergeben.


Experten empfehlen: Neueinsteiger sollten auf einen Vollwartungsvertrag setzen, um vor allem in den ersten Jahren das Risiko so weit wie möglich zu minimieren. Einige Banken knüpfen im Übrigen deshalb ihre Kreditzusagen sogar an den Abschluss eines Vollwartungsvertrages.


Ausstieg nach Jahren:

Oft haben die Rundum-sorglos-Pakete eine Laufzeit von 5 bis 15 Jahren. Theoretisch können Sie auch einen längeren Zeitraum vereinbaren. Je älter die Anlage, desto anfälliger sind diese jedoch für Schäden. Daher werden auch die Vollwartungsverträge mit zunehmender Laufzeit teurer. „Laufzeiten von 15 oder sogar 20 Jahren und mehr haben ihren Preis“, weiß Theo Remmersmann von der Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen aus seiner täglichen Praxis. Zudem passen die Hersteller die Leistungsgarantie an das Alter der Anlage an. Auch hier gilt: Je älter die Mühle, desto geringer die garantierte Verfügbarkeit. In der Regel bieten Ihnen die Hersteller in den ersten Jahren eine Verfügbarkeit von 97% an, die nach 15 Jahren sinken kann.


Daher rät Remmersmann: Ein Ausstieg aus einem Vollwartungsvertrag kann durchaus nach 10 bis 15 Jahren sinnvoll sein. „Das ist aber nur für Betreiber eine Option, die ihre Kredite bereits zurückgezahlt haben, die entsprechende Rücklagen aufbauen konnten und deren Anlagen weniger reparaturanfällig sind“, so der Berater. Letztendlich ist die Frage nach einem Vollwartungs- oder einfachen Wartungsvertrag immer eine Frage nach der eigenen Risikobereitschaft. „Und die kann nur jeder für sich selbst beantworten“, so Efker. Diethard Rolink

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