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„Förderstopp bremst Energiewende vor Ort!“

Sebastian Damm, ehemaliger Geschäftsführer der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber (H-O-T), kritisiert das abrupte Ende der Regionalförderung.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Geschäftsstelle Ihrer Bioenergie-Region ist auflöst, die Mitarbeiter sind entlassen. Was war die Ursache?

 

Damm: Wie die 21 anderen Bioenergie-Regionen in Deutschland wurden auch wir von 2009 bis Juli 2015 mit rund 700.000 € aus dem Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Das war bewusst keine Förderung von Investitionen, sondern diente dazu, Netzwerkstrukturen aufzubauen und mit Bioenergie die Wertschöpfung in der Region zu erhöhen. Wir hatten eine Geschäftsstelle mit 3,5 Vollzeitstellen und fast 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die uns tatkräftig unterstützt haben. Damit haben wir mehrere 100 Menschen dazu bewegen können, sich ehrenamtlich für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu engagieren. Das Fördergeld des Bundes fehlt jetzt, unsere GmbH müssen wir liquidieren, unsere Bioenergie-Region hat künftig also keine eigene Geschäftsstelle mehr.

 

100.000 Euro an Fördergeldern im Jahr sind für eine solche Aufgabe nicht viel. Wofür haben Sie das Geld verwendet?

 

Damm: Wir mussten drei Landkreise mit über 3500 km2 und 61 Kommunen betreuen. Dazu kamen noch rund 200 Kommunen der Metropolregion Rhein-Neckar, die wir auf Wunsch des BMEL auch noch mit abgedeckt haben. Die Fördergelder haben wir so hauptsächlich für Personal- und Reisekosten, für die Öffentlichkeitsarbeit und für  Bildungsmaterial an Schulen eingesetzt. Außerdem haben wir auch viele Exkursionen zu vorbildlichen Projekten organisiert.

 

Was genau haben Sie in den sechs Jahren bewirkt?

 

Damm: Wir haben in den einzelnen Landkreisen und Gemeinden die Stoffströme in der Land- und Forstwirtschaft analysiert und den Energiebedarf  bzw. Einsparpotenzial bei den Kommunen ermittelt. Insgesamt sind dabei elf Bioenergiedörfer entstanden, die u.a. Nahwärmenetze gebaut haben. Dazu haben wir über 100 Projekte mit Landwirten zum Anbau nachwachsender Rohstoffe initiiert. Außerdem haben ein Netzwerk mit über 700 Partnern aus Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Banken und Energieversorgern geknüpft und Lust auf neue Projekte geweckt. Nachdem die ersten Vorreiter Erfolg hatten, wollten andere Dörfer nachziehen. Aber wir waren auch als Moderatoren bei kritischen Fragen im Einsatz, haben also für Akzeptanz gesorgt – nicht nur bei Bürgern, sondern auch bei Banken und Investoren.

 

 

Inwieweit konnten Sie die Wertschöpfung erhöhen?

 

Damm: Allein die elf Bioenergiedörfer sparen jetzt zusammen mehrere Millionen Liter Heizöl ein. Das ist Geld, das jetzt in der Region bleibt. Insgesamt schätzen wir die Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien in unserer Region auf 32 Millionen Euro pro Jahr.

 

Kann sich eine regionale Energieagentur oder ähnliches nicht selbst tragen?

 

Damm: Das war ja das Ziel des BMEL, dass sich nach Auslaufen der Förderung die Regionen selbst finanzieren. Einige Unternehmen oder Kommunen haben dafür vor einigen Jahren z.B. große Photovoltaikanlagen selbst installiert und finanzieren sich über die Einspeisevergütung. Aber wir können für unsere Netzwerk- und Beratungsdienstleistung kein Geld verlangen, das würden beispielsweise kleine Dörfer oder Landwirte nicht zahlen können. Und je kleiner ein Ort ist, desto zeitaufwändiger ist oft die Planung einschließlich Workshops und Diskussionsabende. Wir hatten dabei nie die Chance, uns zu refinanzieren und waren daher von der Bundes- und Landesförderung abhängig.

 

Wie geht es jetzt weiter mit der Bioenergieregion?

Damm: Die zentrale Geschäftsstelle ist zwar aufgelöst, aber wir wollen auf Landkreisebene weiterarbeiten. Es gibt bereits drei etablierte Regionalbüros, z.B. im Landwirtschaftsamt oder bei einer regionalen Energieagentur. Es wird schwieriger, das Netzwerk ohne zentrale Geschäftsstelle zu erhalten, aber nur so können wir das bisher geleistete aufrechterhalten. Wichtig ist, dass die Internetseite als zentrale Infoplattform weiter gepflegt wird und des für Interessenten Ansprechpartner gibt.

 

Vielerorts stockt die Energiewende in Deutschland. Könnten die Regionen mit regionalen Energieagenturen o.ä. auch andere wichtige Baustellen wie der Ausbau der Windenergie und der Stromnetze oder ein Umsteuern im Verkehr meistern ? 

 

Damm: Davon bin ich überzeugt. Die Energiewende funktioniert nur, wenn man in den Regionen individuell vorgeht. Es hilft wenig, nur Fördergelder von oben auszuschütten, man muss vor Ort Politiker, Banken, Bürger und Bauern überzeugen. Bei der Bevölkerung vor Ort schlummert neben Geld auch Fachwissen, das man nutzen kann. Wichtig ist, sehr transparente Strukturen aufzubauen, um Konflikte von vornherein zu vermeiden. Um Probleme lösen zu können, ist auch die Unabhängigkeit wichtig. Unser Beispiel zeigt, dass man mit wenig Geld viel bewirken kann. Es ist daher unverständlich, warum wir jetzt weder aus Berlin noch aus Stuttgart Unterstützung bekommen. Genauso kritisch sehen wir, dass die Bioenergie trotz der vielen Potenziale in Berlin anscheinend systematisch aufs Abstellgleis geschoben wird.

 

Die Fragen stellte Hinrich Neumann.

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