Immer wieder gibt es Streit zwischen den Betreibern von Windkraftanlagen und denen von Wetterstationen. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil zugunsten der Windparkbetreiber gefällt. Worum ging es dabei?
Steinkemper: Grob gesagt ging es um die Frage, ob geplante Windenergieanlagen (WEA) die Funktionsfähigkeit von Wetterradarstationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) stören. Bislang ist der DWD meist pauschal von einer Beeinträchtigung durch WEA im Umkreis von 15 km um ein Wetterradar ausgegangen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat jetzt geurteilt: Möchte der DWD die Genehmigung für WEA in der Nähe seiner Wetterradarstationen verhindern, muss er konkret darlegen, dass es tatsächlich zu gravierenden Störungen kommt.
Im Jahr 2015 konnten 219 Windenergieanlagen wegen dieser Konflikte nicht gebaut werden. Wird sich die Situation jetzt entspannen?
Steinkemper: Voraussichtlich wird es nun vermehrt Genehmigungen für WEA auch in der Nähe von Wetterradarstationen geben. Das BVerwG hat aber für extreme Wetterlagen Einzelfallregelungen in der Genehmigung für zulässig gehalten. Zukünftig dürfte es daher vor allem um die Frage gehen, wann eine extreme Wetterlage vorliegt, in welchen Situationen Abschaltungen der WEA zur Sicherung einer funktionierenden Unwettervorhersage erforderlich sind und welche Maßstäbe die hierfür erforderliche Prognose einer erheblichen Störung des Wetterradars erfüllen muss. Aus den Urteilsgründen des BVerwG wird man zwar möglicherweise gewisse Vorgaben hierfür herauslesen können. Es ist aber mit weiteren Rechtsstreitigkeiten über die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall zu rechnen.
Hat das Urteil auch Auswirkungen auf Radarstationen bei Luftwaffenstützpunkten der Bundeswehr?
Steinkemper: Das BVerwG hat den Beurteilungsspielraum des DWD abgelehnt, weil hierfür eine gesetzliche Grundlage fehlt. In der hier maßgeblichen Vorschrift des §35 Baugesetzbuch (BauGB) gibt es zwar auch keine ausdrückliche Sondervorschrift für Radarstationen der Bundeswehr. Allerdings ist durchaus möglich, dass diese im Einzelfall anders zu behandeln sind, weil sie eine andere Funktion als Wetterradarstationen haben. Militärische Radarstationen dienen auch der verteidigungspolitischen Sicherheit. Daher hatte das BVerwG mit Urteil vom 05.09.2006 unter bestimmten Voraussetzungen dem Bundesverteidigungsministerium einen Beurteilungsspielraum eingeräumt, ob Tieffluggebiete der Bundeswehr der Windenergienutzung entgegenstehen. Ob das aktuelle Urteil des BVerwG vom 22.09.2016 eine Modifizierung dieser Rechtsprechung bedeutet, lässt sich aber erst nach einer Analyse der schriftlichen Urteilsgründe genauer beurteilen.
Was müssen Betreiber von bestehenden oder geplanten Anlagen jetzt beachten?
Steinkemper: WEA-Betreibern ist zu empfehlen, zunächst die schriftlichen Urteilsgründe des BVerwG abzuwarten. Jedenfalls sollten sie auf den fehlenden Beurteilungsspielraum und die Darlegungspflicht des Deutschen Wetterdienstes verweisen, wenn die Genehmigungsbehörde die Genehmigung allein wegen der bloßen Nähe zu Wetterradarstationen ablehnen oder mit einschränkenden Nebenbestimmungen verbinden möchte. Auf jeden Fall muss der DWD eine konkrete Störung bei Extremwetterlagen im Einzelfall nachvollziehbar darlegen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, mit DWD und Genehmigungsbehörde eine praktikable Regelung zu treffen.
Rechtsanwältin Dr. Ursula Steinkemper, Berlin