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Regelenergie spült mehr Geld in die Kasse

Lesezeit: 8 Minuten

Die ersten Erfahrungen von Biogasanlagenbetreibern mit der Direktvermarktung sind positiv. Mit der richtigen Strategie lassen sich die Einnahmen daraus erhöhen.


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Auf diese SMS hat Rainer Weng schon länger gewartet: „Abruf Ihrer Anlage: Aggregat BG Alerheim 1 um 11:53 Uhr für voraussichtlich 32 Minuten.“ Damit kündigt der Stromhändler an, dass er das Blockheizkraftwerk per Fernsteuerung abschalten wird. Landwirt Weng aus Alerheim bei Nördlingen freut das: „Schließlich bekomme ich Geld dafür, wenn die Anlage vom Netz geht!“


Weng vermarktet den Strom aus der Biogasanlage wie rund 3 000 andere Landwirte auch direkt an einen Stromhändler – in seinem Fall an Next Kraftwerke. Nach einer Umfrage des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) aus Kassel sind derzeit 1,5 Gigawatt Biogas-Leistung bei Stromhändlern unter Vertrag. Das sind 40 % der Biogasanlagen in Deutschland.


Prämie für Einsteiger:

Die Möglichkeiten der Direktvermarktung sind vielfältig. Den Anfang machen die Markt- und Managementprämie. Die Marktprämie ist (vereinfacht gesagt) die Differenz zwischen der individuellen Vergütung, die dem Betreiber nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zustehen würde, und dem durchschnittlichen Strompreis, der im Vormonat an der Strombörse EPEX in Leipzig erzielt wurde.


Dazu kommt als kleiner Bonus die Managementprämie. Sie ist gesetzlich festgelegt und lag 2013 bei 0,275 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh), 2014 beträgt sie 0,25 ct. In der Übersicht links sind die möglichen Zusatzerlöse für eine Biogasanlage mit 500 kW elektrischer Leistung im Jahr 2014 aufgeführt. Die Anlage würde mit der Managementprämie rund 10 000 € erzielen. Davon abzuziehen sind die Kosten für den Vermarkter, in diesem Beispiel 50 % der Einnahmen, also 5 000 €. „Das ist aber Verhandlungssache“, verdeutlicht Ulrich Keymer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) aus München.


Außerdem können Zusatzkosten wie z. B. für eine Vertragsprüfung anfallen, die die LfL hier mit 442 € pro Jahr angesetzt hat. Unterm Strich bliebe der 500 kW-Anlage ein Überschuss von 4 558 € im Jahr.


Landwirt Weng hat bei seinem BHKW mit 526 kW einen Mehrerlös von 8 600 € erzielt. Grund: Er ist an einen Pool von mehreren Landwirten im Raum Bayerisch-Schwaben angeschlossen. Dadurch hat er eine bessere Verhandlungsbasis und muss nur 30 % der Prämie an den Händler abtreten. Bei etwa 4,4 Mio. verkauften kWh im Jahr 2013 hat er rund 12 300 € über die Managementprämie eingenommen und 3 700 € an den Stromhändler bezahlt.


Weitere Einnahmen sind möglich, wenn der Vermarkter einen höheren Preis für den Strom erzielt. „Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Anlage zuverlässig läuft und in Zeiten mit niedrigen Strompreisen weniger Strom liefert“, erklärt Keymer. In dem Beispiel ist Keymer von einem Mehrerlös von 0,1 ct/kWh, also von 4 000 €/Jahr ausgegangen. Abzüglich der Vermarktungskosten bleibt ein Plus von 2 400 €.


Drei Arten Regelenergie:

Die nächste Stufe ist die Teilnahme am Regelenergiemarkt. Hierbei gibt es „positive“ oder „negative“ Regelenergie. Die Re-gelenergie verwenden die Übertragungsnetzbetreiber, um unvorhersehbare Schwankungen in den Stromnetzen auszugleichen. Fehlt Strom, rufen sie positive Regelenergie ab, Anlagen müssen also hochgefahren werden. Bei der negativen Regelenergie dagegen werden Anlagen heruntergefahren.


Die Regelenergie macht heute etwa ein Drittel der Direktvermarktung von Biogasstrom aus. Bei dieser Dienstleistung unterscheidet man die Primär- und Sekundärregelleistung sowie Minutenreserve. Die Primärregelleistung muss innerhalb von 30 Sekunden zur Verfügung stehen, die Sekundärregelleistung innerhalb von 5 Minuten und die Minutenreserve innerhalb von 15 Minuten. Die am Regelenergiemarkt teilnehmenden Biogasanlagen haben bislang überwiegend nur die negative Minutenreserve und erst zum Teil Sekundärregelleistung im Programm. Das hängt auch davon ab, für welchen Regelleistungsmarkt der Händler zugelassen, also präqualifiziert ist. Erste Vermarkter wie Energy2market aus Leipzig bieten seit 2014 auch die Teilnahme an der Primärregelenergie an.


Entscheidend dafür ist ebenso der Übertragungsnetzbetreiber. Hiervon gibt es in Deutschland vier: TenneT, Amprion, 50Hertz und TransnetBW. „Wir hatten mit TransnetBW Probleme, weil sie keine Sekundärregelleistung für Biogasanlagen angeboten haben“, berichtet Weng. Das Problem soll jetzt aber gelöst sein.


Fünfstellige Mehrerlöse:

Der Erlös aus der Regelenergie setzt sich zusammen aus einem Preis pro kW für die Leistung, die man bereit ist, vom Netz zu nehmen. Wird die Anlage aufgerufen, kommt ein Arbeitspreis pro kWh für die zusätzliche bzw. für die nicht produzierte Strommenge dazu.


Bei der Regelenergie sind sehr unterschiedliche Erlöse möglich. Auch diesen Fall hat die LfL am Beispiel der negativen Minutenreserve kalkuliert. „Die Aufrufhäufigkeit bei defensiver Strategie liegt zwischen 24 und 36 Mal pro Jahr“, sagt LfL-Experte Keymer. Defensiv bedeutet: Der Anlagenbetreiber bietet bewusst einen hohen Arbeitspreis. Da immer erst die günstigen Anlagen abgerufen werden, ist die Wahrscheinlichkeit des Aufrufs bei dieser Strategie geringer. Der Anlagenbetreiber kassiert dann nur den Leistungspreis je kW. Ein Aufruf, also ein Anlagenstopp, dauert in der Regel zwischen 15 und 60 Minuten.


In dem Beispiel der LfL hat sich der Anlagenbetreiber entschieden, nur im Sommer seine Anlage regeln zu lassen, da er ein gutes Wärmekonzept hat und im Winter die volle BHKW-Leistung ohne Unterbrechung fahren möchte. Bei dieser Variante würde er – berechnet mit den Durchschnittserlösen für die Minutenreserve aus dem Jahr 2013 – 12 600 € mehr einnehmen. Davon sind dann wieder die Vermarktungs- und Zusatzkosten abzuziehen, sodass unterm Strich rund 7 000 € bleiben. Zählt man alle Mehrerlöse zusammen, würde diese Anlage am Jahresende über die Direktvermarktung rund 14 000 € übrig behalten (siehe Übersicht auf S. 20).


Anlage vorbereiten:

Für die Teilnahme am Regelenergiemarkt muss der Betreiber eine Kommunikationsschnittstelle installieren lassen. Diese ist nötig, damit der Übertragungsnetzbetreiber und der Vermarkter per Fernzugriff das BHKW regeln und erfassen können. Einige Stromhändler bieten diese Einheit kostenlos an. Wenn der Betreiber sie dagegen kauft, gehört sie ihm, auch wenn er den Händler wechselt. Die Schnittstelle selbst kostet rund 1 000 €, einschließlich Einbindung in die Anlagensteuerung kommen Kosten von 2 000 bis 6 000 € zusammen.


Außerdem muss die Anlage vom Netzbetreiber „präqualifiziert“ sein. Dabei prüft der Netzbetreiber nach einem festgelegten Verfahren, ob das BHKW in der gewünschten Zeit um die gemeldete Leistung an- und abgefahren werden kann.


Aber auch der Betreiber muss Informationen an den Stromhändler liefern. So haben einige Vermarkter Internetportale, auf denen man per Mausklick rund eine Woche im Voraus die Zeiträume angibt, an denen die Anlage geregelt werden kann. Stehen Wartungstermine oder andere Zwangspausen an, kann der Betreiber für diese Zeit keine Regelenergie anbieten. Hatte der Betreiber jedoch die Leistung angemeldet und konnte nicht liefern, muss er für Ausgleichsenergie zahlen. Wie die Praxis zeigt, können hierfür Kosten von 9 000 bis 120 000 € pro Jahr auftreten. Wer seine Anlage also nicht störungsfrei betreibt, zahlt am Jahresende sogar drauf!


Nach Aussagen von Praktikern ist die Transparenz der Vermarktungserlöse und produzierten Strommengen bei den Stromhändlern bisher sehr unterschiedlich: Nur wenige Händler bieten ihren Erzeugern die Möglichkeit, online und tagesaktuell ihre Vermarktungsergebnisse aus Mengen, Zeiten und Preisen einsehen zu können.


Wärmenutzung möglich:

Auch Martin Buchholz aus Bad Oldesloe ist im Regelenergiemarkt tätig. Buchholz ist Vorsitzender der Genossenschaft Deutscher Grün-Energie-Erzeuger (GDGE), die seit 2012 Strom über Energy2market anbietet. An die Genossenschaft sind derzeit ca. 180 Biogas-BHKW mit einer Gesamtleistung von über 85 MW angeschlossen. Über 90 % der Betriebe nehmen am Markt für Sekundärregelleistung teil. Buchholz selbst ist Mitgesellschafter bei der Blumendorf Bio-Energie in Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein). Die Biogasanlage hat 2,1 MW Leistung, verteilt auf vier Satelliten-BHKW mit je 526 kW. Alle BHKW stehen bei größeren Kunden, die das ganze Jahr Wärme benötigen.


Buchholz hat mit der negativen Sekundärregelleistung mit seinen vier BHKW nach Abzug der Kosten für Vermarktung und Ausgleichsenergie netto zwischen 28 000 und 36 000 € Mehrerlös erzielt. Im Schnitt wird seine Anlage am Tag zwei- bis dreimal für 5 bis 7 Minuten aufgerufen, also heruntergeregelt. Im Jahr kommen so 60 bis 70 Stunden Aufrufzeit zusammen. Er stellt dabei keine Beeinträchtigung bei den Wärmenetzen fest.


Mehr Leistung mit Power to Heat.

Momentan lässt er seine BHKW mit 526 kW Leistung nur zu 50 % herunterregeln. Das bedeutet: Bei einem Aufruf kann er maximal 260 kW pro BHKW vom Netz nehmen. „Mehr geht nicht, weil ich technisch bedingt und wegen der benötigten Wärme die Motoren nicht ganz abstellen kann“, berichtet er. Außerdem würde der häufige Start-Stopp-Betrieb die Lebensdauer der Motoren beeinträchtigen.


Jetzt will er pro BHKW einen Durchlauferhitzer mit einer Anschlussleistung von 250 kW installieren. Dieser nutzt Strom, um Wasser zu erhitzen. Das hat zwei Vorteile: Er kann die Regelleistung verdoppeln und damit auch doppelt so hohe Einnahmen erzielen. Und gleichzeitig steht ihm immer ausreichend Wärme für seine Kunden zur Verfügung.


Das Modell funktioniert so: Das BHKW wird beim Regelenergie-Aufruf um 50 % auf 260 kW reduziert. Es produziert mit den verbleibenden 250 kW aber weiterhin Strom. Dieser Strom wird jetzt vor Ort genutzt, um das Wasser der Fernwärmeleitung aufzuheizen („Power to heat“). Aus Sicht des Netzbetreibers hat Buchholz damit 510 kW vom Netz genommen. Mittlerweile gibt es erste Hersteller, die entsprechende Power to heat-Geräte als kompakte Einheit anbieten. Ein Gerät mit 250 kW kostet etwa 30 000 €.


Außerdem will er nicht nur die defensive „Vermeidungsstrategie“ mit einem hohen Arbeitspreis von ca. 80 ct pro kWh fahren, bei dem er nur selten aufgerufen wird. „Künftig will ich den Arbeits- und Leistungspreis senken, um häufiger aufgerufen zu werden“, so seine Pläne. Denn wenn er pro nicht gelieferter Kilowattstunde 20 ct/kWh erhält und zugleich sehr viel weniger Rohstoffe verbraucht, kann das wirtschaftlich sehr interessant sein.


Potenzial für weitere Anlagen im Regelenergiemarkt sieht er noch genug. „Der Gesamtmarkt der Regelenergie macht jeweils 2 500 MW für Sekundärregelleistung und Minutenreserve aus. Da können noch viele Biogasanlagen einsteigen.“ Hinrich Neumann

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