Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Aus dem Heft

Terra Preta aus Oberfranken

Lesezeit: 5 Minuten

Familie Saßmannshausen erzeugt aus Pflanzenkohle und Pferdemist Blumenerde, die in 20 kg-Säcken verkauft wird. Die Zukunftsaussichten sind sehr gut.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Unser Autor


Frank Friedrich, freier Journalist


Frank Friedrich, freier Journalist


Terra Preta (portugiesisch für „Schwarze Erde“) ist als die Wundererde aus dem Amazonasgebiet mit erstaunlicher Fruchtbarkeit bekannt. Das Start-up Unternehmen Bionero der Familie Saßmannshausen aus dem bayerischen Thurnau (Oberfranken) stellt diese Erde, deren wichtigster Bestandteil Pflanzenkohle ist, seit Oktober 2018 in Deutschland her. Dafür hat die Familie die Firma Bionero gegründet und verkohlt Hackschniitzel in einer Pyrolyseanlage des Herstellers Pyreg aus Dörth im Hunsrück (www.pyreg.de).


Bionero besitzt eine Anlage „Pyreg 500“ (Brennstoffleistung 500 kW, thermische Leistung 150 kW, Input bis zu 750 t TM, Output 200 t TM Kohle). Die Betreiber wollten anfangs ein Gemisch aus dem eigenen Pferdemist und Hackschnitzeln aus den umliegenden Wäldern verkohlen. Doch der Pferdemist erhöhte den Wartungsaufwand. Darum setzt Bionero für die Kohleproduktion jetzt nur noch Holz ein, der Mist kommt später dazu.


Verschiedene Stoffe getestet


Der Prozess verlangt einen möglichst homogenen Inputstoff. Der TS-Gehalt sollte bei 80% liegen. Je kleiner das Material ist, desto schneller läuft die Verkohlung ab. Familie Saßmannshausen hat verschiedene Stoffe versuchsweise eingesetzt wie Getreide, Stroh, Klärschlamm, Landschaftspflegematerial oder Sägemehl. Das Pyregverfahren ist für viele Inputstoffe geeignet. Wichtig ist nur, dass sie einen Mindestheizwert von 9 bis 10 MJ/kg haben.


Die Anlage ist mit einem Vorratsbunker ähnlich wie eine Biogasanlage ausgestattet. Von diesem werden die Hackschnitzel über eine Schnecke kontinuierlich zur Verkohlung transportiert. Zu Beginn des Prozesses wird die Anlage für 1,5 bis 2 Stunden mit Flüssiggas auf Betriebstemperatur aufgeheizt. Später läuft die Anlage mit der eigenen Verbrennung des entstehenden Gases. Der Inputstoff wird über zwei Schnecken in den Reaktor befördert. Zu Beginn des Verkohlungsprozesses beträgt die Temperatur 300°C und steigt auf 600°C. Die Verweilzeit beträgt ca. eine halbe Stunde im Reaktor. Mit Temperatur und Dauer hat der Betreiber die größten Einflussmöglichkeiten im Verkohlungsprozess, die er vor allem bei komplizierten Inputstoffen wie Klärschlamm nutzen muss. „Die Temperatur muss unterhalb des Ascheerweichungspunktes des Inhaltsstoffes liegen, um einer übermäßigen Schlackebildung entgegenzuwirken“, erklärt Aaron Saßmannshausen.


Eine Zellenradschleuse wirft die entstandene Kohle zur Abkühlung aus. Das im Reaktor entstehende Gas enthält viel Methan und gelangt über Unterdruck zum Flox-Brenner, der es flammenlos verbrennt.


Wenn belastetes Material wie Klärschlamm verkohlt wird, können die Schwermetalle über einen Aktivkohlefilter nach dem Abgaswärmetauscher herausgefiltert werden. Die in der Brennkammer entstehende Wärme heizt den Reaktor. Die überschüssige Abwärme nutzt Familie Saßmannshausen über einen Wärmetauscher zum Trocknen von Hackschnitzeln. Ein Verkauf der Wärme an die umliegenden Betriebe ist ebenfalls für die Zukunft angedacht. Der Eigenstromverbrauch, hauptsächlich für den Betrieb der Förderschnecken, liegt bei niedrigen 12 kWh.


Eine tonne Kohle pro Tag


Bei voller Leistung entsteht pro Tag aus 3,6 t Hackschnitzeln 1 t Pflanzenkohle. Die Kohle besteht aus 90% Kohlenstoff, der Rest sind P, K und Mg. Nach Untersuchungen von Prof. Bruno Glaser von der Universität Halle hat 1 g Kohle eine Oberfläche von 300 bis 800 m2. Dies ist der Grund für die hohe Speicherkapazität für Wasser und Nährstoffe der Kohle.


Die Kohle von der Fa. Bionero ist von der französischen Gesellschaft Ecozert bio-zertifiziert und von dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) als Bodenhilfsstoff anerkannt. Auch hilft sie in der Tierfütterung, wie erfolgreiche Versuche im eigenen Pferdepensionsbetrieb bei Koliken oder Durchfall belegen.


Mischung mit Pferdemist


Doch die Kohle selbst ist nur ein Bestandteil der Blumenerde. Aaron Saßmannshausen lässt den Mist der eigenen Pferde und weitere Grünabfälle von einem Partnerbetrieb zusammen mit 15 Vol.-% Pflanzenkohle kompostieren. Die Pflanzenkohle wird erst nach drei Monaten zugemischt und dann weitere drei Monate gemeinsam verrottet. Durch die lange Rottezeit lädt sich der Nährstoffspeicher der Kohle auf und sorgt für die besonderen Eigenschaften des Substrats. Dieses wird mithilfe eines Industrieroboters auf einer Verpackungsstraße in 20 l-Plastiksäcke gefüllt und unter der Eigenmarke „Bioaktiverde“ über diverse Baumärkte (Baywa, Schicker) und online vermarktet (Endverkaufspreis 10 €). Die Markteinführung war im Frühjahr 2019.


„Der Absatz von Erden und Substraten erfolgt hauptsächlich von März bis Juli“, berichtet Uwe Saßmannshausen. „Wir können im Jahr bis zu 750000 Säcke unsrer Erde erzeugen.“ Der Arbeitsaufwand für die Betreuung der Anlage liegt bei ca. 3 Stunden täglich (Fütterung, Schmieren, Reinigen, Kontrolle). Daneben wird einmal in der Woche eine größere Revision mit Reinigung (Staub entfernen, Schlacke entfernen, Filter reinigen) durchgeführt.


Die Anlage läuft bisher zur Zufriedenheit der Betreiber. Die Betreuung durch den Hersteller Fa. Pyreg ist gut. Bei Störungen kann diese über Fernwartung auf die Steuerung zugreifen.


Die Investitionen in die Herstellung der Terra Preta waren sehr hoch, insgesamt hat Familie Saßmannshausen 2 Mio. € in den Aufbau der Firma gesteckt, wovon 750000 € auf die Pyreg-Anlage entfielen. „Wir erzeugen ein nachhaltiges Qualitätsprodukt, dass nicht mit normaler Blumenerde zu vergleichen ist“, sagt Senior Uwe Saßmannshausen. Denn die heute zu kaufende Erde besteht oft aus einem Gemisch aus Torf und mineralischem NPK-Dünger.


Für den Ackerbau zu teuer


Für den Einsatz im Ackerbau ist die Pflanzenkohle aus Hackschnitzeln zu teuer. „Hier müssten wir einen Input-stoff haben, der uns noch Erlöse über Entsorgungskosten wie z.B. Klärschlamm liefert“, sagt er.


Die Versuche mit der Pyrolyse von Klärschlamm waren vielversprechend. Die entstandene Kohle enthielt noch 20% Phosphor, der für Ackerbauern wichtig ist, berichtet Aaron Saßmannshausen. Der Pyrolyseprozess entfernte organische Schadstoffe, die Schwermetalle lagen weit unter den Grenzwerten. Leider erschweren bürokratische Hindernisse den Einsatz derzeit.


Aktuell arbeiten die Gründer am Absatz ihres Produktes und weiteren Einsatzmöglichkeiten der Pflanzenkohle. Der Gewinn des „green product awards 2020“ und des „deutschen Nachhaltigkeitspreises 2020“ zeigt Vater und Sohn Saßmannshausen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Auch ist er Ansporn, das Produkt weiterzuentwickeln.


hinrich.neumann@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.