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Windenergie: Die Anlagen wachsen weiter

Lesezeit: 7 Minuten

Neuer Zubaurekord, neue Anlagengrößen, neue Lösungen für Service und Wartung: Die Windbranche entwickelt sich dynamisch. Wir haben die wichtigsten Trends für Sie zusammengefasst.


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Das Jahr 2014 wird der Windbranche lange in Erinnerung blei-ben. Fast 5 200 Megawatt (MW) Anlagenleistung sind im vergange-nen Jahr dazukommen. Der Rekordzubau übertraf sogar das bisherige Maximum aus dem Jahr 2002 um 47 %. Die Windenergie deckt in Deutschland heute rund zehn Prozent des Strom-bedarfs.


Den Windkraftboom erklärt sich Klaus Övermöhle von der Övermöhle Consult & Marketing GmbH aus Hamburg damit, dass viele Regionen neue Windeignungsflächen ausgewiesen hätten, vor allem Schleswig-Holstein. Zudem würden Bürgerwindparks zunehmend die Akzeptanz in der Bevölkerung fördern. Auch hätten bis auf Bayern viele süddeutsche Bundesländer ihre jahrelange Blockadehaltung gegen Windenergie aufgegeben. Mit höheren Türmen und größeren Rotordurchmessern könnten die Hersteller jetzt auch Techniken für windschwächere Standorte liefern.


Nach einer Marktumfrage von Övermöhle könnten in diesem und im kommenden Jahr in Deutschland Windenergieanlagen mit je mindestens 4 000 Megawatt (MW) Leistung installiert werden. Trotz der Nachfrage gäbe es keine Knappheit auf dem Markt. Denn viele Hersteller hätten in den vergangenen Jahren ihre Produktionskapazitäten ausgebaut. Außerdem würden in Ländern wie Spanien, Portugal, aber auch in den USA momentan weniger neue Windparks gebaut. Da auch Rohstoffe wie Stahl oder Öl günstig sowie Zinsen niedrig seien, blieben die Anlagenpreise stabil.


Pro und Contra Getriebe:

Bei der Windenergie geht der Bau von getriebelosen Anlagen mit Direktantrieb weiter zurück. Laut Windenergiereport des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) ist der Anteil von 60 % im Jahr 2010 auf 43 % gefallen. Dennoch dominiert die Technik den Markt. Getriebeanlagen mit doppelgespeisten Asynchrongenerator kommen auf 28 % Marktanteil, Fabrikate mit Permanentmagnet-Generator auf 18 %.


Anlagen mit Direktantrieb übertragen die Rotorleistung direkt auf den Generator. Damit fällt das verschleißanfällige Getriebe weg und die Anlagen werden robuster, meint Prof. Friedrich Klinger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar), der seit 1990 mit seinem Team an diesem Thema arbeitet.


Wie der Wissenschaftler im Forschungsjahresbericht 2014 des Bundeswirtschaftsministeriums erläutert, sei die Technik mit dem Nabendynamo am Fahrrad zu vergleichen und werde sich langfristig gegenüber Getriebeanlagen durchsetzen. Die HTW Saar arbeitet zurzeit an einem Projekt, bei dem der Generator in die Nabe eingebaut ist.


Ein Getriebe hat jedoch den Vorteil, dass es die physikalisch bedingte Rotordrehzahl erhöhen und damit die Baugröße des Generators reduzieren kann, argumentiert Prof. Georg Jacobs von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Denn je niedriger die Drehzahl, desto größer müsse der Generator sein. Ein Getriebe sorge dafür, die Drehzahl moderner Windenergieanlagen der 2,5 MW-Klasse von 14 Umdrehungen pro Minute auf 500 bis 1650 anzuheben. Wegen der geringen Generatorgröße ließen sich damit Kosten sparen.


Wenn es gelänge, bei der Entwicklung der Lager lokal wirkende Lasten stärker zu berücksichtigen und so die Zuverlässigkeit von Getrieben zu erhöhen, könnte sich die Technik gegenüber getriebelosen Anlagen durchsetzen, ist Jacobs überzeugt, der an einem Projekt „Verbesserung des Betriebsverhaltens von Windenergieanlagen“ forscht.


Anlagen fürs Binnenland:

Neben der Antriebstechnik unterscheiden sich die Anlagen in Nabenhöhe und Rotordurchmesser. Im Schnitt hatten die neu errichteten Anlagen eine Nabenhöhe von 115 m, der Rotordurchmesser lag zwischen 40 und 154 m bzw. bei 99 m im Schnitt.


Der Trend zu größeren Rotordurchmessern für die Nutzung im Binnenland setzt sich fort. Darauf haben sich auch die Hersteller eingestellt. Für Binnenlandstandorte mit wenig Wind hat beispielsweise Siemens die SWT-3.3-130 entwickelt. Die Anlage hat 3,3 MW Leistung, 130 Meter Rotordurchmesser und soll ab 2017 lieferbar sein. Die elastischen, 63 m langen Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Epoxidharz sind so konstruiert, dass sie Windturbulenzen abfedern und damit Turm und Maschinenhaus weniger belasten sollen. Da eine Einzelblattmontage möglich ist, sind die Anlagen laut Siemens auch für den Aufbau unter beengten Verhältnissen im Wald geeignet.


Enercon bringt jetzt bei der Anlage E-126 EP4 mit 4,2 MW Leistung und 135 m Nabenhöhe ein Rotorblatt zum Einsatz, das erstmals für 30 Jahre zertifiziert ist. Üblich seien 20 Jahre, so der Hersteller. Das schlanke Blatt ist für windreiche Standorte auch im Binnenland konzipiert und soll für weniger Belastung der Anlage sorgen. Gezackte Elemente an der Blatthinterkante sollen nach Vorbild der lautlos fliegenden Eulen den Schall erheblich reduzieren. Der Rotordurchmesser der neuen Anlage liegt bei 127 m.


Auch die Anlagen Nordex N131/3000 und die Prototypen L132 und L136 des niederländischen Herstellers Lagerwey haben Rotordurchmesser über 130 m.


Neue Blattkonzepte:

Eine neue Entwicklung sind Rotorblätter aus Stahl. Vorteil: Sie sind bis zu 90 % günstiger als faserverstärkte Kunststoffe und zu 90 % recyclebar. Auch lässt sich die Produktion besser automatisieren. Nachteil ist das höhere Gewicht. Das Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) aus Chemnitz arbeitet in dem Projekt „HyBlade“ an Blättern aus Stahl.


Optimierte Rotorblätter will auch SeebaWind einsetzen. Im niedersächsischen Wettendorf hat der Servicedienstleister kürzlich bei vier Windrädern des Typs Fuhrländer FL2500 im Rahmen eines Vollwartungsvertrages Rotorblätter gegen Fabrikate mit aerodynamisch verbesserten Modellen ausgetauscht. Die von BayWa r. e. entwickelten Blätter haben Profil-Aufsätze. Diese sollen wie bei modernen Flugzeugen dafür sorgen, dass die turbu- lente Grenzschicht ins Innere des Rotorblatts gesogen und dann nach außen abgeführt wird. Diese Verbesserungen sollen nicht nur den Ertrag steigern, sondern auch Lärm reduzieren.


Leichter Komponententausch:

Neue Lösungen gibt es auch beim Service. Ein neues System der Leine Linde GmbH kann anhand von Temperatur und Luftfeuchtigkeit die Wahrscheinlichkeit von Eisbildung an Rotorblättern für die nächste halbe Stunde vo­raussagen und den Betriebsleiter automatisch informieren. Dafür verwendet der Hersteller Sensoren aus der Verkehrstechnik. Der Betriebsführer kann sich dann per Live-Kamera in den Windpark einloggen und entscheiden, ob er das Windrad stoppt und die Rotorblattheizung zum kontrollierten Abtauen einschaltet. Mit dem System sollen sich Windräder auch nach dem Frost früher wieder einschalten lassen, was Stillstandzeiten und den Strombezug für die Blattheizung vermindert.


Ebenfalls mehr Effizienz verspricht eine Rotorblatt-Thermographie via Hubschrauber. Die Wärmebildkamera stellt Mikrorisse fest, weil es an den Bruchkanten wegen der Reibung zur Wärmeentwicklung kommt. Bislang dauert eine manuelle Rotorblattinspektion per Hammer und Industriekletterer ca. drei Tage. Mit der Thermographie mittels Hubschrauber aus der Luft könne ein Windrad in wenigen Stunden untersucht werden, verspricht die DEI Energie Inspektion GmbH. Auf diese Weise müssten bei einem Schaden nicht vorsorglich alle drei Blätter auf einmal getauscht werden, wie es zurzeit übliche Praxis ist.


Zum Tausch von Großkomponenten wie Getriebe wird bislang ein Großkran eingesetzt, was sehr viel Zeit und Geld kostet. Denn für die Bauteile eines einzelnen Mobilkrans sind in der Regel 30 LKW-Transporte nötig. Eine Alternative, die mit zwei LKW-Ladungen auskommt, ist ein Turmkran der Firma Tembra. Der Kran wird über einen Spannring am Turmfuß befestigt, „klettert“ eigenständig an dem Turm hoch und klemmt sich dann unter der Gondel fest. Mit dem auf dem Spannring befestigten Kran können laut Tembra Großkomponenten wie Generatoren, Getriebe, aber auch Rotorblätter getauscht werden.


Für den Tausch von Getrieben hat SeebaWind eine Brücke konstruiert, mit der die Monteure die Hauptwelle am Maschinenträger fixieren können. Damit wird der Rotor sowie das Hauptlager stabilisiert, sodass das neue Getriebe ohne Ausbau des Rotors montiert werden kann.


Die Getriebebrücke hat SeebaWind erstmals beim Tausch eines Getriebes einer Senvionanlage des Typs MM92 eingesetzt. Mit der Technik lasse sich ein kleinerer Kran einsetzen, so der Dienstleister.


Einbruch ab 2016?

Auch wenn die Hersteller weiter an Lösungen für besseren Service und günstigere Anlagen arbeiten: Die wirtschaftlichen Aussichten für die Windenergie sind laut Övermöhle Consult nur bis Ende 2015 gut. Schon ab 2016 verschlechtern sich die Rahmenbedingungen wegen der schnell sinkenden Einspeisevergütung.


Ab 2017 gäbe es zudem die Unsicherheit, wie sich das neue Ausschreibungsverfahren entwickeln wird. Daher bleibt abzuwarten, ob sich der Ausbau der Windenergie mit gleicher Dynamik fortsetzen wird. Hinrich Neumann

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