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„Wir verkaufen Biomethan direkt“

Lesezeit: 8 Minuten

In Baden-Württemberg erzeugen vier Landwirte Biomethan. Sie gehören deutschlandweit zu den ersten, die sich ihre Gaskunden selbst gesucht haben. Dafür war gute Überzeugungsarbeit nötig.


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Erwin Paul Hummler heißt das kleine, gut informierte Insekt, das Besuchern sehr detailliert die Biomethanproduktion erklärt. Auf mehreren Schildern auf der Biogasanlage zählt es detailliert Fakten auf. Eigentlich stehen die Initialen EPH für „Energiepark Hahnennest“. „Aber wir haben uns die Hummel zu Marketingzwecken einfallen lassen“, berichtet Landwirt Simon Rauch aus dem Örtchen Hahnennest im Landkreis Sigmaringen (Baden-Württemberg), ca. 30 km vom Bodensee entfernt. Rauch betreibt hier zusammen seinem Vater Georg sowie den Berufskollegen Thomas Metzler, Edwin König und Egon Kaltenbach eine Biogasanlage mit umgerechnet 1,5 Megawatt (MW) elektrisch. Das Gas wird zu Biomethan aufbereitet (zur Technik siehe Kasten auf S. 18).


Gasverkauf in Eigenregie:

Das Gas wird ins Hochdrucknetz mit 60 bar eingespeist. Doch damit haben die Hahnennester Landwirte die Verantwortung noch nicht abgegeben. Denn anders als bei den meisten der rund 100 Biomethananlagen in Deutschland wird das Gas nicht an Energieversorger oder Gashändler verkauft. „Bei der Planung der Anlage aber haben wir uns mehr und mehr in das Thema eingearbeitet. Irgendwann hatten wir das Gefühl, dass wir das Gas auch selbst an den Mann bringen können, zumal wir dadurch die übliche Händlerspanne einsparen“, begründet Metzler diesen Schritt. Und diese Spanne war bei den niedrigen Gaspreisen Anfang 2010 das Zünglein an der Waage, um die Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Zusätzlich erhalten die Landwirte noch 0,7 Cent je kWh (Heizwert des Gases) vom Gasnetzbetreiber für vermiedene Netznutzungsentgelte.


Hierfür haben die vier eine Vermarktungsfirma gegründet, die Biomethangas Hahnennest GmbH. Die Biogasanlage „Energiepark Hahnennest“ verkauft das Gas jetzt offiziell an die Bioemethangas GmbH. Diese Zweiteilung dient dazu, den Biogasanlagenbetrieb vom Vermarktungsrisiko zu trennen. Falls es beim Verkauf Probleme gibt, haftet jetzt nur die Vermarktungsgesellschaft.


Schwieriger Einstieg:

Der Einstieg in die Vermarktung war so etwas wie die Quadratur des Kreises. Die potenziellen Gasabnehmer wollten die fertige Anlage sehen. Aber die Anlage konnten die Landwirte nicht vorher bauen, weil die finanzierende Bank wiederum die Gasabnahmeverträge verlangte. Denn bei dem 11 Millionen Euro-Projekt wollte sie das Risiko so klein wie möglich halten. „Bei den vielen offenen Punkten haben uns die Kunden anfangs gar nicht ernst genommen“, blickt Metzler zurück.


Die erste Unterschrift haben sie dann von einer Klinik in Erlabrunn (Sachsen) bekommen. Dort läuft ein Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk, das wegen des hohen Pflanzenölpreises aber nicht mehr wirtschaftlich war. Metzler konnte die Betreiber überzeugen, das BHKW auf Biomethan umzustellen. Ähnlich lief es bei einem Kalkhersteller in Blaubeuren (Baden-Württemberg), der zwei von sechs Pflanzenöl-BHKW auf Biomethan umgestellt hat.


Den größten Fisch zogen die Landwirte jedoch mit dem Sanitärtechnik-Unternehmen Geberit Deutschland aus dem benachbarten Pfullendorf an Land, das heute den größten Teil des erzeugten Gases abnimmt.


Nachhaltige Produktion:

Geberit nutzt wie andere Unternehmen auch die Strom- und Wärmeproduktion aus Biomethan als Marketinginstrument. Die Versorgung aus erneuerbaren Energien ist Teil des Nachhaltigkeitskonzepts des Unternehmens. Punkten konnten die Hahnennester schon damit, dass sie vom Feld bis zum Biomethan die komplette Lieferkette selbst in der Hand halten und so die Herkunft der Biomasse transparent darlegen können. Da die Biogaserzeugung aber in der Öffentlichkeit nicht nur positiv diskutiert wird, hat Geberit zusammen mit dem BUND und den Landwirten zusätzlich zehn Kriterien für eine „nachhaltige Erzeugung von Premium-Biogas“ erarbeitet. Dazu zählen u. a.:


  • Gülle, Reststoffe aus der Landwirtschaft und Landschaftspflegematerial sollen mindestens 50 % der Frischmasse in der Substratversorgung ausmachen.
  • Der Maisanteil soll bei maximal 35 % der Ackerfläche liegen und eine mindestens dreigliedrige Fruchtfolge soll eingehalten werden.
  • Kein Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen, keine Gülle aus Betrieben mit mehr als 2 GVE/ha, maximale Trans-portentfernung für Gülle und Energiepflanzen: 10 km.
  • Bis zum Jahr 2015 sollen 10 % der Flächen als ökologische Ausgleichsflächen angelegt sein. Dazu zählen artenreiches Grünland, Hecken, Streuobstwiesen, Blühstreifen usw.


„Dem Unternehmen war wichtig, dass auch der Naturschutz zustimmt“, berichtet Metzler. Der Energiepark Hahnennest beauftragt freiwillig einen neutralen Zertifizierer, der die Einhaltung der Kriterien bescheinigt. Die Auflagen bedeuten zwar einen gewissen Mehraufwand für die Betriebe. Doch das Thema „Nachhaltigkeit“ wird auch für andere Firmen immer wichtiger, sodass die Landwirte damit bei der Verhandlung punkten und sich auch von Mitbewerbern gut abheben können.


Auch die Bank ließ sich schließlich überzeugen. Denn neben den Gasabnahmeverträgen sprach auch das Rohstoffkonzept für die Anlage. Überzeugen ließ sie sich u.a. dadurch, dass das Risiko der Anlage auf vier Schultern verteilt ist. Auch liegen die 1 100 ha Anbaufläche der vier Landwirte im Umkreis von 4 km rund um die Anlage. Damit sind kurze Transportwege und eine vollständige Eigenversorgung ohne Zukaufrisiko garantiert.


Die BHKW liefern zweimal 250 kW Strom und zusammen rund 700 kW Wärme. „Wir haben hier relativ viel Gülle, daher brauchen wir viel Wärme für die Fermenterheizung“, erläutert Rauch. Der Gülleanteil liegt bei 60 %. Die Schweine- und Rindergülle liefern die vier beteiligten Betriebe sowie vier weitere im Umkreis von 4 km. Die Gülle der vier beteiligten Landwirte wird per Leitung aus dem Ort Hahnennest zur Anlage gepumpt. Damit findet für die Hälfte der Güllemenge überhaupt kein Transport statt.


Der Gülleeinsatz sorgt nicht nur für einen stabilen Gärprozess, einen hohen Methangehalt und geringen Rühraufwand, da das Substrat sehr flüssig ist. „Wir bekommen auch einen höheren Erlös, weil die Gülle in der Substratklasse 2 eingeordnet ist“, berichtet Metzler. Das bedeutet: Die Strommenge, die rechnerisch aus der Gülle produziert wurde, wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2012) seit Anfang 2012 mit 8 ct/kWh vergütet.


Den Erlös bekommen die Landwirte jedoch nicht direkt, sondern die Abnehmer des Biomethans, die BHKW betreiben und damit die EEG-Vergütung erhalten. Der Gaspreis ist Verhandlungssache zwischen den Landwirten und den Abnehmern. Zur Orientierung dienen die Einspeisevergütung des EEG, aber auch der allgemeine Biomethanpreis am Markt.


So haben sie sich mit den Gasabnehmern geeinigt, den Aufschlag für die Güllevergärung zu teilen. „Damit sind unsere Mehrkosten für die Gülle gedeckt“, rechnet Metzler vor. Bei der Vermarktung über einen Biomethanhändler wäre diese individuelle Vereinbarung kaum möglich gewesen – noch ein Vorteil für diese Art der Vermarktung.


Allerdings gibt es auch das Risiko, dass der Gasabnehmer pleitegeht. Tatsächlich musste schon ein Abnehmer der Hahnennester Insolvenz anmelden. Zum Glück hatten die Parteien vereinbart, dass die EEG-Vergütung des Abnehmers in diesem Fall an die Landwirte abzutreten ist. Dadurch hat sich der Verlust in Grenzen gehalten. „Aber das hat uns gezeigt, dass ich die Biomethan-Abnehmer vorher genau prüfen lassen muss, ob sie auch liquide sind“, betont Metzler. Das bedeutet zwar weiteren Aufwand, mindert aber das finanzielle Risiko.


Vor allem KWK-Nutzung:

Zurzeit wird das Gas ja vor allem zur Kraft-Wärme-Kopplung vermarktet. Damit liegen die Hahnennester voll im Trend, denn deutschlandweit wird das Gas dafür überwiegend verwendet (siehe Kasten links).


Eine weitere Möglichkeit ist es, das Gas als Ökogas in Brennwertthermen zu verheizen. Vor allem Kunden aus Baden-Württemberg sind daran interessiert, weil sie damit günstig ihre Pflicht nach dem Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) erfüllen können. Die Verwendung von Biomethan zu Heizzwecken in bestehenden Häusern ist allerdings nur in Baden-Württemberg zulässig. Metzler verhandelt dafür jetzt schon mit kleineren Stadtwerken.


Künftig könnte auch eine Verwendung als Kraftstoff interessant werden, vor allem, wenn das Gas aus günstigen Reststoffen wie Strohmist oder Gülle erzeugt wird. „Wir sind jetzt dabei, dafür einen Abnehmer zu suchen“, berichtet Metzler.


Eine Biomethan-Direktvermarktung nach dem Modell Hahnennest ist nur in einer Betriebsgemeinschaft möglich. „Die Vermarktung bindet eine ganze Arbeitskraft. Wenn man dann noch die Biogasanlage mit hoher Auslastung betreiben will, ist das zeitlich gar nicht zu schaffen“, lautet Metzlers Erfahrung. Daher ist in der Biomethangas GmbH ein Angestellter heute ausschließlich für die Gasvermarktung zuständig. Und Senior Georg Rauch hat sich auf die vielen Behördengänge spezialisiert. „Da kommt bei den ganzen Genehmigungsbehörden und anderen Ämtern einiges zusammen. Das spart eine Menge Zeit und Nerven, wenn sich einer komplett um diesen Bereich kümmert“, nennt Metzler den Vorteil.


Inzwischen tritt die Biomethangas Hahnennest als ernst zu nehmender Biomethanhändler am Markt auf. Sie vermarkten auch Gas von anderen landwirtschaftlichen Biomethananlagen. Das Fazit nach eineinhalb Jahren: „Unsere Wertschöpfung ist einfach höher, weil wir die Händlermarge selbst behalten“, berichtet Metzler. Auch fühlen sich die Landwirte für die Zukunft gut aufgestellt, sie können flexibel reagieren und das Gas in verschiedene Richtungen vermarkten. Würden sie nur das Rohgas an einen einzigen Einspeiser abliefern, wäre das nicht so.


Hinrich Neumann

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