Viele Betriebe müssen neue Einkommensquellen erschließen. Doch immer häufiger könnten dadurch Nachabfindungsansprüche der Geschwister ausgelöst werden. Wie Sie diese be-grenzen, erläutert Rechtsanwalt Hubertus Schmitte vom WLV, Münster.
Unter dem Druck schwieriger Märkte und schlechter Preise suchen viele Betriebe nach neuen Einkommensquellen, z.B. im gewerblichen Bereich oder im Bereich der neuen Energie. Doch dabei gibt es ein Problem, an das viele nicht denken: Die Nachabfindung der weichenden Erben. Neue Urteile dehnen die Nachabfindungspflicht des Hofnachfolgers tendenziell weiter aus. Betroffen sind alle Betriebe, die unter die Vorschriften der nordwestdeutschen Höfeordnung fallen (siehe Kasten).
Worum geht es?
Um die landwirtschaftlichen Betriebe im Erbgang zu schützen, billigt die Höfeordnung den weichenden Erben nur eine begrenzte Abfindung zu. Als Ausgleich dafür können sie bis zu 20 Jahre nach der Hofübergabe so genannte Nachabfindungsansprüche geltend machen, wenn der Hoferbe Flächen oder Gebäude verkauft bzw. landwirtschaftsfremd nutzt.
Typischer Fall: Der Hoferbe kann – einige Jahre nach der Betriebsübernahme – Flächen als Bauland verkaufen. Dann muss er nach § 13 der Höfeordnung seine Geschwister an den Erlösen beteiligen. Das gleiche gilt, wenn er Flächen oder Gebäude landwirtschaftsfremd nutzt, z.B. durch Abbau von Bodenschätzen oder die Vermietung von Wohnungen.
Für die Zukunft müssen Sie jedoch damit rechnen, dass weitere Aktivitäten nachabfindungspflichtig werden. Dafür sorgt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.4.2009. Im Urteilsfall hatte ein Landwirt mehrere Flächen für einen Windpark zur Verfügung gestellt. Der größte Teil davon entfiel auf so genannte „Windeinzugsflächen“, die er noch weiter landwirtschaftlich nutzen konnte. Trotzdem muss er die Pachterlöse, die er von den Windpark-Betreibern erhält, mit seinen Geschwistern teilen (top agrar 7/2009, Seite 16).
Neu daran ist, dass eine Nachabfindungspflicht entsteht, obwohl die Windeinzugsfläche noch landwirtschaftlich genutzt wird. Damit wird der § 13 der Höfeordnung deutlich „weiter“ ausgelegt als bisher. Unter Umständen könnten damit demnächst auch andere „Doppelnutzungen“, wie z. B. Photovoltaikanlagen auf Scheunen und Ställen, unter die Nachabfindungspflicht fallen. Der BGH lässt erkennen, dass seiner Ansicht nach letztlich alle Nutzungen, die über die unmittelbare Bodennutzung und die mit dem Boden verbundene Tierhaltung hinaus gehen, unter die Nachabfindungspflicht nach § 13 Höfeordnung fallen. Für die Zukunft besteht deshalb die Gefahr, dass noch weitere, bislang freie Nutzungen unter die Nachabfindungspflicht fallen könnten. Eine solche Entwicklung ist zumindest nicht auszuschließen.
Wie reagieren?
Der Hofnachfolger kann dadurch erheblich in der weiteren betrieblichen Entwicklung eingeschränkt werden. Um dies zu vermeiden, sollten Sie schon bei der Hofübergabe an die Nachabfindung denken und versuchen, die Ansprüche der Geschwister angemessen zu begrenzen. Dazu gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:
Die Nachabfindung wird im Hofübergabevertrag abweichend von der Höfeordnung geregelt – was aber nur mit Zustimmung der weichenden Erben möglich ist.
Der Hofübergeber kann die weichenden Erben auf den Pflichtteil setzen und dadurch ihre Ansprüche begrenzen.
Der Hofübergeber kann den Hof aus der Höfeordnung nehmen und nach den Regeln des BGB-Erbrechts übergeben.
Am besten ist es natürlich, wenn man sich innerhalb der Familie einigt und die weichenden Erben eine geänderte Nachabfindungsregelung mitunterschreiben. Wenn die Geschwister auf den Pflichtteil gesetzt oder dadurch „ausgebootet“ werden, dass der Betrieb aus der Höfeordnung genommen wird, geht dies immer zu Lasten des Familienfriedens. Die weichenden Erben sollen jedoch wissen, dass es diese Möglichkeiten gibt. Dann sind sie oft eher bereit, einer moderaten Einschränkung ihrer Nachabfindung im Übergabevertrag zuzustimmen.
Übrigens: Wenn ein Betrieb bereits übergeben ist, geht nichts mehr ohne Zustimmung der weichenden Erben. Eine nachträgliche Begrenzung der Nachabfindung ist nur noch im Einvernehmen mit den Geschwistern möglich. n