sagte mein Schwiegervater einmal auf die Frage, wie es ihm als Stadtrat unserer großen Kreisstadt ergeht, nachdem er vor der Eingemeindung lange Gemeinderat unserer kleinen Stadtrandgemeinde war. Er meinte damit, dass auf dem Dorf jeder jeden kennt. Da überlegt sich die Verwaltung genau, wem sie welchen Bescheid zumutet.
In der anonymen großen Stadt werden dagegen ungeniert unangenehme Bescheide erlassen. Der Frust der Bürger hat dann keinen konkreten Adressaten, bei dem er sich beschweren kann. Der Protest richtet sich dann nur ganz allgemein gegen „die da oben“. Bei großen Firmen ist das übrigens nicht anders.
Davon kann der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ein Lied singen. Dieser hatte ein Positionspapier zur Lösung der von ihm vorhergesagten Marktkrise herausgegeben. Das verantwortliche Kreisteam hatte nun die zuständige Milcheinkäuferin der ortsansässigen Molkerei eines internationalen Großkonzerns um einen zehnminütigen Termin für die Übergabe dieses Papieres gebeten und wollte bei dieser Gelegenheit ein Foto für die Zeitung machen.
Als die Dame „Foto“ hörte, war sie plötzlich sehr beschäftigt und musste sich erst besprechen. Das dauerte den ganzen Tag. Vermutlich führte sie Ferngespräche mit München oder Paris. Am Ende der Besprechung hatte die gute Frau dann „gar keine Zeit“ mehr. Nicht in dieser Woche und schon gar nicht in der darauf folgenden.
Kein Wunder, wenn sie so lange telefonieren muss! Oder hat sich mein Schwiegervater getäuscht? Schämt sich da doch noch wer? Schade um die verpasste Chance für diesen Konzern. Seinen Namen würde ich gerne verraten, aber das darf ich natürlich nicht.
Die Leute vom BDM haben den Text dann einfach an die Molkerei gemailt und sich gesagt: Wenn’s mit Pressefoto nicht geht, DANNOHNE .Herzlichst
Ihr Hans Neumayer