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das Aktuelle Interview - „Mit der Degression fahren die ­ostdeutschen Betriebe besser!“

Lesezeit: 5 Minuten

Weil die größenabhängige Kürzung der Direktzahlungen für ostdeutsche Landwirte ein rotes Tuch ist, soll es für die ersten Hektare einen Zuschlag auf die Basisprämie geben. Dr. Gunnar Breustedt hat nachgerechnet.


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Begrenzung der Prämien für Großbetriebe oder Zuschläge für die ersten Hektare. Am Ende wird doch in beiden Fällen von groß zu klein umverteilt, oder?


Breustedt: Das ist doch heute schon so. Betrieben mit mehr als 5 000 € Flächenprämie werden über die Modulation oberhalb dieses Freibetrages 10 % abgezogen, bei mehr als 300 000 € sogar 14 %. Eine maßvolle Umverteilung stellt also keine Verschlechterung gegenüber dem Status quo dar. Die vorliegenden Vorschläge unterscheiden sich allerdings erheblich in ihren Umverteilungswirkungen zwischen den Betrieben und den Bundesländern. Dabei geht es um hunderte Millionen Euro.


Frau Aigner will für die ersten 15 Hektar 50 €/ha auf die Basisprämie geben und für weitere 15 Hektar 30 €/ha. Die grünen Agrarminister wollen sogar 195 € je Hektar für die ersten 46 ha draufsatteln. Wie wirkt sich das auf die Prämienverteilung aus?


Breustedt: Der Vorschlag von Frau Aigner würde die ostdeutschen Landwirte über 60 Mio. € im Jahr kosten. Nach dem Vorschlag der Grünen würden die Landwirte in den neuen Bundesländern sogar 355 Mio. € verlieren. Entsprechend kämen im Westen mehr Direktzahlungen an. Davon profitieren vor allem bayerische Landwirte. Sie gewinnen beim Aigner-Konzept über 35 Mio. € im Jahr, beim Vorschlag der Grünen sogar mehr als 180 Mio. €. Erst mit großem Abstand folgen Baden- Württemberg mit über 60 Mio. € und NRW mit über 55 Mio. € zusätzlich.


Wie wirken sich die Zuschläge für die ersten Hektare auf die Basisprämie aus?


Breustedt: Weil insgesamt nicht mehr Geld zur Verfügung steht, wird die Basisprämie umso kleiner, je größer die Zuschläge für die ersten Hektare ausfallen. Beim Aigner-Vorschlag würde die Basisprämie für jeden ha um 15 € sinken, bei den Grünen sogar um rund 90 €. Das frisst die Zuschläge für die ersten Hektare zum Teil wieder auf!


Deutschland könnte auch die Degression einführen und die Direktzahlungen oberhalb von 150 000 € je Betrieb um 5 % kürzen. Wäre das für die Betriebe in Ostdeutschland besser?


Breustedt: Mit einer so ausgestalteten Degression verlieren die ostdeutschen Landwirte nur ca. 15 Mio. €. Mir ist nicht klar, warum diese für die ostdeutschen Betriebe so positive Alternative gar nicht diskutiert wird. Es scheint in der Politik einen sehr großen Drang zur Umverteilung zu geben. Markt- und wettbewerbsorientierte Landwirtschaft ist wohl wenig beliebt.


Führt eine größenabhängige Prämiengestaltung zu Wettbewerbsverzerrungen?


Breustedt: Die Gefahr besteht. Früher hat die Agrarpolitik die Entscheidungen der Landwirte über hohe Interventionspreise oder gekoppelte Direktzahlungen beeinflusst. Die waren für alle Betriebe gleich – bis auf einige Ausnahmen für kleinere Betriebe. Mit den jetzigen Vorschlägen würden Wachstumschancen nicht mehr vor allem vom Geschick der Betriebsleiter und dem Markt, sondern von der Politik bestimmt. Je höher die Zusatzprämie ausfällt, desto ausgeprägter ist dieser Effekt. Wenn es für die ersten 46 ha 195 €/ha mehr Prämie gibt, kann ein 35 ha-Betrieb mit Zupacht von 10 ha einen höheren Gewinn erzielen als ein 47 ha-Betrieb für die Zupacht in gleichem Umfang. Der kleinere Betrieb könnte dann eine höhere Pacht bieten. Vor allem in kleinstrukturierten Regionen ist das kein fairer Wettbewerb um Land. Bei Bäckern und Schlachtern fordert auch niemand, kleine Betriebe zusätzlich zu fördern, um deren Kostennachteile zu verringern.


Betroffene Betriebe denken über eine Betriebsteilung nach. Lohnt sich das?


Breustedt: Eine Betriebsteilung innerhalb der Familie kann sich unter Umständen lohnen. Die zusätzlichen Kosten für eine eigenständige Buchhaltung, Rechnungs- und Antragsstellung, Berufsgenossenschaft usw. liegen bei 1 000 bis 2 000 €. Ob weitere Kosten für Kranken- und Alterssicherung anfallen, hängt vom Betriebs­leiter ab. Wenn er überwiegend außerhalb der Landwirtschaft arbeitet und darüber versichert ist, fallen z. B. keine Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse an. Bei einem hohen Zuschlag, wie ihn die Grünen fordern, würde sich die Betriebsteilung sehr oft lohnen, beim Aigner-Vorschlag jedoch nicht. Allerdings muss eine Betriebsteilung in der Familie auch „gelebt“ werden, um vor dem Finanzamt Bestand zu haben. Ohne Beratung sollte man diesen Weg nicht gehen.


Wie hoch darf der Zuschlag ausfallen, um Wettbewerbsverzerrungen und Betriebsteilungen zu verhindern?


Breustedt: Ein Zuschlag für die ersten Hektare von max. 1 500 € je Betrieb dürfte kaum zu Betriebsteilungen führen. Wenn der Zuschlag unter 50 €/ha liegt und mit zunehmender Fläche auch noch sinkt, sehe ich keine großen Verzerrungen beim Wettbewerb um das Pachtland. Frau Aigners gestaffelten Zuschlag halte ich diesbezüglich für vertretbar. Je weiter man sich ­allerdings davon entfernt, umso größer werden die Probleme. Wenn man kleine Betriebe mit bis zu 9 000 € im Jahr zusätzlich fördert, wie es die ­Grünen wollen, lohnt es sich für die Landwirte, viel Aufwand und Energie in die Prämienoptimierung zu ­investieren.


Wie lassen sich solche negativen Nebenwirkungen vermeiden?


Breustedt: Man könnte die mittleren Betriebsgrößen weniger zur Finanzierung der Zuschläge für die ersten Hektare heranziehen als größere Betriebe mit z. B. mehr als 100 000 € Basisprämie. Das wäre dann eine Kombination aus Zuschlags- und Degressionsmodell. Das geht aber nach aktueller Brüsseler Beschlusslage nicht. Die EU-Staaten müssen sich für das eine oder andere Modell entscheiden.


Ludger Schulze Pals


Dr. Gunnar Breustedt ist Agrarökonom an der Universität Kiel.

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