Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Der lange Weg aus der Krise

Lesezeit: 6 Minuten

Milchviehhalter, die in den letzten Jahren groß investiert haben, trifft das Preistief besonders hart. Umfinanzieren, Flächen verkaufen oder aufgeben – was ist die Lösung?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Nerven liegen blank. Hätte er 2013 doch bloß nicht noch in den Neubau und zwei Melkroboter investiert. Das hat Peter Maier (alle Namen geändert) rund 1,4 Mio. € brutto gekostet. Wenn in ein paar Jahren die Betriebsübergabe ansteht, wird er den Hof samt eines riesigen Schuldenberges übergeben müssen – wenn er ihn bis dahin überhaupt noch halten kann. Dabei wollte er doch genau das Gegenteil erreichen: den Betrieb für seinen Sohn Lars zukunftsfest machen.


Die Fremdkapitalbelastung ist enorm.Zum 1.1.2013 nahm der Milchviehhalter einen Baukredit über 700000 € mit einer Laufzeit von 20 Jahren, zwei tilgungsfreien Jahren und einem Zinssatz von 3% auf. Zum 1.1.2014 gewährte ihm die Bank ein weiteres Darlehen für die Technik über 250000 € (Laufzeit zehn Jahre, ein tilgungsfreies Jahr, Zinssatz 2,5%). Der Kapitaldienst beläuft sich zurzeit auf rund 82200 €/Jahr. Doch mit 70 ha eigenem Grünland und gut durchschnittlichen Leistungen war der Landwirt sicher, den Schritt von 60 auf 140 Kühe wagen zu können.


Eng kalkuliert:

Bei einer Milchleistung von 8500 kg hatte er mit einem Deckungsbeitrag von rund 1450 € pro Kuh vor Grundfutterkosten kalkuliert. Zusammen mit den Einnahmen aus der Färsenaufzucht, den Prämien und der Gasölbeihilfe sollten die Einnahmen nach der Investition die Ausgaben plus Kapitaldienst um ca. 20600 € übersteigen, so seine Rechnung.


Eine enge Kalkulation: Bei einer gesamten Jahresmilchleistung von 1190000 kg musste der Milchpreis nur um 1,7 Cent/kg niedriger als die kalkulierten 32 Cent netto liegen und schon rutschte Meier ins Minus (siehe Übersicht 1). Aber wer rechnete Anfang 2013 damit? Schließlich prognostizierten alle Experten beste Wettbewerbschancen bei steigender weltweiter Nachfrage.


Die Katastrophe:

Doch es kam anders. Schon bei Baubeginn gab es Probleme mit der Tragfähigkeit des Bodens. Hinzu kamen die einen oder anderen Zusatzkosten, an die der Milchviehhalter nicht gedacht hatte. Alles in allem gab er 70000 € mehr als geplant aus. Damit steht sein Baukonto noch immer dick im Minus. Hinzu kamen Probleme bei der Aufstockung. Die Milchleistung ist auf 8000 kg abgerutscht, im Stall stehen bisher nur 125 Kühe.


Bei Tilgungsbeginn fehlten dem Landwirt so schon im letzten Wirtschaftsjahr 50000 €. Damit ist sein Kreditrahmen auf dem Kontokorrentkonto bereits ausgereizt.


Und bei dem katastrophalen Milchpreis macht der Landwirt täglich weiter Miese. Momentan erhält er gerade einmal 23 Cent/kg (netto). Führt er mit den aktuellen Zahlen die gleiche Liquiditätsrechnung wie bei der Investitionsplanung durch, fehlen ihm im Laufe des gerade begonnenen Wirtschaftsjahres 2016/17 rund 105000 €.


Außerdem muss er endlich zusehen, dass er den Stall voll bekommt. Dafür benötigt der Milchviehhalter nochmals rund 25000 €. Zusammen mit den 70000 €, die das Baukonto im Minus ist sowie den 50000 € Minus auf dem Kontokorrentkonto, fehlen dem Landwirt also 250000 €, die er zusätzlich zu den laufenden Krediten an Fremdkapital benötigt. Die Bank hat bereits signalisiert, dass sie die Tilgung der beiden Darlehen aussetzen würde. In Maiers Situation sind die 55000 € gesparte Tilgung allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bereits getilgt hat er erst ca. 73000 €, sodass immer noch rund 877000 € ausstehen.


Ab zur Bank.

Um ein weiteres ernstes Gespräch mit der Bank kommt der Milchviehhalter also nicht mehr herum. Denn dreht diese den Geldhahn zu, wäre für Maier alles verloren. Sein Vorteil: Auch die Bank hat kein Interesse, seinen Betrieb vor die Wand fahren zu lassen. Die bereits aufgelaufenen Verbindlichkeiten könnte sie bei Weitem nicht aus der Zwangsversteigerung der Grünlandflächen ablösen. Und ob sie den Stall in der abgelegenen Region und dieser Marktlage an den Mann kriegen würde, ist auch fraglich.


Natürlich hat sich das Kreditinstitut zusätzlich auch die Hofstelle samt Wohn- und Altenteilerhaus abtreten lassen. Trotzdem war ein von der Bank einzuleitender Komplettverkauf bisher nie eine Option in den Gesprächen des Landwirts mit seiner Hausbank.


Tatsächlich ist die Bank auch diesmal bereit, Maier die nötigen 250000 € mithilfe eines Überbrückungskredits zu gewähren. Schnell wird allerdings deutlich, dass selbst ein Kredit über zehn Jahre mit einem tilgungsfreien Anfangsjahr nicht ausreicht. Maier könnte den Kapitaldienst auch in „normalen“ Milchjahren und vollem Stall bei der geplanten Milchleistung nicht erbringen. Rund 10000 € würden jährlich fehlen, wenn sich der Kapitaldienst von 82000 € um 32100 € auf knapp 114000 € erhöht (siehe Übersicht 3).


Der Kompromiss:

Da der Betrieb immer mindestens durchschnittliche Leistungen erbracht hat und auch die Bank das Auf und Ab der Agrarmärkte kennt – wenn auch nicht in dieser Heftigkeit – ist sie überzeugt, dass der Betrieb langfristig wieder auf die Beine kommt. Sie gewährt dem Landwirt ein variables Darlehen über 250000 €, das zunächst auf eine Laufzeit von 20 Jahren, einen Zinssatz von 4% und ein tilgungsfreies Jahr ausgelegt ist.


Unter „normalen“ Marktverhältnissen wird der Betrieb so in den nächsten zwanzig Jahren zumindest ein in etwa ausgeglichenes Ergebnis erzielen (siehe Übersicht 3).


Auch wenn momentan noch nicht abzusehen ist, wann sich die Preise wieder erholen, kalkulieren die Bankberater dabei mit einem Erlös von 32 Cent je kg netto für alle folgenden Wirtschaftsjahre. So viel hat Maier schließlich im langjährigen Durchschnitt von seiner Molkerei bekommen.


Am Tropf der Bank.

Doch eins ist klar: Die nächsten Jahre werden damit für Maier zum Drahtseilakt. Die Liquidität ist weiterhin äußerst angespannt. Schon eine größere, ungeplante Reparatur z.B. des Schleppers und der Betrieb landet womöglich schon wieder in den roten Zahlen. Geld zurücklegen für schlechte Zeiten oder außergewöhnliche Ausgaben – das ist nicht drin. Für Hochpreisphasen hat sich die Bank bereits die zusätzlichen Milcherlöse abtreten lassen. Der Landwirt hängt damit weiter am Tropf der Bank.


Gelingen kann der Balanceakt nur, wenn Maier zum einen den Stall möglichst bald auslastet und zum anderen mindestens sein altes Leistungsniveau schnellstens wieder erreicht, besser noch seine Leistung weiter steigert. So wären durchaus 200 bis 300 € Deckungsbeitrag pro Kuh und Jahr und damit 28000 bis 42000 € pro Jahr mehr drin: ein Polster, mit dem es sich sehr viel ruhiger schlafen ließe. Daher und auch um der Bank zu zeigen, dass er es „ernst meint“, vereinbart er für die Zukunft eine intensive Bestandsbetreuung durch einen externen Berater. -jg-

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.