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„Die Freiflächenanlage wird für uns zur Steuerbombe“

Lesezeit: 6 Minuten

Wer Flächen an Betreiber von Freiflächenanlagen verpachtet, kann bei einer Hofübergabe eine böse Überraschung erleben. Das musste auch Hubert Meyer aus Bayern feststellen.


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Als sich Hubert Meyer aus Adelschlag bei Ingolstadt in Bayern Anfang August bei uns in der Redaktion meldet, schwankt er zwischen Resignation und Wut. Damit es anderen nicht wie ihm ergeht, will er aufmerksam machen, andere Landwirte warnen. Denn der 60-Jährige ist vor Jahrzehnten unbewusst in eine Steuerfalle getappt. Erst als er seinen Betrieb an seinen Sohn übergeben wollte, wurde ihm das ganze Ausmaß deutlich.


Sein Problem: Vor 15 Jahren verpachtete der Schweinehalter 10 ha an einen Solarparkbetreiber. Meyer stand damals zu 100% hinter der Entscheidung, wollte die Energiewende unterstützen. Was er aber nicht ahnte: Bei einer Hofübergabe fallen für verpachtete Grundstücke, auf denen Freiflächenanlagen grünen Strom erzeugen, Steuern an. In seinem Fall mindestens 90000 €. Für seinen Betrieb (900 Mastplätze, 125 ha) zu viel. Um die Steuerschuld zu begleichen, müsste sein Junior Andreas Flächen verkaufen.


Um zu verstehen, wie solch horrende Beträge zustande kommen, muss man tief ins Steuerrecht eintauchen. „Wer einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb erbt, zahlt in der Regel kaum oder keine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, sondern profitiert von zahlreichen Verschonungen“, erklärt Meyers Steuerberater Anton Filser von der Ecovis in Ingolstadt. Das gelte aber nur für das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen. Und was dazugehört und was nicht, behandelt das Finanzamt offensichtlich sehr unterschiedlich (s. Heft+ unten rechts). So gelten Freiflächenanlagen zwar ertragsteuerlich als landwirtschaftliches Betriebsvermögen. Bei einer Hofübergabe kommt es aber auf den Wortlaut im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz an. Und demnach gehören verpachtete Flächen für die Solarstromproduktion zum Grundvermögen, was nicht „verschont“ wird.


Es könnte noch schlimmer kommen


Derzeit ist noch nicht sicher, welchen Bewertungsschlüssel die Finanzverwaltung heranzieht. „Das wird noch diskutiert“, so Filser. Im schlimmsten Falle setzt die Behörde 50% des örtlichen Bodenrichtwertes für Gewerbegebiete an. Bei einer 10 ha großen Fläche summiert sich der Wert dann schnell auf einen zweistelligen Millionenbetrag, den sein Sohn versteuern müsste. Im weniger dramatischen Szenario kommt der Verkehrswert für Ackerflächen zum Tragen. Aber auch das wäre für die Meyers ein finanzielles Fiasko. Zwar steht seinem Sohn ein Freibetrag von 400000 € zu, den das Finanzamt vom gesamten Wert abziehen muss. Und nur der verbleibende Betrag unterliegt der Steuer. „Weil aber der Freibetrag in seinem Fall um ein Vielfaches überschritten wird, müsste sein Sohn vermutlich immer noch rund 90000 € an das Finanzamt überweisen“, schätzt Filser.


Was Meyer nicht versteht: Weshalb die wenigen Module auf der Fläche einen solchen Unterschied im Steuerrecht ausmachen können. Auf der nichtbebauten und weitaus größeren Fläche zwischen den Modulen wächst Gras, dass er im Auftrag des Betreibers mäht und als Heu verkauft. „Wir produzieren nicht nur grünen Strom, wir betreiben auch Landwirtschaft“, ärgert er sich. Sogar Schafe hätten eine Zeit lang zwischen den Modulen geweidet. Wie das Gesetz sich so weit von der Realität entfernen könne, ist ihm ein Rätsel.


Rückendeckung bekommt er indirekt auch durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtes in Bayern. Dort waren Richter der Ansicht: Können Schafe ungestört unter den Modulen einer Freiflächensolaranlage weiden, ist diese Fläche prämienfähig, ggf. auch bei anderer landwirtschaftlicher Nutzung (Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern, Az.: 6 BV 19.98).


Filsers Kollege, Ernst Gossert von der Ecovis aus München, kann Meyers Ärger nachvollziehen und hat ebenfalls Bedenken, ob die Finanzverwaltung mit Ihrer Rechtsauslegung richtig liegt. Er verweist gleich auf mehrere Urteile des obersten Finanzgerichtes in Deutschland, dem Bundesfinanzhof. So habe dieser Beispielsweise entschieden: Weil eine Kiesgrube nach dem Ausbaggern zugeschüttet und wieder als landwirtschaftliche Fläche genutzt werden kann, liegt keine Umnutzung vor. Das Grundstück bleibt somit im Betriebsvermögen. Ähnliches gelte auch für den Braunkohletagebau.


Gute Chancen vor Gericht, aber...


Vor diesem Hintergrund schätzt er die Erfolgsaussichten vor dem Kadi relativ gut ein. Allerdings ist ein Gerichtsverfahren teuer, und bis Meyer ein Urteil in den Händen halten könnte, vergehen Jahre. Das Risiko ist ihm zu hoch. Er hofft stattdessen auf ein Einlenken der Finanzverwaltung. „Dazu müsste aber zunächst die Regierung den Gesetzestext nachschärfen und das Bundesfinanzministerium ein entsprechendes Signal an die Finanzämter vor Ort senden“, erklärt Gossert das Verfahren.


Solange der Gesetzgeber nicht in Vorleistung geht, bleiben Meyer nur drei Auswege, die allerdings alle ihre Tücken haben:


  • Er kauft sich in die Betreibergesellschaft ein und überträgt seine Fläche in das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschaft. „Dazu reicht bereits eine Beteiligung von 1% an dem Gesamtvermögen der Gesellschaft aus“, erklärt Gossert die Voraussetzungen für dieses Modell. Dann bleibt das Grundstück bei der Hofübergabe außen vor.14


Für Meyer ist das aber keine echte Option und vielfach haben die Betreibergesellschaften auch kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit ihren Verpächtern.


  • Meyer überträgt „scheibchenweise“ die Fläche an seinen Sohn. Immer nur so viel, dass der Freibetrag von 400000 € nicht überschritten wird. Den Freibetrag darf ein Erbe aber nur alle zehn Jahre einmal nutzen. Die Zeit haben die Meyers nicht. Und stirbt der Senior unerwartet, hat sein Nachfolger keine Chance mehr, sich aus der Steuerfalle zu befreien.16


  • Meyer gründet mit seinem Sohn eine GbR, „löst“ das Grundstück aus dem Betrieb heraus und überführt es in das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschaft. Bei einer Hofübergabe könnte er dann die Fläche für sich behalten. Allerdings bleibt auch in diesem Fall das Risiko durch einen plötzlichen Tod.17


Notlösung: Anlagen abbauen


Meyer hat sich mittlerweile für einen vierten Weg entschieden. In fünf Jahren, wenn er 65 Jahre alt ist, läuft der Pachtvertrag aus. Eigentlich will er diesen verlängern, aber der Gesetzgeber lasse ihm keine Wahl. Nur wenn der Betreiber seine Module samt Aufständerung und Fundamente wieder entferne, könne er die Hofübergabe rechtzeitig und zu vertretbaren Kosten auf den Weg bringen. „Aber kann unsere Regierung das wollen? Jetzt wo deutlich wird, wie sehr wir eine Energiewende benötigen und es auf jede Anlage ankommt“, fragt er nachdenklich.


top agrar hat alle im Bundestag vertretenden Parteien angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. Die ausführlichen Antworten finden Sie auf unserer Internetseite unter: www.topagrar.com/freiflaechenanlagen2021


diethard.rolink@topagrar.com

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