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„Erhebliches Vollzugsproblem“

Lesezeit: 4 Minuten

Die Länder sollten die erwünschte Agrarstruktur kreativer definieren als bisher. Außerdem sollten sie Vollzugsprobleme bei der Landpacht beheben, findet Rechtsanwalt John Booth aus Schwerin.


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Wer per Share Deal Flächen kauft, kommt nicht ins Grundbuch, sondern erwirbt einen Gesellschaftsanteil. Gibt es einen rechtlich sicheren Weg, die Share Deals zu kontrollieren?


Booth: Kontrollmechanismen wie z.B. eine Anzeige- und Genehmigungspflicht ließen sich technisch ohne Weiteres in einem Gesetz umsetzen. Zuständig könnte die Grundstückverkehrsgenehmigungsbehörde sein. Umstritten ist aber, ob die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Bodenrecht ausreicht, um die Kontrolle von Übertragungen von Geschäftsanteilen im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Grundstücken festzuschreiben.


Sehr problematisch sehe ich die praktische Umsetzung, denn ein Share Deal kann nicht schwebend unwirksam sein. Schließlich kauft man hier nicht „nur“ eine Fläche, sondern einen Teil eines Unternehmens, in dem täglich wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen sind. Es braucht also stichtagsgenaue und zügige Übertragungsregelungen. Wird nachträglich zeitversetzt die Genehmigung versagt, ist vieles nicht rückgängig zu machen, wenn die Anteile wieder zu den Altgesellschaftern rückübertragen werden müssten.


Was halten Sie von Höchstbetriebsgrößen so wie im 2016 gescheiterten niedersächsischen Ansatz, der einen weiteren Zukauf ab einer Betriebsgröße von 250 bis 300 ha untersagte?


Booth: Von solchen Regelungen halte ich nichts, da sie unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten kaum umsetzbar erscheinen. Es ist unserer Wirtschaftsordnung fremd, pauschal die Anhäufung von Wirtschaftsgütern zu begrenzen. Denkbar wären hier Begrenzungen durch das Wettbewerbs- oder Kartellrecht. Ob ein Bundesland eine Art eigenes landwirtschaftliches Kartell- und Wettbewerbsrecht verfassungskonform beschließen kann, ist aber zu bezweifeln. Dazu kommt: Die Flächengröße ist die falsche Bezugsgröße. Je nach Bodengüte am Standort können 250 ha für den Landwirt auskömmlich sein, oder auch nicht. Wenn überhaupt, sollte man hier die Ertragskraft als Bezugsgröße wählen.


Nichtlandwirte erwerben in einigen Regionen viel Fläche, weil schlicht kein Landwirt mitbieten kann. Wie können die Länder hier eingreifen?


Booth: Erwirbt ein bisheriger Nichtlandwirt Land oder einen ganzen Betrieb, um selbst zu wirtschaften, ist das erlaubt. Jedem steht frei, unternehmerisch als Landwirt tätig zu sein.


Kauft ein Nichtlandwirt Flächen zur Kapitalanlage und verpachtet sie, dürfen die Behörden eingreifen, wenn eine Gefahr für die Agrarstruktur besteht. Die Krux dabei: Die Agrarstruktur gilt nicht als gefährdet, wenn kein Landwirt in die Kaufverträge einsteigen will oder kann. Hier stoßen wir an ein Kernproblem der derzeitigen Rechtslage. Es fehlt eine genaue Definition des Gesetzgebers, was die schützenswerte Agrarstruktur eigentlich sein soll. Für Gerichte ist es oft schwer festzulegen, wann ein Grundstücksverkauf genau zu untersagen ist. Die unterschiedlichen Meinungen zur wünschenswerten Agrarstruktur könnte man aber auffangen, indem der Gesetzgeber zumindest Fallbeispiele definiert, in denen auf jeden Fall eine Gefährdung der Agrarstruktur vorliegt.


Könnte das Landpachtverkehrsgesetz auf dem Bodenmarkt für Entspannung sorgen?


Booth: Das bereits bestehende Landpachtverkehrsgesetz könnte ein sehr scharfes Schwert sein – es hat aber ein erhebliches Vollzugsproblem. Die derzeitige Pflicht, Landpachtverträge anzuzeigen, beachtet nicht jeder. Denn anders als im Grundstückverkehrsrecht bedarf es bei dem Abschluss eines Landpachtvertrages keiner Genehmigung. Der Landpachtvertrag ist von Anfang an auch ohne Anzeige wirksam. Schon heute muss die Behörde überprüfen, ob ein Landpachtvertrag zu beanstanden, zu ändern oder gar aufzuheben ist. Ein Beanstandungsgrund könnte auch eine überhöhte Pacht sein. Der Pachtzins muss in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stehen, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist. Ich habe allerdings in meiner gesamten Rechtspraxis noch nie erlebt, dass ein angezeigter Landpachtvertrag – egal wie hoch die vereinbarte Pacht war – seitens einer Behörde beanstandet worden wäre. Die Genehmigungsbehörden scheinen nicht gewillt oder bereit zu sein, zum Beispiel die Pachtzinskontrolle tatsächlich durchzuführen. Dass strukturelle Verbesserungen möglich sind, zeigt das Beispiel des Landes Baden-Württemberg. Es wäre schön, wenn die Länder die Themen rechtlich lösen, die ohne großen Aufwand und mit großer Akzeptanz geregelt werden können. Für Lenkungsmaßnahmen ist das Ordnungsrecht nicht besonders geeignet.


Gesa Harms

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