Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Nur scharf aufs Geld?

Lesezeit: 5 Minuten

Ja, es gibt sie: Tierschutzorganisationen, die die Zukunft der Tierhaltung mitgestalten wollen. Andere sind nur geschäftstüchtig oder gar kriminell. top agrar fühlt ihnen auf den Zahn.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Eine viertel Milliarde Euro – das spenden die Deutschen Jahr für Jahr an Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, schätzen Branchenkenner. Bilder von leidenden Tieren funktionieren prächtig, wenn es darum geht, Herz und Geldbeutel der Menschen zu öffnen. Schon der verurteilte Spenden-Betrüger Wolfgang Ullrich, der sich als Vorsitzender des Deutschen Tierhilfswerks dutzende Millionen auf sein Privatkonto überwiesen hatte und dafür acht Jahre hinter Gittern saß, wusste: „Tiere sind für die Deutschen interessanter als Kinder.“


Da verwundert es nicht, dass immer mehr Tierschützer und Tierrechtler ein Stück von dem Kuchen abbekommen wollen. Viele davon machen auch gegen Landwirte Stimmung. Ging man früher mit Bildern von Kaninchen oder Bären auf Spenderfang, so setzt man zunehmend auf Kühe und Schweine. Ebenso klar ist, dass Kriminelle bei einem solchen Geldsegen nicht tatenlos hintanstehen. Stefan Loipfinger, Autor des Buches „Die Spendenmafia“, sagt dazu: „Gerade im Tierschutz passiert mit Abstand der meiste Missbrauch von Spendengeld.“


Klagen gegen Ställe:

Derweil haben immer mehr Tierschützer handfesten Einfluss auf Politik und Gesetzgebung. Viele zweifelhafte Organisationen gehen im Berliner Regierungsviertel ein und aus. Gleichzeitig führen einige Bundesländer das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen ein. Wer künftig einen Stall in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, im Saarland oder in Schleswig- Holstein bauen will, könnte mit Klagen der Tierschützer konfrontiert werden. Auch in Niedersachsen ist die Einführung im Gespräch.


Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Remmel hat die bislang längste Liste klageberechtigter Organisationen veröffentlicht. Dabei sticht ins Auge, dass nicht alle davon die gesetzlichen Voraussetzungen für das Klagerecht erfüllen (siehe Tabelle und Interview auf Seite 26).


Höchste Zeit, diese einflussreiche Szene in unserem Tierschutz-Check unter die Lupe zu nehmen. In den kommenden Monaten wollen wir klären:


  • Wer hat wie viel Einfluss?
  • Wer hält sich ans Gesetz?
  • Und wer will mit den Landwirten die Tierhaltung weiterentwickeln?


Zu unterscheiden ist dabei zwischen Tierschützern und Tierrechtlern. Auf dem Papier ist der Unterschied schnell erklärt: Tierschützer machen sich für höhere Standards in der Tierhaltung stark. Sie mischen sich aktiv in die Nutztierhaltung ein, wie es z.B. der Deutsche Tierschutzbund mit seinem Label für Fleisch tut. Tierrechtler dagegen glauben, dass Tiere dieselben Rechte wie Menschen haben und lehnen die Nutztierhaltung daher grundsätzlich ab.


In der Praxis machen sich die Tierrechtler damit das Leben leicht. Sie werden nicht daran gemessen, wie viel Spendengeld sie in konkrete Tierschutz-Projekte wie z.B. den Unterhalt eines Tierheims stecken. Ihr Ziel ist die Bekehrung aller Menschen zum veganen Leben. Sie können daher getrost ihr komplettes Budget in Werbeaktionen investieren, ohne dafür Kritik zu ernten.


Aber noch ein weiterer Unterschied zeichnete sich im Lauf unserer Recherche ab: Je radikaler eine Organisation sich den Tierrechten anstelle des Tierschutzes verschreibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in kriminelle Netzwerke verstrickt ist.


Wehrlose Spender bevorzugt.

Eine gängige Masche: Zunächst werben die Organisationen über Drückerkolonnen zahlende Mitglieder an. In den Fußgängerzonen deutscher Städte sprechen sie Passanten aggressiv mit Sprüchen wie diesem an: „Haben Sie gar kein Mitleid mit gequälten Tieren?“ Ein ehemaliges Mitglied einer Drückerbande erzählt: Die Drücker sollen vor allem junge, sozialschwache Menschen ansprechen und den Mitgliedsantrag unterschreiben lassen. Diese würden am wenigsten Gegenwehr leisten. Gelingt dies den Bandenmitgliedern nicht, müssen sie als Konsequenz oft körperliche und seelische Misshandlungen aushalten.


Sie leben meistens zwangsweise in Wohngemeinschaften mit dem Banden- Kopf. Mucken sie auf oder machen zu wenig Umsatz, sind Prügel ein gängiges Mittel. So berichten es ehemalige Mitglieder mehrerer Banden, z.B. Geraldine J., die Focus TV ihre Werbetätigkeit für den „Bund Deutscher Tierfreunde“ beschrieb. In Zeiten des Internets setzen immer mehr Organisationen auch darauf, möglichst viele Leute mittels Skandal-Videos auf ihre Webseite zu locken und dort zum Spenden zu animieren.


Haben die Organisationen erst genügend zahlende Mitglieder und Spenden gesammelt, verschieben sie oft über ein Netzwerk an Partnerfirmen das Geld so häufig von Konto zu Konto, dass dessen Verbleib für niemanden mehr nachvollziehbar ist. Nicht für die Mitglieder oder Spender, und oft auch nicht für den Staatsanwalt. Und am Ende überweisen sich die Organisationschefs üppige Beträge auf das eigene Konto.


Wie Geld verschwindet:

Der erste, dem diese Masche mehrere Jahre Haft einbrachte, war der bereits genannte Wolfgang Ullrich. 2003 wurde er zusammen mit Komplizen in München verurteilt. Er hatte für das Deutsche Tierhilfswerk über Drückerkolonnen Mitglieder geworben. Um die Gelder zu verschieben, hatte er sich ein Netzwerk an Organisationen aufgebaut, zu dem unter anderen das Europäische Tierhilfswerk gehörte. Weniger als 20% der Spenden und Mitgliedsbeiträge waren laut Staatsanwaltschaft tatsächlich in den Tierschutz geflossen. Sie nahm die Ermittlungen gegen Ullrich nur deswegen auf, weil er in Thailand unter anderem als Drogenhändler unangenehm aufgefallen war. Die thailändische Regierung hatte bei der Bundesrepublik angefragt, ob nicht etwas gegen Ullrich vorläge, auf dessen Basis man ihn nach Deutschland ausliefern könne. Ohne diesen Anlass lägen die Machenschaften vielleicht bis heute im Dunkeln.


Es könnte längst Gras über die Geschichte gewachsen sein, wären nicht die Rechtsnachfolger des Deutschen und Europäischen Tierhilfswerks nach wie vor in Deutschland aktiv. Einer davon steht in NRW sogar auf der Liste der Tierschutz-Organisationen mit Verbandsklagerecht.


Aber auch viele weitere deutsche Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen sind mit Ullrichs ehemaligem Netzwerk eng verstrickt. Auch heute gibt es im Dunstkreis vieler Organisationen genauso ausgefeilte Netzwerke, wie sie einst Ullrich zum Geldverschieben nutzte. Ob dort alles mit rechten Dingen zugeht, decken wir in den kommenden Monaten auf. Claus Mayer


top agrar-SerieTierschutz-Check

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.