Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Aus dem Heft

Pauschalierungssatz in Gefahr: Handeln Sie jetzt!

Lesezeit: 5 Minuten

Die Bundesregierung wird voraussichtlich den Pauschalierungssatz Anfang 2022 senken. Für viele Landwirte sind das keine guten Nachrichten und wer seinen Betrieb teilen will, um die neuen Pauschalierungsgrenzen einhalten zu können, muss umdenken.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Unsere Experten


Steuerberater Stefan Heins und Steuerberater Jasper Reiter, wetreu Kiel


Die Ankündigung kommt relativ nüchtern formuliert auf anderthalb Seiten daher. Dabei hat sie eine enorme Sprengkraft: Die Bundesregierung will den Pauschalierungssatz von 10,7% auf 9,6% senken. Möglicherweise schon am 1.1.2022. Das zumindest geht aus einem Entwurf hervor, den das Bundesfinanzministerium an die Fraktionen der CDU/CSU und SPD geschickt hat und top agrar vorliegt. Für Pauschalierer würde damit die Lücke zwischen den Ausgaben (oft 19% MwSt.) und den Einnahmen (9,6% statt 10,7% MwSt.) größer. Oder anders ausgedrückt: Der Pauschalierungsvorteil fällt künftig kleiner aus.


Was steckt hinter der Ankündigung? Bleibt es bei 9,6% oder sind auch andere Werte realistisch? Und wie sollten Landwirte regieren, die darüber nachdenken, ihren Betrieb zu teilen, um die Pauschalierungsgrenze von 600000 € Umsatz einhalten zu können? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.


Hintergrund


Was steckt hinter der Ankündigung?


Antwort: Seit Jahren streiten die Bundesregierung und die EU über zwei Fragen: Wer darf pauschalieren? Und ist der Satz von 10,7% zu hoch? Die Zankerei gipfelte in gleich zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Um die Wogen zu glätten, hat Berlin mit dem Jahressteuergesetz 2020 beschlossen:


  • Betriebe mit einem Nettoumsatz von 600000 €/Kalenderjahr dürfen ab dem 1.1.2022 nicht mehr pauschalieren.
  • Die Bundesregierung wird die Höhe des Pauschalierungssatzes jedes Jahr aufs Neue prüfen und ggf. anpassen.


Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat daher vor ein paar Monaten seine Amtskollegin Julia Klöckner (CDU) gebeten, die durchschnittliche Vorsteuerbelastung für die Jahre 2017 bis 2019 zu berechnen. Ergebnis: anstatt 10,7% müsste der Wert 9,6% betragen. Würde das Ministerium im Übrigen das Jahr 2020 mit einbeziehen, sähe die Rechnung nicht viel besser aus. Denn zeitweise lag der Mehrwertsteuersatz nicht bei 19% sondern 16%. Die Ausgaben der pauschalierenden Landwirte fielen entsprechend geringer aus, bei gleichbleibend hohen Mehrwertsteuereinnahmen (10,7%).


Pauschalierungssatz


Sind die 9,6% in Stein gemeißelt?


Antwort: Das ist nicht sicher. Dagegen sprechen zwei Argumente:


  • Neben der bereits angesprochenen Berechnung des BMEL gibt es noch eine des Bundesrechnungshofes. Dieser kommt zu einem noch niedrigeren Satz. Danach wäre ein Wert von 9,3% angemessen. Allerdings: Die Kalkulation bezieht sich auf die Jahre 2011 bis 2013. Zudem unterscheiden sich die Rechenwege der beiden Methoden, auch wenn das BMEL seine Vorgehensweise nach eigenen Angaben an die des Bundesrechnungshofes angepasst hat.


Hintergrund: Klöckners Mitarbeiter hatten in älteren Kalkulationen bislang auch die Vorsteuer von gewerblichen Lohnunternehmen einfließen lassen (ca. 12%). Damit handelte sich das Ministerium aber Kritik vom Bundesrechnungshof ein, weshalb das BMEL die Lohnunternehmen in seiner jüngsten Analyse gestrichen hat. Ob die neue Herangehensweise des BMEL aber von allen Beteiligten so akzeptiert wird, steht noch nicht fest.


  • Die Berechnungen beziehen sich auf die Jahre 2017, 2018 und 2019. Problem: Der neue Satz könnte bereits ab dem 1.1.2022 gelten. Dann dürfen allerdings Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 600000 €/Kalenderjahr nicht mehr pauschalieren. In den Berechnungen des BMEL sind diese Betriebe aber enthalten. Die Kalkulation ist somit verzerrt. Eigentlich müsste das Landwirtschaftsministerium die umsatzstarken Höfe herausrechnen. Das Ergebnis würde dann nicht mehr so drastisch ausfallen. Ändert die Regierung die Berechnung nicht, ist der verzerrende Effekt erst ab 2025 verschwunden.


Zeithorizont


Wann geht es nun weiter?


Antwort: Mit einer Entscheidung ist vermutlich erst gegen Ende des Jahres zu rechnen. Vor der Bundestagswahl wird kaum eine Partei schlechte Nachrichten verkaufen wollen. Auf die lange Bank kann die neu gewählte Regierung die Entscheidung hingegen nicht schieben. Berlin muss gegenüber Brüssel liefern, damit das Vertragsverletzungsverfahren nicht eskaliert und schnellstmöglich die Kriegsbeile begraben werden können. Um jetzt nicht unter Zeitdruck eine Fehlentscheidung zu treffen, hat die Regierung die EU-Kommission um mehr Zeit gebeten. Ob Brüssel der Bitte nachkommt, stand zu Redaktionsschluss nicht fest (7.6.2021).


Folgen


Was bedeuten die Änderungen für Betriebe, die derzeit über eine Betriebsteilung nachdenken, um die Pauschalierungsgrenze einhalten zu können?


Antwort: Da der Pauschalierungsvorteil ab dem Jahr 2022 kleiner ausfallen könnte, ist möglicherweise für einige Betriebe ein Wechsel in die Regelbesteuerung doch eine Option. Experten rechnen damit, dass Mäster z.B. pro Schwein um rund 1,50 € und Milchviehhalter pro Kuh und Jahr rund 40 € verlieren. Wie drastisch sich das auswirkt, zeigt unser Beispiel, das auf einem tatsächlichen Fall basiert. Der Pauschalierungsvorteil des Betriebs liegt derzeit bei rund 10000 €/Jahr. Würde der Satz auf 9,6% sinken, zahlt er sogar drauf. Lesen Sie dazu die Zusatzinfo „Es fehlen 13500 €“ auf Seite 26.


Vor allem Veredler, denen die niedrigen Preise schlechte Ergebnisse bescheren, sollten sich mit ihrem Steuerberater zusammensetzen und genau abwägen, ob eine Betriebsteilung noch gerechtfertigt ist. Das Gleiche gilt für Landwirte, die in der Vergangenheit stark investiert haben. Denn diese erhalten bei einem Wechsel in die Regelbesteuerung einen Teil der Vorsteuer aus ihren Investitionen zurück. Zudem ist der Aufwand für eine Betriebsteilung nicht zu unterschätzen. Lesen Sie dazu die Zusatzinfo „Betriebsteilung: Aufwand als Nutzen abwägen“ auf S. 27.


Diejenigen, die ihren Betrieb bereits geteilt haben, müssen nun ebenfalls noch einmal genau nachrechnen und möglicherweise das Konstrukt wieder auflösen. ▶


Bedenken Sie aber: Wenn Sie die Teilung aufheben und dadurch gewerblich werden, hat das Konsequenzen. Nur ein paar Beispiele:


  • Sie dürfen nicht mehr pauschalieren – auch wenn Sie weniger als 600000 € Umsatz/Kalenderjahr erwirtschaften.
  • In einigen Bundesländern können Sie Ihren Betrieb nach dem Höferecht vererben. Davon profitieren Sie aber nur, wenn Sie land- und forstwirtschaftliche Einkünfte erzielen. Für Gewerbetreibende gilt hingegen das Bürgerliche Gesetzbuch.
  • Sie erhalten weniger Fördergelder.
  • Sie müssen schärfere Vorschriften beim Bau eines Stalles einhalten, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
  • Sie dürfen Verluste aus einer gewerblichen Tierhaltung nicht mit anderen Einkünften verrechnen.
  • Ihre Schlepper sind nicht von der Kfz-Steuer befreit.


diethard.rolink@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.