Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Aus dem Heft

Pauschalierungsschock sorgt für Verunsicherung

Lesezeit: 9 Minuten

Die neuen Pauschalierungsvorschriften werfen mehr Fragen als Antworten auf. In unserem top agrar-Webinar brachte Dr. Richard Moser Licht ins Dunkel. Hier typische Fragen der Leser und die Antworten darauf.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Landwirte, die mehr als 600000 € Umsatz pro Kalenderjahr erzielen, dürfen ab dem 1.1.2022 nicht mehr pauschalieren. Sie müssen stattdessen in die Regelbesteuerung wechseln. Zwar hat die Regierung damit den neuen Grenzverlauf klar und eindeutig formuliert. Bei den betroffenen Betrieben sorgen die neuen Regeln dennoch für Verunsicherung. Das wurde während des top agrar-Webinares „So retten Sie Ihre Pauschalierung“ mehr als deutlich. 86 Fragen durfte Steuerberater Dr. Richard Moser beantworten. Auf den folgenden Seiten haben wir die wichtigsten Infos aus dem Seminar zusammengetragen.


Bitte beachten Sie:


  • Alle Details zu den neuen Vorschriften können Sie in der top agrar 1/2021 nachlesen (S. 42 bis 49). Dort finden Sie auch Hinweise, worauf Sie achten sollten, wenn Sie Ihren Betrieb teilen wollen. Oder schauen Sie auf unserer Sonderseite vorbei: www.topagrar.com/pauschalierung2021
  • Die Antworten ersetzen keine Steuerberatung. Wenn Sie Ihren Betrieb umstrukturieren möchten, sollten Sie Ihren Steuerberater einschalten.
  • Das Gesetz ist erst vor wenigen Wochen in Kraft getreten und die Finanzverwaltung hat sich zu offenen Fragen bisher nicht geäußert. Behalten Sie daher die weitere Entwicklung im Blick.


Das zählt zum Umsatz


Welche Umsätze werden auf die 600000-€-Grenze angerechnet?


Antwort: Zum Umsatz gehören alle Erlöse aus Ihren Verkäufen und Dienstleistungen. Auch die Umsätze aus dem Verkauf von Maschinen oder anderen Wirtschaftsgütern werden vom Finanzamt berücksichtigt.


Ob Sie pauschalieren dürfen oder in die Regelbesteuerung wechseln müssen, hängt vom Umsatz des vorangegangenen Kalenderjahrs ab. Es zählt der Nettoumsatz (ohne Mehrwertsteuer).


Die meisten steuerfreien Umsätze gehören nicht dazu. Das sind zum Beispiel Erlöse aus dem Verkauf von Ackerland oder Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Nicht steuerbare Umsätze wie Direktzahlungen müssen Sie ebenfalls nicht berücksichtigen.


ITW-Zahlungen


Gehören auch Zahlungen der Initiative Tierwohl, des Vertragsnaturschutzes usw. zum Umsatz?


Antwort: Die Zahlungen der Initiative Tierwohl gehören zum Gesamtumsatz. Die Zuschüsse für den Vertragsnaturschutz müssen Sie wie Direktzahlungen nicht berücksichtigen.


Umsatz hochrechnen


Was gilt, wenn ich erst im Laufe eines Jahres einen Betrieb gründe?


Antwort: Nach unserer Einschätzung müssen Sie Ihren Umsatz auf ein Kalenderjahr „hochrechnen“. Das Ergebnis entscheidet dann darüber, ob Sie pauschalieren dürfen oder nicht.


Stichtag 31.12.


Wie ermittelt das Finanzamt den Umsatz für ein Kalenderjahr, wenn ein Wirtschaftsjahr davon abweicht?


Antwort: Das Umsatzsteuerrecht bezieht sich immer auf das Kalenderjahr. So erfolgt auch der Wechsel zwischen Pauschalierung und Regelbesteuerung immer zum 1. Januar eines Jahres. Das bedeutet: Sie müssen Ihren Umsatz auf jeden Fall für das Kalenderjahr 2021 ermitteln. Es gibt aber ein Problem. Die Buchführung für das aktuelle Wirtschaftsjahr wird erst im Laufe des Frühjahrs 2022 erstellt. Sie wissen somit Ende Dezember 2021 noch nicht, ob Sie in 2022 pauschalieren dürfen oder nicht. Am besten verteilen Sie die Umsätze zum 31.12.2020 sauber auf die Kalenderjahre. Wenn Sie bereits jetzt wissen, dass Sie an die Umsatzsteuergrenze stoßen, empfehlen wir Ihnen: Beginnen Sie frühzeitig mit der Buchführung und sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater.


Rückzahlungen


Was passiert, wenn ich im Nachhinein feststelle, dass der Umsatz im Jahr doch über der 600000-€-Grenze lag?


Antwort: Dann müssen Sie die zu viel kassierte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.


Mehrere Betriebe


Ich habe mehrere Betriebe gegründet. Welcher Umsatz zählt dann?


Antwort: Dann rechnet das Finanzamt die Umsätze der Unternehmen zusammen. Beispiel: Sie betreiben neben der Landwirtschaft ein Lohnunternehmen, eine Solar- und eine Biogasanlage. Dann ist der Gesamtumsatz aller vier Betriebe entscheidend. Sind Sie hingegen als Einzelperson Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes und noch an einer GbR, KG oder ähnliches beteiligt, ist die Sachlage eine andere: Jede Gesellschaft wird als gesondertes Unternehmen separat betrachtet.


Wenn Sie allerdings alleine eine Gesellschaft gründen, ohne einen Partner, nutzt Ihnen das ebenfalls wenig. Dann besteht die Gefahr, dass Ihr Finanzamt Ihren Hof und die Gesellschaft aus umsatzsteuerlicher Sicht als ein Unternehmen betrachtet (Organschaft). Beispiel: Landwirt Max Mustermann ist Milchviehhalter und für seine Biogasanlage hat er eine GmbH & Co. KG gegründet. Da er alleiniger Gesellschafter der GmbH und einziger Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor. Wäre beispielsweise sein Sohn an der GmbH & Co. KG beteiligt, wird die „Organschaft“ vermieden.


Zweite GbR gründen


Kann ich auch eine zweite GbR gründen, an der die gleichen Personen beteiligt sind wie an der ersten? Nur die Gewinne würden wir in der zweiten Gesellschaft anders verteilen als bei der ersten.


Antwort: Personenidentische Schwestern-Personengesellschaften gibt es in der Praxis häufig. Der Bundesfinanzhof hat diese ausdrücklich erlaubt, wenn verschiedene Einkunftsarten voneinander abgegrenzt werden sollen (zum Beispiel Landwirtschaft und Gewerbe). Wenn Sie allerdings einen Betrieb in zwei personenidentische Gesellschaften aufteilen, nur um die Umsatzgrenze von 600000 € einhalten zu können, wirft Ihnen das Finanzamt womöglich einen Gestaltungsmissbrauch vor. Auf Nummer sicher gehen Sie, wenn eine weitere Person einbinden.


Stall zeitweise verpachten


Kann ich einen Stall zeitweise verpachten, zum Beispiel für drei Monate?


Antwort: Ja. Der Zeitraum kann auch ein oder zwei Durchgänge umfassen. Wichtig ist, dass die Mast dieses Durchgangs auf Rechnung und Risiko des Pächters erfolgt. Sie dürfen am Erlös bzw. Gewinn nicht beteiligt sein. Sie müssen zudem eine getrennte Futterversorgung gewährleisten. Wenn es nur eine Fütterung für alle gibt, spielt das Finanzamt nur mit, wenn Sie das Futter einzeln wiegen und abrechnen. Sie dürfen diese Werte nicht schätzen. Dafür sollten Sie sich eine geeichte Waage besorgen.


Abteile verpachten


Kann ich auch einzelne Abteile an eine neugegründete GbR verpachten, die der Ehepartner betreibt?


Antwort: Nein, das Finanzamt erkennt eine Betriebsteilung nur an, wenn es eine räumliche Trennung gibt.


Beteiligungen


Mit wieviel Prozent am Restgewinn muss ich einen Partner an einer 51a-Gesellschaft beteiligen?


Antwort: Der Partner muss als Mitunternehmer anerkannt werden, das heißt: Er muss sich am finanziellen Risiko beteiligen und mitbestimmen können. Die Rechtsprechung spricht von Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko. Am besten beteiligen Sie Ihren Partner mit 5% am Gewinn bzw. Verlust sowie an den stillen Reserven der Gesellschaft.


Ausweg Lohnmast


Wir betreiben eine Hähnchenmast mit zwei Ställen als Viehhaltungs-KG, die ihre Umsätze pauschaliert. Der Umsatz beläuft sich auf 1,1 bis 1,25 Mio. €. Wenn wir die KG teilen, kommen wir in manchen Jahren über die Grenze von 600000 €. Um nicht in die Regelbesteuerung abzurutschen, wollen wir zwei Durchgänge in Lohnmast durchschleusen. Was ist dabei zu beachten?


Antwort: Das wäre durchaus ein Weg, um die 600000-€-Grenze einzuhalten. Allerdings müssen Sie die Umsätze aus der Lohnmast bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes berücksichtigen. Denken Sie auch daran, dass Sie durch die Lohnmast in die Gewerblichkeit abrutschen können. Dann dürfen Sie ohnehin nicht mehr pauschalieren. Hierbei kommt es auf den Vertrag an. Entscheidend ist, wer das wirtschaftliche Risiko trägt:


  • Wenn Sie für jemanden eine Lohnmast betreiben und das Risiko tragen, gehören Ihre Erlöse zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft – sofern die auf die KG übertragenen Vieheinheiten (VE) auch für diese Mastdurchgänge ausreichen. Wird die Zahl der zulässigen VE überschritten, wird die gesamte KG gewerblich. Sie dürfen dann nicht mehr pauschalieren.
  • Wenn der Auftraggeber das Risiko trägt, handelt es sich für Sie als Auftragnehmer um Lohnarbeiten. Die Einnahmen daraus sind gewerblich. Dann sind die Abgrenzungskriterien zwischen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und denen für gewerbliche Einkünfte entscheidend. Wenn die Umsätze aus der Lohnmast mehr als 1/3 Ihres gesamten Umsatzes oder mehr als 51500 €/Kalenderjahr betragen, werden auch Ihre Einkünfte aus der KG insgesamt gewerblich. Dann verlieren Sie Ihre Pauschalierung ebenfalls.


Handel zwischenschalten


Kann es sinnvoll sein, zusätzlich zum landwirtschaftlichen Betrieb einen gewerblichen Handel zu gründen? Der landwirtschaftliche Betrieb würde die Produkte an den Handel verkaufen und dieser dann weiter. So könnten wir den Umsatz in der Landwirtschaft auf weniger als 600000 € einstellen und als Pauschalierer 10,7% MwSt. kassieren.


Antwort: Vom Prinzip her ja. Die Anforderungen an ein solches Konstrukt sind allerdings sehr hoch. Sie dürfen bspw. nicht als Einzelperson einen weiteren Betrieb gründen (Gefahr der Organschaft, s. Seite 47). Entweder übernimmt eine andere Person das Handelsunternehmen oder Sie gründen mit einem Partner eine neue Gesellschaft.


Sie müssen Ihre Waren außerdem zu ortsüblichen Preisen an die Handelsgesellschaft verkaufen. Andernfalls unterstellt Ihnen das Finanzamt, dass Sie den Betrieb nur gegründet haben, um die Pauschalierung zu retten. Und bei ortsüblichen Preisen dürfte der Effekt auf den Umsatz nicht sehr hoch sein.


Die Handelsgesellschaft muss zudem eine eigene Buchführung und einen eigenen Jahresabschluss erstellen und sich eigenständig versichern. Unterschätzen Sie keinesfalls den Aufwand und die Kosten.


Getreide auslagern


Kann ich meine Getreideernte bei einer Genossenschaft oder einem Landhandel einlagern und dann nach und nach als Mischfutter zurückkaufen, um dadurch den Umsatz aus dem Getreideverkauf zu reduzieren?


Antwort: Wenn Sie das Getreide beim Landhandel einlagern, exakt dieses später zurückbekommen und bei Ihnen auf dem Hof mit einer mobilen Mahl- und Mischanlage zu Mischfutter verarbeiten lassen, haben Sie keinen Umsatz aus dem Getreideverkauf erzielt.


Wenn der Landhandel das Getreide mit anderem Getreide vermengt, weitere Komponenten hinzufügt und daraus Mischfutter herstellt, liegt die Verfügungsmacht des gelieferten Getreides nicht mehr bei Ihnen. Folge: Der Umsatz aus Getreidelieferung ist Ihnen zuzurechnen. Das gilt auch dann, wenn das Getreide mit dem Mischfutter verrechnet wird.


Ferkeleinkauf stunden


Darf mein Viehhändler mir den Ferkelkauf bis zum Verkauf der Mastschweine stunden und die ausstehenden Beträge miteinander verrechnen, damit mein Umsatz sinkt?


Antwort: Im Steuerrecht gilt ein Saldierungsverbot. Auch wenn Sie die Ferkellieferung mit dem Umsatz aus dem Verkauf der Mastschweine verrechnen, sind beide Vorgänge in der Buchführung getrennt zu erfassen und die Erlöse aus dem Schweineverkauf zählen zu Ihrem Gesamtumsatz.


Maschinen verkaufen


Kann ich Ende dieses Jahres alle Maschinen, die älter als fünf Jahre sind, an eine Gesellschaft verkaufen (als Pauschalierer) und diese Anfang 2022 wieder zurückkaufen (als Regelbesteuerter)? So könnte ich mir die Umsatzsteuer aus dem Verkauf sichern und die Mehrwertsteuer in 2022 vom Fiskus erstatten lassen.


Antwort: Grundsätzlich ist Ihre Überlegung richtig. Maschinen, die Sie nicht mehr benötigen sollten Sie als Pauschalierer noch in diesem Jahr verkaufen. Neuinvestitionen kaufen Sie hingegen idealerweise als Regelbesteuerer.


Wenn Sie allerdings Maschinen verkaufen und dieselben zurückkaufen, dürfte die Finanzverwaltung das als Gestaltungsmissbrauch einstufen. Sie müssen schon außersteuerliche Beweggründe anführen, damit der Fiskus diese Vorgehensweise mitträgt.


diethard.rolink@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.