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Was nun, Herr Röring?

Lesezeit: 7 Minuten

Wie kein anderer hatte DBV-Veredelungspräsident Johannes Röring die Landwirte zu mehr Tierschutz gedrängt. Jetzt traf ihn eine Tierrechts-Kampagne ins Mark. Dennoch geht er in die Offensive.


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Sandra Franz und Erasmus Müller von Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) sitzen in einem vegetarischen Cafe in Berlin-Kreuzberg und verstehen die ganze Aufregung nicht. „Ich mag Konflikte eigentlich nicht, das kann kein Dauerzustand sein“, sagt Müller, der ehrenamtliche Agrarreferent von ARIWA. Franz, Pressesprecherin auf Teilzeit-Basis, fügt hinzu: „Wir wollen keine Skandale, sondern eine ehrliche Debatte über die Tierhaltung.“ Wenn man die beiden so reden hört, könnte man fast vergessen, dass ARIWA jüngst eine bislang beispiellose Kampagne gegen Agrarfunktionäre startete. Die ARD-Sendung „Panorama“ zeigte im September ARIWA-Aufnahmen aus deren Ställen. Kurz darauf sprangen auch PETA Deutschland e.V. und SOKO Tierschutz e.V. auf den Zug auf (siehe Kasten rechts). Die fast zeitgleiche Veröffentlichung war – beteuern Franz und Müller – reiner Zufall.


Stalltür auf:

Einige der Funktionäre hat die Kampagne derart getroffen, dass sie nicht mal mehr mit top agrar darüber sprechen wollen. Nicht so Johannes Röring. Als der Norddeutsche Rundfunk (NDR) vor der Ausstrahlung des Panorama-Beitrags ihn um eine Stellungnahme zu einigen Bildern bat, schickte Röring seinen Anwalt vor. Er wollte – gestützt auf eine Eidesstattliche Versicherung seines Hoftierarztes – gerichtlich untersagen lassen, dass Panorama den Beitrag ausstrahlt. Da Röring den Eindruck hatte, beim NDR auf vorgefasste Meinungen zu stoßen, entschieden er und seine Familie sich für den Schritt an die Öffentlichkeit. Gleich nach der Ausstrahlung der Panorama-Sendung rief er eine Pressekonferenz für den nächsten Tag ein. „Für uns war klar: Wir stehen zu unserer Tierhaltung, ohne jeden Zweifel“ sagt Röring. Kurz darauf erklärte er vor den Kameras, warum es bei Schweinen zu Mastdarmvorfällen kommen kann, und führte die Journalisten durch seine Ställe. Für ihn völlig klar: Verstöße gegen Tierschutzverordnungen oder -gesetze hat es auf seinem Betrieb nicht gegeben.


Wenn es um Tierschutz in der deutschen Landwirtschaft geht, hat Röring so viel Einblick und Einfluss wie niemand sonst. Er ist Schweinemäster, Veredelungspräsident des Deutschen Bauernverbandes, einflussreich bei der Initiative Tierwohl (ITW) und sitzt für die CDU im Agrarausschuss des Bundestags. Wie kein anderer im Bauernverband hat er sich in den vergangenen Jahren dafür stark gemacht, dass die Landwirte in den Ställen mehr Maßnahmen für das Tierwohl ergreifen. Doch zuletzt musste er Rückschläge einstecken. Zunächst warfen beide an der ITW beteiligten Tierschutzorganisationen das Handtuch (siehe top agrar 10/2016, S. 108). Dann veröffentlichten ARIWA und PETA die Aufnahmen aus seinem Stall.


Die Vorfälle setzen ihm derzeit sichtlich zu. Selbst auf der CDU-Mitgliederversammlung im Oktober, auf der seine Partei ihn erneut für ein Bundestagsmandat nominierte, konnte Röring seine Anspannung nicht verbergen. Er schreckt zurück davor, die Schuld an den Image-Problemen der Landwirtschaft ausschließlich der Sensationslust von Tierrechtlern und Medien zuzuschreiben. Die Branche habe zu viele schöne Bilder gezeigt, gibt er sich selbstkritisch. „Wir müssen den Menschen ehrlich vermitteln, dass in der Tierhaltung nicht alle Tage Sonnenschein ist“, sagt er. Und er räumt ein, dass die Agrarbranche nicht immer souverän auf Skandalvideos aus den Ställen reagiert hat. „Manchmal ist der Umgang mit der Krise schlimmer als die Krise selbst“, resümiert er.


Ist Rörings Ansatz, nach einem Fernsehbeitrag sofort die Tore zu öffnen und Journalisten durch den Stall zu führen, wirklich der richtige? Ja, meint Alexander Springensguth, Geschäftsführer der PR-Agentur Cyrano. Nur, wenn man die Realität offen vermittelt, könne man eine sachliche Diskussion anregen (siehe Interview S. 40). Gleichzeitig würde Springensguth jedoch prüfen, ob man juristisch gegen die Aufnahmen vorgehen kann. „Auch andere Branchen machen gute Erfahrungen damit, bei negativer Berichterstattung anwaltlich gegen offensichtliche Falschaussagen vorzugehen, um Imageschäden zu vermeiden“, berichtet er. Dies sei allerdings teuer und von einem einzelnen Landwirt nicht zu stemmen. Er regt an, dass Berufsverbände die Landwirte dabei stärker unterstützen und begleiten.


Parallele zu ARIWA?

Zwischen Landwirt Röring und Tierrechtler Müller ergibt sich eine erstaunliche Parallele: Beiden ist die Sensationslust der Medien eher ein Dorn im Auge. Und beide wünschen sich eine sachlichere Diskussion über die Tierhaltung. „Wäre es nach uns gegangen, hätte sich der Panorama-Beitrag nicht so sehr mit den Rechtsverstößen beschäftigt“, sagt Müller und gewährt einen tiefen Einblick in die Funktionsweise der Medien. Er würde es für sinnvoller halten, den normalen Alltag der Tiere in einem Maststall zu zeigen. „Nicht alle Tiere in einem Maststall sind krank oder verletzt“, weiß er.


Dass der NDR solche Bilder nicht zeigt, dafür nennen die beiden Aktivisten zwei Gründe: Zum einen müsse ein Sender eine stichhaltige juristische Begründung dafür vorhalten, warum er eine Person derart an den Pranger stellt. Ein Rechtsverstoß im Stall wäre so eine Begründung. Zum anderen würden sich die Medien für normale Ställe in der Regel nicht mehr interessieren. Man müsse stets noch einen interessanten Zusatzaspekt der Tierhaltung beleuchten, um bei den Redaktionen Gehör zu finden. Neben Rechtsverstößen käme da auch die Haltung von Tieren in Tierwohl- oder Bio-Programmen infrage, erläutert Franz. Müller würde am liebsten auf heimlich gefilmte Stallaufnahmen verzichten und fordert stattdessen mehr Transparenz von der Landwirtschaft. Er habe ein Video auf der Webseite einer Sauenhaltung gesehen, in dem die Ferkelkastration erklärt und gezeigt wird. „Das finde ich ehrlich und es ermöglicht dem Verbraucher, zu entscheiden, ob er das mittragen will“, sagt Müller.


Das sind ganz neue Töne aus der Tierrechtsszene. Sie klingen Rörings Ruf nach offenen Stalltüren zum Verwechseln ähnlich.


Bildet sich da eine ganz neue Allianz? Eher nicht. ARIWAs Zukunftsvision von einem bioveganen Landbau – eine Art Ökolandbau ohne Tierhaltung – dürften die meisten Landwirte eher wenig abgewinnen – schon aus pragmatischen Überlegungen zum Pflanzenbau. Gleichzeitig wünschen sich die Aktivisten mehr Modelle zur finanziellen Beteiligung von Verbrauchern an landwirtschaftlichen Betrieben und eine starke bäuerliche Organisierung gegen „die Interessen der vor- und nachgelagerten Milliardenindustrien.“


Immerhin: Gegenüber top agrar legt ARIWA seine Finanzen offen. 2015 habe man rund 67092 € an Mitgliedsbeiträgen, 63682 € an Spenden und 8920 € für Tierpatenschaften eingenommen. Insgesamt seien dies ca. 5% weniger als 2014. Dann ist es mit der Transparenz, welche die Tierrechtler gerne von den Landwirten fordern, allerdings wieder vorbei. Müller und Franz geben keine Auskunft darüber, wie ARIWA an Aufnahmen aus Ställen kommt. Die Filmenden begingen mitunter möglicherweise Hausfriedensbruch, erklärt Müller. Man müsse sie daher schützen.


Einbrecher im Recht?

Genau das bringt Röring auf die Palme. Immer mehr Richter deutschlandweit lassen Aktivisten Hausfriedensbruch durchgehen, wenn sie dadurch Missstände in der Tierhaltung aufdecken. Röring sieht diese Entwicklung mit Sorge. „Denken Sie das mal zu Ende: Wenn der eine Rechtsbruch den anderen rechtfertigt, dann wird unser Rechtsstaat schnell am Ende sein“, prognostiziert er. Und glaubt, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite steht. Sehe man einmal von den Hassmails ab, die ihn seit dem Panorama-Beitrag erreichten, sei der überwiegende Tenor der Rückmeldungen aus seinem Wahlkreis: „Es kann nicht sein, dass man bei euch in den Stall einbricht und dann am Ende ihr als die Übeltäter dasteht“, zitiert Röring.


Daher denkt er nicht daran, seine Bemühungen für mehr Tierschutz im Stall einzustellen. Er räumt ein, dass das mediale Dauerfeuer die Lust der Bauern auf Programme wie die ITW nicht gerade fördert. Und er sieht die Gefahr, dass höhere Tierschutz-Standards in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Waren aus dem Ausland verringern. Er steht daher dem Plan des Bundeslandwirtschaftsministers, ein staatliches Tierwohl-Label einzuführen offen gegenüber. Dieses könne dazu beitragen, dass der Verbraucher die Billigware aus dem Ausland im Supermarkt liegen lasse. Und wenn die Verbraucher nicht mitziehen, müsse man eben die Supermarktketten deutlicher an ihre Verantwortung gegenüber den deutschen Landwirten erinnern. Das gehe auch ohne Tierschützer. „Trecker vor den Supermärkten sind für das Image der Supermärkte viel schlimmer als PETA-Plakate“, sagt Röring selbstbewusst.


Claus Mayer


top agrar-SerieTierschutz-Check

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