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Was tut die Politik?

Lesezeit: 7 Minuten

Die Dürre hat auch die Politik alarmiert. Wir stellen vor, welche Hilfsmaßnahmen EU, Bund und Länder für die von der Trockenheit betroffenen Landwirte vorbereiten.


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EU-Kommission, Bund und die Länder arbeiten mit Hochdruck an Hilfsmaßnahmen für die dürregeschädigten Landwirte. DBV-Präsident Joachim Rukwied hält Finanzhilfen in der Größenordnung von 1 Mrd. € für wünschenswert. Bis zum Redaktionsschluss (15. August) hielten sich Brüssel und Berlin noch mit konkreten finanziellen Zusagen zurück. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner verweist darauf, dass sie zunächst belastbare Aussagen über das Ausmaß der Dürreschäden brauche. Nachfolgend ein aktueller Überblick:


Brüssel schafft Erleichterungen


  • Die Mitgliedstaaten dürfen schon Mitte Oktober bis zu 70% der Direktzahlungen (bisher 60%) und bis zu 85% der Zahlungen aus der zweiten Säule (z.B. Agrarumweltmaßnahmen) vorzeitig auszahlen. Voraussetzung: Die Kontrollen sind vorher abgeschlossen. Das dürften viele Länder nicht schaffen.
  • Greeningflächen und ökologische Vorrangflächen (ÖVF) können die EU-Staaten zur Futtergewinnung freigeben. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Rechtsänderung beschlossen. Das erlaubt den Anbau von Futterpflanzen noch in diesem Herbst.
  • Nach den EU-Wettbewerbsregeln dürfen die Mitgliedstaaten auch nationale staatliche Beihilfen an die von der Dürre geschädigten Landwirte zahlen. So können bis zu 80% der nachgewiesenen Verluste und bei wetterbedingten Kapriolen bis zu 90% erstattet werden. Dazu müssen aber mehr als 30% der durchschnittlichen Jahreserzeugung des betreffenden landwirtschaftlichen Unternehmens ausgefallen sein. Wenn ein Mitgliedstaat aufgrund von anhaltender Dürre die Notsituation als „Naturkatastrophe“ einstuft und den nationalen Notstand ausruft, können sogar bis zu 100% der Schäden beglichen werden. Letzteres hat DBV-Präsident Joachim Rukwied von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert.
  • Flankiert wird dies durch Erleichterungen bei der sog. „de minimis-Regel“ für nationale staatliche Beihilfen an Landwirte ohne Genehmigung durch die Kommission. Der Spielraum wurde auf 15000 €/Betrieb erweitert. Das ermöglicht den Mitgliedstaaten schnelle Hilfen ohne langes Gezerre mit Brüssel.
  • Gesonderte Nothilfe-Gelder stellt Agrarkommissar Hogan derzeit aber nicht in Aussicht. Insbesondere soll die sog. „Krisenreserve“ nicht aktiviert werden. Die darüber zur Verfügung stehenden 450 Mio. € müssten durch Umschichtungen z.B. aus dem Bereich der Direktzahlungen gegenfinanziert werden. Das wollen derzeit weder die Bauern noch die EU-Landwirtschaftsminister.


Klöckner will erst Klarheit


  • Julia Klöckner will erst den Erntebericht und die Meldungen der Bundesländer abwarten. Bei Getreide und Raps liegt dieser Ende August vor, bei Kartoffeln einen Monat später. Die Ministerin sieht insbesondere die Rinderhalter unter Druck. „Viele Viehhalter haben große Not, ihre Tiere zu versorgen. Ich habe meine Länderkollegen aufgefordert, mir schnell fundierte Informationen über Ernteschäden und ihre Förderprogramme zu übermitteln“, sagte Klöckner im Interview mit top agrar. „Wir brauchen belastbare Daten. Ich will, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür auch erhalten bleibt. Wenn alle Kriterien erfüllt sind, können Hilfen an Betriebe gehen, die in einer existenzgefährdeten Situation stecken.“
  • Der Bund dürfe nur ausnahmsweise finanzielle Hilfe leisten. Voraussetzung für eine Hilfe des Bundes sei die Einstufung als „Ereignis von nationalem Ausmaß“. „Dazu müssen die Gesamtumstände des jeweiligen Schadereignisses betrachtet werden, auch verrechnet mit höheren Getreidepreisen und Erlösen. Ob die diesjährige Trockenheit ein Ereignis von nationalem Ausmaß ist, kann erst festgestellt werden, wenn wir belastbare Daten haben“, so die Ressortchefin.
  • In der Zwischenzeit will Klöckner Futterengpässe lindern und die Zahlungsfähigkeit der betroffenen Bauern über Liquiditätssicherungsdarlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank sowie Steuer- oder Pachtstundungen sicherstellen. Bund und Länder haben bestimmte ÖVF zur Futternutzung freigegeben. Die Länder können Biobetrieben erlauben, konventionelles Futter einzusetzen. Außerdem hat die Landwirtschaftliche Rentenbank ihr Liquiditätssicherungsprogramm geöffnet (top agrar 8/2018, Seite 30). Die BVVG gewährt von der Trockenheit betroffenen Betrieben Pachtstundungen. Voraussetzung dafür ist ein formloser Antrag.


Geschädigten Betrieben werden Steuerschulden und Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag gestundet. Die Finanzbehörden der Länder können steuerliche Vorauszahlungen anpassen und auf Säumniszuschläge, Stundungszinsen sowie Vollstreckungsmaßnahmen verzichten. Die Finanzministerien raten den Landwirten frühzeitig Kontakt mit ihrem Finanzamt aufzunehmen, wenn Zahlungsschwierigkeiten drohen.


Einige Bundesländer aktiv:

Ergänzend zu den Aktivitäten in Brüssel und Berlin haben einige Bundesländer weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht:


  • Niedersachsen plant eine vorzeitige Auszahlung der Direktzahlungen, welche voraussichtlich im Dezember erfolgen soll. Außerdem soll es Erleichterungen bei der Ermittlung der Nährstoffbilanzen geben.
  • Bayern will überall dort, wo erhebliche Ertragseinbußen zu erwarten sind, die Mehrkosten für Grundfutter zur Hälfte ausgleichen. Maximal sollen bis zu 50000 € pro Betrieb gezahlt werden. Landwirte können dazu Rechnungen einreichen, die ab dem 1. August 2018 datiert sind. Für alle Antragsteller gilt ein Selbstbehalt von 500 ¤. Die Antragstellung ist als Onlineverfahren geplant und soll noch im August starten.
  • In Mecklenburg-Vorpommern ist es möglich, Pachtraten für Landesflächen zu stunden. Außerdem ist die Stundung von Leistungsraten für öffentliche Darlehen möglich.
  • Sachsen-Anhalt hat die landeseigene Landgesellschaft gebeten, Pachtstundungen entsprechend der wirtschaftlichen Lage der landwirtschaftlichen Unternehmen zu prüfen.
  • Brandenburg hat ein Hilfsprogramm von 5 Mio. € geplant, mit dem der Zukauf von Futtermitteln bezuschusst werden kann.


Weitere Forderungen:

Neben den bereits ergriffenen Maßnahmen gibt es weitere Möglichkeiten, wie EU, Bund und Länder den Betroffenen helfen könnten.


  • Der Bauernverband fordert seit Langem für die Landwirte eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Damit könnten Landwirte in einkommensstarken Jahren steuerfrei eine Reserve aufbauen, auf die sie im Notfall zurückgreifen können. Die Agrarökonomen Prof. Norbert Hirschauer (Halle) und Prof. Oliver Mußhoff (Göttingen) halten dieses Instrument für effektiver als die 2016 beschlossene Gewinnglättung. Diese erlaubt es den Landwirten, Gewinnschwankungen über drei Jahre zu glätten, gilt aber als sehr bürokratisch.
  • Sehr kontrovers wird über die Subventionierung von Versicherungsprämien z.B. gegen Dürre diskutiert. Nach Aussagen von Dr. Rainer Langner, Chef der Vereinigten Hagel, haben derzeit in Deutschland „keine 50 Betriebe“ eine solche Versicherung. Flächenumfang: ca. 5000 ha. Das Interesse der Landwirte steigt, aber „wir haben die Dürre als großflächiges Risiko versicherungstechnisch nicht im Griff“, bekennt Langner. Deshalb sind die Prämien extrem teuer und es gibt nur drei Anbieter.


Hinzu kommt: Die derzeit angebotenen Indexversicherungen orientieren sich nicht am individuellen Schaden, sondern an Wetterparametern (Schwellenwerte). Dabei kann es passieren, dass ein versicherter Landwirt trotz eines individuellen Ertragsschadens, keinen Anspruch auf Schadenersatz hat, weil der Schwellenwert in der Region nicht überschritten wurde.


Eine echte Ertragsausfallversicherung gegen Dürre, die sich an den Ertragsschäden orientiert, wäre allerdings noch teurer als eine Indexversicherung. Denn anders als andere Wettergefahren wie Hagel oder Starkregen, die oft nur lokal begrenzt auftreten, betrifft eine Dürre ganze Landstriche. Dementsprechend läge der Prämiensatz einer schadenbasierten Dürreversicherung bei bis zu knapp 10% der Versicherungssumme.


Deshalb hofft die Versicherungswirtschaft auf staatliche Prämienzuschüsse. Diese halten Agrarökonomen und Bauernverband einmütig für falsch, weil Versicherungen den Landwirten keine Anreize böten, sich an das höhere Risiko anzupassen und zudem die Subventionen zumindest zum Teil bei den Versicherern und nicht bei den Landwirten landen würden. Dennoch könnte die Bundesregierung handeln. Die Versicherungssteuer wurde für die Hagel- und Mehrgefahrenversicherung Anfang 2013 einheitlich auf 0,3 Promille der Versicherungssumme festgesetzt. Die Dürreversicherung wird aber weiterhin mit 19% der Versicherungsprämie besteuert. Das macht den teuren Schutz noch teurer. Hier ist eine Gleichstellung mit den anderen versicherbaren Risiken geboten.


  • Auch bei der Umsetzung von Düngevorgaben benötigen die Landwirte ggf. Fristanpassungen und Sonderregelungen, wie z.B. beim Ausbringen von Wirtschaftsdünger im Rahmen der Düngeverordnung, v.a. wenn sich die Wachstumsphasen verschieben sollten.


Kontakt: guido.hoener@topagrar.com

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