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Wine and Schwein

Lesezeit: 6 Minuten

Deutscher Wein durchlebte in den Achtzigerjahren eine Imagekrise. Durch geschicktes Marketing haben die Winzer diese überwunden. Wir zeigen, was die Tierhalter daraus lernen können.


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Mehr Wertschätzung für die eigene Arbeit, das ist das Hauptanliegen, für das Landwirte in den letzten Wochen auf die Straße gegangen sind. Besonders die Schweinehalter spüren davon zurzeit wenig. Was sie sich von den Winzern abgucken können, um ihr Image aufzupolieren, zeigen Angelika Dauermann von der Hochschule Osnabrück, Fachgebiet Agrarmarketing, und Prof. Dieter Hoffmann von der Hochschule Geisenheim.


heraus aus der Krise


Heute genießt Wein in Deutschland ein gutes Image. So ist der Weinverbrauch von 2013 bis 2018 mit rund 20Mio. l nahezu gleich geblieben, während der Alkoholkonsum insgesamt um 5% gesunken ist. 2018 gaben die Deutschen mit 34% den größten Anteil an alkoholischen Getränken für Wein aus.


Das war nicht immer so: In den Achtzigerjahren durchlief der heimische Rebsaft eine Imagekrise. „Zu süß, zu schwer, zu sättigend“, hieß es. Deutsche Weine, besonders aus Rheinhessen, galten oftmals als Massenprodukt ohne besondere Qualitätseigenschaften. Die Verbraucher reagierten und griffen zu ausländischen Weinen aus Frankreich, Italien oder Spanien, die fruchtiger und trockener schmeckten. „Vor der Krise kamen 70% der in Deutschland verkauften Weine aus dem Bundesgebiet. Dieser Anteil ist nach der Krise auf 54% gesunken“, sagt Hermann Mengler, Weinfachberater in Franken.


Die Winzer passten sich daraufhin an die Wünsche ihrer Kunden hin zu mehr Qualität an. „Dafür haben sie in neue Technologien investiert und die Kundenbedürfnisse mehr eingebunden“, sagt Ernst Büscher vom deutschen Weininstitut. Auch die Beratung veränderte sich. „Damals hatten die Berater vor allem die Kosten im Blick und rieten den Winzern, Sorten mit hohen Erträgen anzubauen“, sagt Mengler. Daraus entstanden oft wässrig schmeckende Weine. Heute setzen die Winzer auf trockene Sorten, die mehr Komplexität im Geschmack bringen, und auf ein besseres Marketing.


Weingenuss erleben


Neben geschmacklich hochwertigen Weinen sehnen sich die Verbraucher nach einer Geschichte hinter dem Produkt. Diesen Trend griffen die Winzer ebenfalls auf. „Wir erzählen in unserer 2018 gestarteten Werbekampagne für deutsche Weine über das Handwerk auf den einzelnen Weingütern und stellen die Person des Winzers in den Mittelpunkt“, sagt Ernst Büscher. Viele Winzer haben eine eigene Marke für ihr Weingut kreiert. Dadurch unterscheiden sich die Weine automatisch voneinander und sind kein Massenprodukt mehr.


Außerdem arbeitete die Weinbranche vermehrt an den atmosphärischen Eindrücken rund um Produktion und Verkauf. Aus den USA kam beispielsweise vor Jahren der Impuls nach Deutschland, Weingüter architektonisch ansprechend zu gestalten. Das schafft ein besonderes Erlebnis bei dem Besuch des Weinguts. Deutsche Winzer bieten nach diesem Vorbild Verkostungen direkt auf ihrem Weingut an, und laden ihre Kunden zu sich ein. Dort reichen sie neben dem Wein ein vor Ort gekochtes Menü nach dem Motto „Wine and Dine“.


Gerade die junge Winzergeneration hat es inzwischen geschafft, die nachwachsende Konsumentengeneration für die heimischen Weine zu begeistern. So ist der Weinkonsum in Deutschland von 1990 bis 2018 mit 20 Mio. l auf einem gleichbleibenden Niveau geblieben, während er in bekannten europäischen Weinanbauländern wie Frankreich oder Italien um die 30% zurückgegangen ist. Ein Grund für den Erfolg: Mit einer modernen Ansprache erreichen sie auch städtische Zielgruppen. Beispielsweise wird in diesem Jahr die „Generation Riesling“, eine bundesweite Gruppe junger Winzer, mit einem Stand auf dem Puls OpenAir Festival vertreten sein und dort Werbung machen für die deutsche Weinwirtschaft.


Kann die Fleischbranche von der Weinbranche lernen?


In der Fleischbranche steckt im Bereich der Imagewerbung noch großes Potenzial. „Gerade die Schweinehalter müssen zeigen, wie vielfältig Fleisch sein kann. Dann kommen sie raus aus dem Massenmarkt und heben das Image der Fleischerzeugung“, ist Prof. Hoffmann überzeugt. Supermärkte bieten oft Weine von über 100 verschiedenen Weingütern an. „Der Verbraucher steht vor einer großen Weinvielfalt und findet trotzdem seinen Wein. Denn auf jedem Etikett steht der Name des Weinguts. Im Gegensatz dazu weiß der Verbraucher meist nicht, von welchem Betrieb das Fleisch kommt“, erklärt Angelika Dauermann. Verschiedene Rassen, andere Haltungsformen, besondere Fütterung. Für die Differenzierung gibt es viele Möglichkeiten. „Um die Trends frühzeitig zu erkennen, sollten Landwirte sich auch im gewissen Umfang mit der aktuellen Kochkultur beschäftigen“, empfiehlt sie.


Dass die Rasse als Verkaufsargument zieht, zeigen bereits erfolgreich die Bullenmäster. Angus, Galloway und vor allem Wagyurinder sind in der letzten Zeit beim Verbraucher immer beliebter. Davon profitierte auch Uwe Jerathe, der vor 14 Jahren begann, Wagyus zu züchten. „Damals galt ich mit einer Handvoll weiterer Züchter als Exot. Heute gibt es in Deutschland 200 Wagyuzüchter, Tendenz steigend“, sagt der Vorsitzende des deutschen Wagyuverbandes. Die Zahlen zeigen, dass das hochpreisige Rindfleisch im Trend liegt. „Qualität und Originalität, das möchte der Verbraucher. Man will das Fleisch zelebrieren“, so Jerathe. Damit meint er nicht nur den einzigartigen Geschmack dieses Fleisches, der durch den hohen Anteil an intramuskulärem Fett entsteht. Auch die besondere Geschichte der japanischen Rinderrasse spielt in der Vermarktung eine wichtige Rolle.


Wer anders sein will, muss auch in der Vermarktung andere Wege einschlagen. Dabei muss der Betriebsleiter einiges im Blick haben: Wie positioniere ich mein Produkt? Wen spreche ich an – insbesondere in der Region? Welche Vermarktungsschiene fahre ich?


Am Anfang mussten die Wagyuzüchter viel Überzeugungsarbeit leisten, um Abnehmer zu finden. Direkte Kundenansprache ist ein wichtiges Element. „Wir sind aktiv auf Gastronomen oder Spitzenköche zugegangen“, sagt Jerathe. Hier gilt es, sich vorher beraten zu lassen. Der Winzer Christian Stahl verkauft Wein unter seiner Marke „Winzerhof Stahl“. Dafür half ihm unter anderem der Berater Hermann Mengler. Und Schweinehalter Rene Roberg schloss sich sogar wirtschaftlich mit Uwe Jerathe zusammen, der komplett für das Marketing der Fleischprodukte zuständig ist. Wie sich ihre Betriebe entwickelten, lesen Sie in den Reportagen auf den nächsten Seiten.


Klappt das bei Schweinen auch?


„Warum soll das, was bei Wein und Rind funktioniert, nicht auch beim Schwein klappen“, sagt Jerathe. Gerade Schweinefleisch steht besonders in der negativen Berichterstattung der Medien. Doch mittlerweile finden sich immer mehr Schweinehalter, die mit ihrem Fleisch eine besondere Geschichte erzählen, ob durch unterschiedliche Rassen wie Duroc oder Iberico oder durch besondere Haltungsformen wie die Offenstallhaltung. Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag in der top agrar Ausgabe 2/2020 auf S. S8: „Wir brauchen mehr Tierwohl-Geschichten!“. Durch festgelegte Zuchtziele und eine standardisierte Haltung sind die Hürden in der Schweinehaltung vielleicht augenscheinlich höher. Die Nachfrage nach Alternativen in diesem Bereich steigt aber auch hier. „Gerade den aktuellen Grilltrend können die Landwirte mit dem Angebot an exklusivem Fleisch einfangen“, glaubt Jerathe.


Die Direktvermarktung passt natürlich nicht auf jeden Betrieb. Bei den Tierhaltern wird sie eine Nische bleiben. Auch bei Wein wird die Masse über den Lebensmitteleinzelhandel vermarktet. Aber wie die Winzer zeigen, kann es gelingen, die Besonderheiten seines Produktes herauszustellen. Das Image der Fleischbranche würde wahrscheinlich ganzheitlich davon profitieren, wenn auch nur ein Teil der Branche mehr Vielfalt und Identität generiert.


maike.schulze-harling@topagrar.com

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