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Haben die Getreidepreise Luft nach oben?

Lesezeit: 8 Minuten

Die Preise für Brot- und Futtergetreide haben sich stabilisiert. Beobachter rechnen aber auch 2016/17 mit einem reichlichen Angebot. Was ist besser? Sofort verkaufen oder einlagern?


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Getreideanbauer schauen momentan gebannt auf ihre Felder. Vielen machen die Wetterkapriolen der vergangenen Wochen Sorgen. „Einige Bundesländer haben zu wenig, andere dagegen viel zu viel Regen gehabt. Bis hin zu Hagel, Starkregen und Überschwemmungen“, erklärt ein Landwirt. Mittelfristig bereite ihm und seinen Berufskollegen aber auch die Frage, was die richtige Vermarktungsstrategie für 2016/17 sei, ziemliche Kopfschmerzen:


  • Macht es Sinn, schnell noch Vorkontrakte ex Ernte abzuschließen?
  • Soll man den Großteil der Ernte direkt nach dem Drusch verkaufen?
  • Oder wäre es besser, neues Getreide einzulagern – selbst wenn man mangels eigener Kapazitäten dafür beim Handel sogar Gebühren zahlen muss?


Lagern lohnte sich nicht.

Grundsätzlich sollten Sie beim Verkauf nicht alles auf eine Karte setzen. Wenn Sie auf steigende Preise warten wollen, sollten Sie das nur mit Teilmengen tun. Die Saison 2015/16 hat gezeigt, dass Märkte nicht immer halten, was man sich zuvor von ihnen versprochen hat.


Als die Preiskurven Mitte bis Ende November 2015 ins Negative kippten (vgl. Übersicht 1), glaubten viele Marktteilnehmer, das würde sich bald wieder ändern. Es kam jedoch ganz anders. Ende Juni/Anfang Juli 2015, also direkt vor dem Erntestart, gab es zwar einen heftigen Preisanstieg. Hausse-Spekulanten wähnten sich deshalb schon auf der Gewinnerseite. Am Ende war es jedoch nur ein Strohfeuer, denn anschließend gaben die Preise binnen kürzester Zeit wieder spürbar nach.


„Im Grunde sind wir den fallenden Kursen anschließend die gesamte Saison hinterhergerannt“, räumt ein Erfasser ein. Die Notierungen liegen auf allen Handelsstufen in der Tat nach wie vor unter den damaligen Ex-Ernte-Preisen. Das hat den meisten Handelshäusern die Bilanzen verhagelt. Entsprechend vorsichtig agieren sie im Hinblick auf die Saison 2016/17. Man steht mit beiden Füßen auf der Preisbremse. Wenn derzeit Vorkontraktpreise ausgelobt werden, dann eher unbefriedigende (Übersicht 2 auf Seite 110).


Trotzdem: Landwirte, die jetzt schon wissen, dass Sie einen Teil oder ihre gesamte Ernte sofort vermarkten werden, sollten Vorkontrakte nicht vorschnell ablehnen. Normalerweise gibt es nach Beginn der Druscharbeiten eine Angebotswelle und mehr oder weniger ausgeprägten Preisdruck. Das ist auch in diesem Jahr möglich. Je stärker die Erfasser allerdings jetzt mauern, desto mehr Getreide wandert vorerst ins Lager. Das könnte den Markt auch schneller wieder entzerren als es Pessimisten wahrhaben wollen. Gleiches gilt, falls die Erträge und bzw. oder die Qualitäten nicht so ausfallen wie erwartet.


Bärische Weltmarkt-Signale:

Noch überwiegt allerdings Optimismus hinsichtlich der Mengen. Der Internationale Getreiderat (IGC) rechnet 2016/17 mit einer weltweiten Getreideernte von 2,015 Mrd. t (ohne Reis). Der Rat hat seine vorherige Schätzung um 9 Mio. t nach oben korrigiert. Der Rekord von 2014/15 von ca. 2,045 Mrd. t wird damit zwar verfehlt, aber das Ergebnis der Saison 2015/16 würde um 12 Mio. t übertroffen. Vor allem in der EU, den USA und in Russland sollen sich die Ertragsaussichten spürbar verbessert haben.


Den Verbrauch hat der IGC aber auch heraufgesetzt. Dieser liegt demnach im neuen Wirtschaftsjahr bei insgesamt 2,009 Mrd. t. Das ist gegenüber der vorherigen Prognose ein Plus von 9 Mio. t und im Vergleich zu 2015/16 sogar eine Steigerung um 25 Mio. t. Die Vorräte wachsen denn auch bis Mitte 2017 nur um moderate 6 Mio. t auf 474 Mio. t.


Viel Weizen:

Je nach Getreideart fällt die Versorgungsbilanz jedoch unterschiedlich aus:


  • Die Vorräte steigen vor allem beim Weizen. Hier erwartet der IGC eine Ernte von 722 Mio. t. Das wären zwar ca. 14 Mio. t weniger als 2015/16. Es wäre aber trotzdem die drittgrößte Weizen-ernte aller Zeiten. Der Verbrauch liegt laut IGC nur 2 Mio. t unter Vorjahresniveau. Trotzdem liegen am Saisonende mit 223 Mio. t weltweit 6 Mio. t mehr Weizen in den Lägern.
  • Bei Grobgetreide (Mais, Gerste, Roggen, Triticale usw.) rechnet der IGC hingegen insgesamt gesehen mit keinen sehr starken Veränderungen der Vorräte. Die Maisernte beziffern die Experten des Londoner Rates jetzt auf knapp über 1 Mrd. t. Im Vergleich zur letzten Schätzung ist das nur ein Zuwachs von 5 Mio. t, gegenüber 2015/16 steigt die Erzeugung aber um 32 Mio. t. Der Verbrauch legt allerdings ähnlich stark zu und soll letztlich ebenfalls bei knapp über 1 Mrd. t liegen. Die Vorräte treten also bei 205 Mio. t auf der Stelle. Das wären gut 20 % des Jahresbedarfs.


Ein falsches Bild:

Die hohen Vorräte müssen die Experten der FAO und anderer Organisationen, die sich Gedanken über die globale Ernährungssituation machen, eigentlich ruhig schlafen lassen. Und wenn die aufgelisteten Weizen- oder Maisvorräte vollständig für den Weltmarkt greifbar wären, müsste man sich in der Tat keine Gedanken über eventuelle Versorgungsengpässe machen. Es gäbe vermutlich 2016/17 auch wenig bis gar keinen Preisspielraum nach oben bei Brot- und Futtergetreide. Doch bei genauerer Betrachtung der IGC-Zahlen zeigt sich: So überreichlich, wie es zuerst scheint, ist der Markt nicht versorgt.


Beispiel Weizen: Auf die führenden Exportnationen (USA, EU-28, Russland, Australien, Ukraine, Kanada, Kasachstan und Argentinien) entfallen mit 70,4 Mio. t gerade einmal knapp 32 % der weltweiten Vorräte (nur 0,7 Mio. t mehr als Ende 2015/16). Dagegen bunkert allein China Mitte 2017 mit etwa 90 Mio. t (plus 13,1 Mio. t) bereits gut 40 % der weltweiten Weizenbestände, weitere knapp 13 Mio. t entfallen auf Indien. Im Prinzip muss man also bei der Betrachtung der Versorgungslage gut 100 Mio. t abziehen. Peking will in erster Linie die Eigenversorgung sichern.


Die Maisbilanz 2016/17 erscheint bei näherer Analyse ebenfalls in einem anderen Licht. Am Saisonende entfallen auf die Exporteure, also die USA, Argentinien, Brasilien und die Ukraine, weniger als 30 % der Bestände. Gut die Hälfte entfällt dagegen auf China. Auch diese Mengen (knapp 104 Mio. t) sind eigentlich nicht für den Weltmarkt vorgesehen. Also ist das Verhältnis von Vorräten zum Verbrauch auch bei Mais enger als es auf den ersten Blick erscheint. Moderate Minuskorrekturen bei den Erntemengen können deshalb einen kräftigen Preissprung auslösen.


Auch die Qualität entscheidet:

Vieles hängt überdies nicht nur von den Mengen ab, die von den Feldern geholt werden. Auch die Qualitäten werden hinsichtlich der weiteren Preisentwicklung eine große Rolle spielen. Bislang bezeichnen Beobachter die Perspektiven in beiden Punkten als vielversprechend.


Brüssel erwartet eine EU-Ernte von knapp 313 Mio. t Getreide (+0,8 % gegenüber 2015), davon z. B.:


  • 145,1 Mio. t Weichweizen (-4,3 %) sowie 8,8 Mio. t Durum (+3,5 %),
  • 65,8 Mio. t Mais (+13,4 %),
  • 62,2 Mio. t Gerste (+2,5 %),
  • 7,9 Mio. t Roggen (+2,6 %) und
  • 7,6 Mio. t Hafer (+1,3 %).


Neben Frankreich soll besonders Spanien erheblich mehr Getreide ernten als 2015. Außerdem machen sich die Beobachter bislang auch so gut wie keine Sorgen um die Qualitäten. Das kann sich allerdings je nach Witterung auch schnell wieder ändern. Selbst wenn jetzt noch alles gut erscheint. „Bei einer verregneten Ernte müssen wir eventuell viel mehr Getreide über den Futtertrog verbrauchen als gedacht. Das kennen wir ja schon aus anderen Jahren“, sagt ein Marktkenner. Dann drohen in der Tat schwache Kurse für abfallende Partien. Einwandfreies Getreide würde hingegen Aufschläge erzielen.


Noch kann von steigenden Preisen für neuerntiges Getreide keine Rede sein. Die Notierungen behaupten sich aber besser als erwartet.


Was einlagern, was verkaufen?

Dies ist vor allem dem Export geschuldet. Von Anfang Juli 2015 bis Ende Mai 2016 hat Brüssel bereits Lizenzen für etwa 31 Mio. t Weizen erteilt (inkl. Mehl und Durum). Das liegt nur noch knapp unter der Vorjahreslinie, die eventuell bis zum Saisonende noch erreicht wird. Die Verladungen laufen nach wie vor auf Hochtouren. Die Gerstenlizenzen bewegen sich mit gut 9,1 Mio. t sogar schon über dem letztjährigen Niveau.


Die Exportvorhersage der Kommission für 2016/17 fällt mit rund 29 Mio. t Weizen und 10 Mio. t Gerste zwar konservativ, also vorsichtig aus. Aber selbst Skeptiker sehen gute Chancen, dass wir auch künftig z. B. in Nordafrika, dem Nahen und dem Mittleren Osten zum Zuge kommen. Optimisten rechnen sogar mit höheren Exportmengen als oben angegeben. „Der Bedarf ist vorhanden, und wenn Russland, die Ukraine und Kasachstan ihren Verkaufsdruck abgebaut haben, schlägt unsere Stunde“, sagt ein Großhändler. Dies werde allerdings wohl nicht gleich zu Beginn der Saison geschehen.


Genau deshalb sollen Landwirte entweder jetzt noch Vorverträge abschließen. Stellenweise werden sogar noch attraktive Preise genannt. (vgl. Übersicht 2 sowie www.topagrar.com/markt) Eventuell gibt es ja auch wieder einen Kurssprung direkt vor der Ernte. Dann sollten Sie sofort Nägel mit Köpfen machen. Ansonsten raten die meisten Beobachter: Lagern Sie Ihre Ernte ein!


Das gilt besonders für gute Standardqualitäten, vor allem für:


  • einwandfreie Futtergerste – besonders wenn sie trocken gedroschen wird, also problemlos ins Lager kann – und angesichts der enttäuschenden Ex Ernte-Offerten auch für Braugerste,
  • Brotweizen mit 12 bis 12,5 % Protein und 220 bis 230 sec. Fallzahl sowie
  • mühlenfähigen Roggen mit mindestens 120 sec. Fallzahl.


Falls die hiesigen Verarbeiter wirklich im weiteren Verlauf wieder mit dem Exporthandel um passende Gerste und Weizen konkurrieren müssen, ergibt sich mit Sicherheit die eine oder andere Chance, Preisaufschläge auszuhandeln.


Der Deutsche Raiffeisenverband erwartet übrigens bei uns mit 48,8 Mio. t eine um etwa 2,3 % kleinere Ernte als im Jahr 2015, davon z. B.:


  • 25,6 Mio. t Hart- und Weichweizen (-3,7 % gegenüber der Ernte 2015),
  • 11,3 Mio. t Gerste (-3 %),
  • 4,5 Mio. t Mais (+12,8 %),
  • 3,3 Mio. t Roggen (-5,3 %) und
  • 2,5 Mio. t Triticale (-4,9 %).


Das war allerdings vor den Unwettern der vergangenen Wochen. Eventuell fällt die nächste Ernteschätzung also niedriger aus. Jörg Mennerich

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