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EU-Agrarpolitik 2020: Was wünschen sich die Bauern?

Zwei Drittel der Landwirte wollen weiter Direktzahlungen. Ein Drittel möchte dagegen das enge Korsett aus Auflagen und Bürokratie loswerden. Die Universität Kiel hat über 400 Bauern nach ihren Wünschen befragt. Die Debatte um die Zukunft der EU-Agrarpolitik nach dem Jahr 2020 ist eröffnet.

Lesezeit: 7 Minuten

Zwei Drittel der Landwirte wollen weiter Direktzahlungen. Ein Drittel möchte dagegen das enge Korsett aus Auflagen und Bürokratie loswerden. Die Universität Kiel hat über 400 Bauern nach ihren Wünschen befragt.


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---Ein Beitrag aus der top agrar 4/2017 ---


Die Debatte um die Zukunft der EU-Agrarpolitik nach dem Jahr 2020 ist eröffnet. Bekommt die Agrarpolitik eine grundlegend neue Architektur oder bleibt alles beim Alten? Viele Umweltverbände wollen die Direktzahlungen der 1. Säule lieber heute als morgen abschaffen und das ganze Geld in die 2. Säule stecken. Der DBV hält die Flächenprämien dagegen für unverzichtbar, während die DLG sie zumindest nicht als einen Besitzstand ansieht. Und wieder andere träumen von einem dritten Weg und wollen ein ganz neues Fördersystem schaffen.


Fakt ist: Viele Landwirte sind mit der gegenwärtigen Agrarpolitik unzufrieden. Sie bemängeln die überbordende Bürokratie und fürchten für die nächste Reformrunde weitere Auflagen. Deshalb wollten wir von den Landwirten wissen, welche Agrarpolitik sie sich für die Zukunft wünschen. 440 Bauern haben im vergangenen Herbst an unserer Umfrage teilgenommen.


Vor die Wahl gestellt


Dazu haben wir den Landwirten unterschiedliche Möglichkeiten und Kombinationen für die künftige EU-Agrarpolitik vorgelegt. Jede Option beinhaltete die folgenden fünf Bausteine (Übersicht 1):

  • Direktzahlungen in unterschiedlicher Höhe,
  • verschiedene Varianten der Ausgestaltung der Ökologischen Vorrangflächen,
  • Vorgaben für Tierwohlstandards ohne  finanziellen Ausgleich oder mit Prämien,
  • unterschiedlich strenge Grenzwerte für den zulässigen N-Bilanzüberschuss sowie
  • ein enger oder weiter geknüpftes marktpolitisches Sicherheitsnetz.


Aus diesen Bausteinen haben wir unterschiedliche Politikpakete geschnürt (einschließlich Ausstieg aus der EU-   Agrarförderung) und auf Wahlkarten zur Abstimmung gestellt. Übersicht 2 ist ein Beispiel für eine der 64 Wahlkarten.



Für welches Politikpaket hätten Sie sich entschieden? Vielleicht für das Paket 2 wegen der hohen Direktzahlungen? Aber dann wären höchstens 50 kg N-Bilanzüberschuss zulässig und Sie müssten für jedes kg N mehr 2 €/ha Überschussabgabe zahlen. Also dann vielleicht doch lieber Paket 1 mit 100 €/ha weniger Direktzahlungen, aber dafür weniger strikten Düngungsauflagen und einer marktpolitischen Preisabsicherung auf vergleichsweise hohem Niveau? Und wem keine dieser drei Varianten gefällt, der kreuzt einfach „Ausstieg“ (Paket 4) an. Das bedeutet: der Staat zieht sich weitestgehend aus der Agrarpolitik zurück. Es gelten nur noch die gesetzlichen Mindeststandards bei Tierwohl und Düngung. Direktzahlungen und Marktintervention entfallen.


Jeder Befragte stand also vor der Qual der Wahl. Jedes Mal waren die Politikpakete anders zusammengesetzt und die Teilnehmer mussten sich neu entscheiden. Ein eindeutig „bestes“ Politikpaket gab es nie. Die Landwirte mussten stets abwägen, was ihnen persönlich wichtig und was nicht so wichtig ist.


Keine Überraschungen


Aus den „Wahlergebnissen“ konnten wir dann die wichtigsten Entscheidungsmuster herausarbeiten. Vier Punkte lassen sich festhalten:

  • In der überwiegenden Mehrzahl sprechen sich die Befragten für die Fortführung der Direktzahlungen aus – je höher umso besser.
  • Staatliche Eingriffe in das Betriebsgeschehen über erhöhte Tierwohlstandards, Düngungsauflagen oder vorgeschriebene Anteile an Ökologischer Vorrangfläche werden durchweg abgelehnt.
  • Erhöhte Tierwohlstandards werden auch dann nicht akzeptiert, wenn
  • der Staat einen finanziellen Ausgleich anbietet (3 €/verkauftes Mastschwein bzw. 100 €/Kuh und Jahr).
  • Das gilt ebenfalls für Ökologische Vorrangflächen, selbst wenn sie mit500 €/ha prämiert würden.
Diese Ergebnisse haben uns nicht überrascht. Nicht erwartet haben wir allerdings, dass die befragten Landwirte im Mittel auch ein marktpolitisches Sicherheitsnetz ablehnen. Offensichtlich bezweifelt die Mehrheit die Wirksamkeit eines solchen Sicherheitsnetzes oder sie will nicht von der EU gegängelt werden bzw. befürchtet, dass die Politik versuchen wird, darüber zu den alten Methoden der staatlichen Marktintervention zurückzukehren.


Die Landwirte würden ein solches Sicherheitsnetz nur akzeptieren, wenn sie im Gegenzug mit einer um 114 €/ha höheren Direktzahlung „entschädigt“ werden (Übersicht 3). Mit solchen „Entschädigungen“ könnte sich Brüssel auch die Zustimmung für höhere Auflagen in den Bereichen Tierwohl, Düngung und bei den Ökologischen Vorrangflächen „erkaufen“.



Beispielsweise wären für 8 % Ökologische Vorrangflächen 82 €/ha an zusätzlichen Direktzahlungen fällig. Dieser Betrag dürfte im Bereich der Einkommensverluste liegen, die eine solche Vorgabe verursachen würde. Sechs Monate Weidegang für Milchkühe und Haltungskriterien der Initiative Tierwohl bei Schweinen „kosten“ weitere 82 €/ha an Ausgleichsprämie.


Nicht alle einer Meinung


Die vorgestellten Ergebnisse sind die Mehrheitsmeinung. Wenn man die Ergebnisse nach „Präferenzclustern“ einteilt, ergibt sich ein differenzierteres Bild. In einem Präferenzcluster werden die Menschen zusammengefasst, die ähnlich denken und handeln. Für die befragten Landwirte konnten wir drei solche Cluster identifizieren: „Besitzstandswahrer“, „Veränderungsbereite“ und „freie Unternehmer“ (Übersicht 4).



Die „Besitzstandswahrer“ lehnen erhöhte staatliche Auflagen im Bereich Umwelt und Tierwohl vehement ab. Sie sprechen sich aber deutlich für eine Beibehaltung der Direktzahlungen aus. Es wäre ihnen am liebsten, wenn alles beim Alten bliebe. Mit 20 % der Befragten ist dies die kleinste Gruppe.


Die „Veränderungsbereiten“ sind dagegen zu Zugeständnissen bereit. Das gilt v. a. für höhere Tierwohlstandards, wenn der Staat die finanziellen Nachteile über Tierwohlprämien ausgleicht.

Vermutlich würden sie sich auch nicht gegen eine entsprechende Regelung beim Greening oder bei Düngungsauflagen sträuben. Voraussetzung für diese Zugeständnisse ist allerdings, dass der Staat sie weiterhin unterstützt. Und zwar sowohl mit Direktzahlungen als auch mit einem marktpolitischen Sicherheitsnetz. Leistung und Gegenleistung ist für diese Gruppe ganz wichtig.


Die „Veränderungsbereiten“ akzeptieren als Einzige marktpolitische Eingriffe auf niedrigem Niveau. Mit 46 % der Befragten gehört fast die Hälfte aller Befragten in diese Gruppe (Übersicht 4).


Die „freien Unternehmer“ lehnen staatliche Eingriffe in das Betriebsgeschehen und in landwirtschaftliche Märkte durchweg ab. Sie sprechen sich sogar für die Abschaffung der Direktzahlungen und gegen ein marktpolitisches Sicherheitsnetz aus. Und sie sind selbst dann gegen hohe Umwelt- und Tierwohlstandards, wenn diese mit Prämien untermauert werden.


Landwirte dieser Gruppe wünschen sich eine Agrarpolitik, die ihnen größtmöglichen unternehmerischen Freiraum bietet. Im Gegenzug verzichten sie auf jede Art „staatlicher Bezahlung“. Die „freien Unternehmer“ wollen, dass der Staat sich aus der Regulierung des Agrarsektors so weit wie möglich zurückzieht. Sie begründen dies mit der „überbordenden Bürokratie“ und „Einschränkung der unternehmerischen Freiheit“. Ein gutes Drittel (34 %) der Befragten fällt in diese Gruppe.


System ist anfällig für Kritik


Die mangelnde Akzeptanz der EU-Agrarpolitik selbst unter Landwirten deutet darauf hin, dass es der Politik zunehmend weniger gelingt, den Begünstigten auch den Nutzen des agrarpolitischen Förderrahmens zu vermitteln. Das macht die Landwirte anfällig und empfänglich für populistische Forderungen nach einem radikalen Wandel der Agrarpolitik und sollte den agrarpolitischen Entscheidungsträgern zu denken geben.


Weiter wie bisher oder ganz neu?


Brüssel hat die Debatte über die EU-Agrarpolitik nach dem Jahr 2020 offiziell gestartet. Seit Anfang Februar können Bauern, Bürger und alle interessierten Verbände und Institutionen an der Umfrage zur „Modernisierung und Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik“ teilnehmen.


Und Agrarkommissar Phil Hogan hat zusätzlich  bei der Wissenschaft eine Folgenabschätzung verschiedener Szenarien zur Zukunft der EU-Agrarpolitik in Auftrag gegeben (siehe top agrar 3/2017, Seite 16).


Mitte des Jahres will der Ire die Ergebnisse der Umfrage und der Folgenabschätzung vorlegen und diskutieren. Darauf aufbauend soll dann kurz vor Weihnachten sein Vorschlag über die Zukunft der EU-Agrarpolitik kommen. Schon jetzt ist klar, der Brexit und die fehlenden Nettozahlungen der Briten an den EU-Haushalt (ca. 3 Mrd. € pro Jahr) lassen schwierige Verhandlungen erwarten.


Deshalb wird die Uni Kiel in den nächsten Wochen eine weitere Umfrage starten. Sie will wissen, ob sich die Landwirte auch eine ganz andere Architektur der Agrarpolitik vorstellen können. top agrar wird Sie rechtzeitig auf die Umfrage hinweisen.

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