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GAP 2020 konkret – Eine Grundlage zur Diskussion

"Viele Behörden und Organisationen, auch außerhalb der Landwirtschaft, machen sich derzeit Gedanken und formulieren Vorschläge, wie es mit der europäischen Landwirtschaft nach 2020 weitergehen soll. Außer beim Praktiker-Netzwerk des BMEL hat mich bisher noch niemand nach meiner Meinung gefragt", sagte Bauer Willi.

Lesezeit: 9 Minuten

Ein Gastbeitrag von Bauer Willi von www.bauerwilli.com:


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Viele Behörden und Organisationen, auch außerhalb der Landwirtschaft, machen sich derzeit Gedanken und formulieren Vorschläge, wie es mit der europäischen Landwirtschaft nach 2020 weitergehen soll. Außer beim Praktiker-Netzwerk des BMEL hat mich bisher noch niemand nach meiner Meinung gefragt. Deshalb melde ich mich jetzt mit konkreten Vorschlägen zu Wort. Bin auf eure Meinung gespannt. Wenn sie euch gefallen, könnt ihr die ja eurem lokalen Politiker weitergeben.


Was wir verstanden haben


Wir wollen unserer Aufgabe, gesunde Nahrungsmittel zu erzeugen und gleichzeitig Leistungen für die Allgemeinheit (Landschaft, Umwelt, Klima etc.) zu erbringen, auch weiterhin nachkommen. Wir haben erkannt, dass der Gesellschaft (zumindest in Deutschland)  offensichtlich eine Verbesserung ökologischer Leistungen und mehr Tierwohl wichtiger sind als Nahrungsmittelsicherheit und Importunabhängigkeit.


Wir stellen zugleich fest, dass zusätzliche Leistungen bisher nicht angemessen honoriert werden. Soziale und ökologische Standards werden in der EU als selbstverständlich hingenommen, finden jedoch bei Importen keine Anwendung. Wir stehen in einem unfairen Wettbewerb.


Die Gesellschaft, vertreten durch diverse Parteien, aber auch eine Vielzahl von Nicht-Regierungsorganisationen, fordern öffentliches Geld nur noch bei öffentlichen Leistungen. Das Gießkannen-Prinzip der flächengebundenen Prämien (1. Säule) wollen sie abschaffen. Das Agrarbudget soll erhalten, aber anders und zielorientierter verteilt werden.


Was wir Bauern wollen

  • Deutlich weniger Bürokratie, weniger und sinnvollere Kontrollen, EU-weite Regelungen und ein EU-weit gleiches System in der Umsetzung
  • Anpassung des Systems an unterschiedliche Regionen in der EU (Subsidiarität und Mitverantwortung)
  • Verbesserung der Einkommenssituation und Krisensicherung
  • Stärkung der Familienbetriebe, Wertschöpfung beim Erzeuger und nicht beim Handel
  • Stärkung der Vermarktung (Genossenschaften, Erzeugergemeinschaften etc.) und Mitspracherecht (Veto) beim Endverbraucherpreis, Anpassung des Kartellrechts
  • Abschaffung des Greening und Ersatz durch freiwilligen und angepassten Vertrags-Naturschutz (Region, Witterung etc.) der spürbare Einkommenswirkung hat (Anreize statt Bestrafung)
  • Abschaffung des Systems der Zahlungsansprüche
  • Abschaffung von gekoppelten Direktzahlungen EU-weit
  • Beibehaltung bzw. Erhöhung des gegenwärtigen EU-Agrar-Budgets
Alle Landwirte, die die öffentlich geäußerten Wünsche der Gesellschaft umsetzen, müssen mindestens gleich gut oder besser gestellt sein als bisher. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass es für den Bürger teurer wird. Steigen jedoch die Wünsche und Ansprüche der Bürger, so müssen diese auch entsprechend höher vergütet werden. Das Prinzip von Nachfrage und Angebot muss auch bei Umweltleistungen gelten.  Sämtliche Maßnahmen sind also „Produkte“, die einer wirtschaftlichen Betrachtung standhalten müssen und nicht nur einen Ausgleich darstellen.


Was bedeutet das konkret?


Das bisherige Säulenmodell hat ausgedient. Zukünftig können und sollen die Zahlungen betriebsspezifisch erfolgen, wobei es keine Rolle spielt, ob der Betrieb klein oder groß ist, biologisch oder traditionell geführt wird, ob er/sie Viehhalter, Ackerbauer, Wein- oder Obstbauer ist. Grundidee ist die Freiwilligkeit: wer mehr Maßnahmen für mehr Umwelt-, Natur-, oder Tierschutz ergreift, soll belohnt werden. Wer dies nicht möchte, erhält keine Förderung.


Welche Höhe von Zahlungen jeder Betrieb für sich beansprucht, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang er die oben genannten Leistungen erbringt. Eine Veröffentlichung der Zahlungen darf nicht mehr erfolgen, weil sie bisher oft dazu geführt hat, dass die bisherigen flächengebundenen Prämien ganz oder teilweise an Verpächter oder andere Marktbeteiligte (z.B. Weiterverarbeiter, LEH, vorgelagerter Bereich etc.) durchgereicht wurden.


Welche Maßnahmen werden wie entlohnt?


Logischerweise wird es hierfür viele Vorschläge geben, weil jeder sofort danach schielt, für seine Interessen das Optimum herauszuholen. Von daher wird hier noch viel diskutiert werden. Hier unsere Vorschläge, wie es gehen könnte:

  • Das EU-Budget wird auf die einzelnen Staaten in der Höhe so verteilt, wie es im Schnitt der Jahre 2012 bis 2017 verteilt wurde. Dies lässt sich statistisch leicht ermitteln, bietet eine gute Grundlage und sollte mehrheitsfähig sein.
  • Die Verwaltung erfolgt einheitlich nur noch durch eine Bundesbehörde. Für Deutschland wird folglich für alle Bundesländer ein einheitlicher Schlüssel verwendet.
  • Extensivierung und kleinräumige Strukturen werden besonders und mit Augenmerk auf regionale Besonderheiten gefördert, weil so Biodiversität, Schutz von Boden, Wasser und anderen Faktoren besonders gewährleistet wird.
  • Maßnahmen, die standorttreu und über einen längeren Zeitraum erfolgen, werden besonders entlohnt (Ziel: Etablierung von Pflanzen und Tieren)
  • Für Maßnahmen, die im Verbund von mehreren Landwirten in einer Region durchgeführt werden, (Ziel: vernetzte Strukturen) erhalten alle Teilnehmer einen Zuschlag.
  • In der Tierhaltung werden Stallneu oder –umbauten mit verlorenen Zuschüssen gefördert. Finanziell unterstützt werden aber auch kleinteilige Verbesserungen
  • Für Junglandwirte/Neueinsteiger werden alle Ausgleichszahlungen in den ersten 5 Jahren um 20% angehoben
  • Einbindung der Land- und Forstwirte in den CO2-Zertifikate-Handel, da sie ja mit ihren Kulturen CO2 binden und Sauerstoff freisetzen.
Denkbar ist auch eine Grundprämie für Verwaltung (Dokumentation etc.), die degressiv nach aufsteigender Betriebsgröße gestaffelt ist(150 €/ha bis 50 ha, 80 €/ha ab 500 ha, weil der Aufwand ja abnimmt).Damit würden die bäuerlichen Kleinbetriebe besser gefördert.


Ackerbau


Die gezielte Ansaat von Grünbrache/Insektenförderung (eine sinnvolle Aussaatmischung pro Region, Nachweis über Lieferschein, Preis der Mischung wird fixiert) wird pro Hektar mit 1.200 € gefördert. Der Umfang sollte mindestens 5% der Ackerfläche, darf höchstens jedoch 20% der Ackerfläche betragen. Für jedes Jahr, in dem die Grünbrache stehen bleibt, wird ein zusätzlicher Betrag von 200 €/ha gezahlt, so dass im fünften Jahr mit 2.000 €/ha die Höchstsumme erreicht wird. Die Grünbrache behält weiterhin den Status des Ackerbaus. Vorteil: ökologisch wertvoll und leicht zu kontrolliert.


Blühstreifen, egal ob an Gewässern, Waldrändern, Hecken oder innerhalb der Parzelle, werden wie Grünbrache behandelt. Sie sind an die jeweilige Spritzenbreite des Betriebes angepasst, werden folglich mindestens 12 m breit sein. Liegen die Blühstreifen innerhalb der Parzelle, müssen sie über die gesamte Schlaglänge gehen. Vorteil: einfache Arbeitserledigung für den Landwirt, Nutzung von elektronischer Breitenabschaltung (GPS) und einfache Kontrolle, weil die Schlaglänge (minus Vorgewende) bekannt ist. Jährliche Zuschläge ebenfalls wie bei Grünbrache.


Eine dauerhafte Aufforstung mit regional angepassten Arten wird je nach Region mit 1.200 bis 1.600 €/ha/Jahr entschädigt. (Höchstsumme in intensiven Ackerbau-Regionen) Für die dauerhafte Anlage und Pflege von Hecken werden 2.000 €/ha bezahlt.


Eine Extensivierung bedeutet im ersten Schritt ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und ist nur wirklich sinnvoll bei Halmfrüchten (Getreide, Mais) weil hier die Unkrautbekämpfung mechanisiert werden kann (Maschineneinsatz über Kooperationen, Maschinenring, Lohnunternehmer). Der Verzicht von PSM umfasst den Zeitraum von der Aussaat bis zur Ernte. Belegt wird dieser Verzicht durch doppelten Saatabstand und Kontrolle der Schlagkartei. Die Vor-Ort-Kontrollen können bei dieser Maßnahme intensiviert werden, damit keiner schummelt. Der erste Schritt, Verzicht auf PSM wird mit dem ortsüblichen Ertragsausfall (regional unterschiedlich, aber durch Versuche ermittelt) entschädigt. Für Erschwernisse in der Folgebewirtschaftung erfolgt ein Zuschlag in Höhe von … €/ha.


Im zweiten Schritt kann auch der Verzicht auf jegliche Düngung ab der Aussaat entschädigt werden. Eine Düngung vor der Aussaat ist erlaubt, jedoch auf xxx kg /N/ha beschränkt. (Bodenart, Ertragsniveau und regionale Besonderheiten berücksichtigen) Die Höhe der Entschädigung richtet sich ebenfalls an den regionalen Werten aus.(Beispiel für Entschädigung Weizen: Hochertragsregion 100 dt/ha minus 40% = 40 dt x 16 € = 640 €/ha, mittlere Ertrag 80 dt/ha minus 40% = 512 €/ha)


Ob die Düngung mineralisch oder organisch erfolgt, ist unerheblich. Bezieht und bringt der Landwirt jedoch organischen Dünger (Gülle, Mist, Gärsubstrat etc.) aus, wird dieser bezuschusst (z.B. Vorlage der Lieferscheine)


Bedeutsam ist auch eine Vernetzung aller oben genannten Maßnahmen in der Landschaft, damit keine isolierten „Umweltinseln“ entstehen. Wenn Felder mit Grünbrachen, Blühstreifen, Aufforstung und Extensivierung aneinander anschließen, ist dies für die Artenvielfalt günstiger. Wie dies jedoch hergestellt und einfach verwaltet werden kann, muss noch diskutiert werden. Wünschenswert wäre es jedenfalls.

Öko-Betriebe, die auf traditionelle Pflanzenschutzmittel verzichten und nicht mehr als 120 kg/N/ha düngen, werden wie oben entschädigt. Für Übergangsbetriebe gelten gesonderte Maßnahmen.


Grünland


Extensive Mahd (nur ein Schnitt, ausgerichtet an Zeigerpflanzen), extensive Beweidung, Verhinderung von unerwünschten oder invasiven Arten (Jakobskreuzkraut, Riesenbärenklau, Drüsiges Springkraut etc.) Förderung der (Wander)Schäferei sollen hier nur beispielhaft genannt werden.


Sonderkulturen


Für Rebland, Obstkulturen, Oliven und andere langjährige Kulturen sind gesonderte Regelungen zur Extensivierung zu entwickeln. Gleiches gilt für den Gemüsebau.


Tierhaltung


Grundprinzip ist die Förderung von mehr Tierwohl. Dies ist grundsätzlich unabhängig von der Bestandsgröße. Wichtig im Sinne der Umwelt ist aber eine Koppelung der tierischen Exkremente an die Fläche. Jeder Betrieb hat nachvollziehbar nachzuweisen, dass die Fläche zur Verbringung den Faktor 2 GVE pro Hektar nicht überschreitet. Diese Flächen müssen nicht im eigenen Betrieb liegen. Dieser Nachweis ist für mindestens 5 Folgejahre zu erbringen.


Grundlage der Ausgleichszahlung ist das staatliche Tierwohl-Label, das wie folgt ausgestaltet ist:

Stufe 2: Eingang, Stufe 1: Premium, Stufe 0: Biostandard nach Bioland-Richtlinien. Wer sich am staatlichen Tierwohllabel nicht beteiligt, erhält keine Förderung.


Das staatliche Label ist für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel verbindlich. Weitere Sonderregelungen des Lebensmitteleinzelhandels sind nicht zulässig! Für alle Stufen ist von der aufnehmenden Hand ein gesetzlich festgelegter Zuschlag (% auf den Basispreis) zu zahlen. Die Ermittlung des Basispreises erfolgt durch (anonymisierte) Meldung des Einkaufspreises der aufnehmenden Hand an eine Bundesbehörde.


Auf die Betreuung der Tiere muss besonderen Wert gelegt werden. Ist nachzuweisen, dass pro 100 GVE ein Betreuer zur Verfügung steht, so wird pro Betreuer ein jährlicher Betrag von 12.000 € gezahlt. Ab einem Betreuungsschlüssel von 300 GVE/Betreuer hat der Betrieb jährlich 6.000 € an das Bundesamt zu zahlen. Ab 500 GVE/Betreuer ist dem Betrieb die Viehhaltung zu untersagen. Die angegebenen Zahlen sind beispielhaft aufgeführt und können entsprechend angepasst werden, falls eine elektronische Bestandsüberwachung installiert ist/wird.


Fazit


Das hier vorgestellte Papier zielt darauf ab, eine Diskussion über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 in Gang zu setzen. Nicht jedes Detail kann in der Tiefe erläutert werden. Alle Zahlen sind beispielhaft genannt und sollen nur die Größenordnungen abbilden. Für weitere Vorschläge und Anregungen ist der Autor dankbar. Kritik ist erwünscht, wenn gleichzeitig andere Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Was alles „schwierig“ ist und was „Probleme bereitet“ weiß ich auch selbst.


Gastbeiträge geben nicht in allen Fällen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen Sie, wenn wir den Inhalt für diskussionswürdig halten. Der Originalbeitrag ist bei www.bauerwilli.com erschienen.

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