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Kempkes: „Unsere Vision ist die digitale Genossenschaft!“

„Wir wollen eine digitale Genossenschaft sein, die die Bedürfnisse ihrer Landwirte kennt und sich danach ausrichtet“, erläutert Christoph Kempkes die Strategie der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main. Der alleinige Verkauf von Betriebsmitteln reiche zukünftig nicht mehr aus. Gute Beratung werde immer wichtiger.

Lesezeit: 10 Minuten

„Wir wollen eine digitale Genossenschaft sein, die die Bedürfnisse ihrer Landwirte kennt und sich danach ausrichtet“, erläutert Christoph Kempkes die Strategie der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main (RWZ). Der alleinige Verkauf von Betriebsmitteln reiche zukünftig nicht mehr aus. Gute Beratung werde immer mehr zu einem Schlüssel-Erfolgsfaktor im Agrarhandel, ist der RWZ-Chef überzeugt.


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Von der Digitalisierung müssten aber beide Seiten profitieren – der Handel und die Landwirtschaft. „Viele Landwirte sind sich noch nicht ganz sicher sind, ob die Digitalisierung Fluch oder Segen ist. Letztlich werden sich aber die Anwendungen durchsetzen, die die Arbeit der Landwirte erleichtern bzw. die Produktion effizienter machen“, ist Kempkes sicher.


Im Interview mit top agrar online warnt der RWZ-Vorstandsvorsitzende davor, das Thema Datenschutz zu überhöhen: „Datenschutz ist wichtig und die Daten gehören natürlich den Landwirten. Sie müssen diese aber mit uns teilen, sonst können wir nichts daraus machen. Das werden die Bauern auch tun, weil sie uns vertrauen.“


Wo liegen die größten Chancen und Potenziale der Digitalisierung für den Agrarhandel?


Kempkes: Im Idealfall wird der Landwirt seinen Betrieb effizienter und Ressourcen-schonender zu führen – im Büro, auf dem Acker und im Stall. Transaktionen zwischen Kunden und Zulieferern können einfacher, billiger und auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten möglich werden. Die Transparenz über das Marktgeschehen und der Radius für Geschäftsbeziehungen werden steigen. Das alles ist noch ein langer Weg. Man muss wollen, können und erst mal die notwendigen Ressourcen aufbringen.


In welchen Bereichen bringt die Digitalisierung Ihrem Unternehmen schon heute konkrete finanzielle und andere Vorteile?


Kempkes: Wir steuern bereits unsere Verkaufsaktivitäten über ein CRM-System (Anm. der Red.:CRMsteht für Customer-Relationship-Management, d.h. Kundenbeziehungsmanagement, und bezeichnet eine Strategie zur systematischen Gestaltung aller Beziehungen und Interaktionen Ihres Unternehmens mit bestehenden und potenziellen Kunden.). Bei der Digitalisierung interner Prozesse machen wir gute Fortschritte. Bei der Konzipierung eines Portals zur Verbesserung der Kundenbeziehungen sind wir noch am Anfang.


An welchen digitalen Fragestellungen und Themen arbeiten Sie konkret?


Kempkes: Uns leitet die Vision einer „digitalen Genossenschaft“ im Verbund mit andren Partnerunternehmen. Wir werden hier genau nachfragen und hinhören, was der Landwirt wirklich braucht und nicht zu schnell zu viel machen. Kunden und Mitarbeiter müssen mitgehen wollen. Digitalisierung hat viel mit Führung zu tun.


Digitalisierung ist ein weites Feld: In welchen Bereichen der Digitalisierung investiert die RWZ vor allem?


Kempkes: Grundsätzlich wollen wir das Rad nicht neu erfinden, sondern schauen, was es bereits gibt und wo wir uns da sinnvollerweise anhängen können. „Smart Farming“-Lösungen bieten wir deshalb mit unserem Partner FarmFacts an. An einem Kundenportal arbeiten wir mit Partner-Genossenschaften. Wir werden unser CRM schärfen und klüger nutzen. Interne Prozesse wollen wir mit digitaler Technologie beschleunigen und vereinfachen, zum Beispiel im Bereich der Personaladministration und Rechnungslegung.


Wie viel Geld haben Sie 2017 in digitale Entwicklungen gesteckt und wie wird sich das 2018 weiterentwickeln?


Kempkes: Für Projekte, die unseren Kunden oder uns selber nutzen, werden wir die notwendigen Mittel aufbringen. Darüber hinaus suchen wir Partnerschaften, um den hohen Finanzbedarf auf mehrere Schultern zu verteilen. 


Welchen Anteil machen die digitalen Investitionen am Gesamtinvestitionsbudget der RWZ aus?


Kempkes: Unter 10%. Wir fahren hier vorerst einen vergleichsweise bescheideneren Ansatz; wissen aber, dass die finanziellen Aufwendungen im Zeitablauf zunehmen werden.


Wie verändert die Digitalisierung die Geschäftsbeziehung zwischen Landwirt und Agrarhandel? Werden digitale Dienstleistungen und digitale Beratungsangebote wichtiger als das Kerngeschäft?


Kempkes: Die Schwerpunkte werden sich verschieben. So wird z.B. der bloße Verkauf von Betriebsmitteln auf lange Sicht nicht mehr reichen. Der Kunde wird Konzepte und „Paketlösungen“ erwarten. Es geht nicht mehr nur um den Preis pro Kilo, sondern um den Ertrag pro Hektar – in einem sich verschärfenden regulativen Umfeld. Die Markttransparenz wird steigen und als Folge der Wettbewerbsdruck zunehmen. Gute Beratung wird ein Schlüssel-Erfolgsfaktor – und die darf und muss auch Geld kosten. Beratungsangebote werden das Kerngeschäft ergänzen, nicht ersetzen.


Wird damit die öffentliche und private, unabhängige Beratung überflüssig?


Kempkes: Nein. Der Landwirt hat ja die Möglichkeit, relevante Inhalte aus zahlreichen Quellen auf seinen PC zu spielen und sollte das auch tun – und in dieser multiplen Informationswelt haben alle Beratungsstellen ihren Platz, solange sie gut und nützlich sind. Für uns wird die Herausforderung darin bestehen, möglichst ausgewogene und objektive Beratungsleistungen zu erbringen, ohne diese immer zwingend an einen Kauf-Akt zu knüpfen. Wichtig ist, das die „Transaktion“ (Bestellung, Lieferung, Abrechnung) möglichst einfach ist. Wenn wir das alles gut machen, wird der Kunde auch seinen Produktbedarf bei uns decken und uns mit Treue belohnen.


Die Digitalisierung erlaubt es, Ihre Arbeitsprozesse wesentlich effizienter zu gestalten. Wie groß sind die Effizienzpotenziale, die zu heben sind?


Kempkes: Hier haben wir noch keine belastbaren Daten; ich könnte hier nur die Potenziale, welche in der Branche kolportiert werden, repetieren. Und ob dann wirklich alles so funktioniert, wie es angepriesen wird, ist noch nicht ausgemacht. Der „Faktor Mensch“ spielt für den Erfolg ein große Rolle. 


Wer profitiert davon finanziell, der Handel oder die Landwirte?


Kempkes: Beide müssen profitieren – sonst ergeben digitale Angebote keinen Sinn. Schaffen wir Exzellenz in den wechselseitigen Prozessen und Verbessern wir die Basis für qualifizierte Geschäftsentscheidungen, werden wir das alle in ihrer Geldbörse spüren. Einfach wird das aber nicht. Am Anfang stehen erst mal Kosten und viel Aus- und Weiterbildung.


In welcher Form arbeitet die RWZ mit den Herstellern von Saatgut, Pflanzenschutzmitteln oder Landtechnikunternehmen zusammen, um digitale Lösungen aus einer Hand anzubieten?


Kempkes: Bei Betriebsmitteln spielt die Digitalisierung bislang noch eine untergeordnete Rolle. Die Hersteller von Landtechnik sind da bereits weiter: es ist bemerkenswert, was Schlepper, Spritzen usw. bereits alles können. Der Königsweg wird sein, Betriebsmittel- und Landtechnik-Know-how zu verbinden, damit nur das, was wirklich ausgebracht werden muss, auch präzise auf den Acker läuft. Wir testen gerade die teilflächenspezifische Maisaussaat; das lässt sich vielversprechend an.


Wie wichtig sind für Sie Start up-Unternehmen, die Ideen bzw. Lösungen für bestimmte Detailprobleme entwickeln?


Kempkes: Bislang eher unwichtig, wiewohl wir mit offenen Augen auf die Szene blicken. Wir betrachten und organisieren unsere eigenen Bemühungen im digitalen Bereich als „Start-up“, um diese nicht mit den langwierigen firmenintern Prozessen zu belasten.


Welche Hemmnisse sehen Sie derzeit bei der digitalen Entwicklung in Deutschland?


Kempkes: Es wird viel geredet, aber es fehlt an vielen „Basics“. In Köln im Tunnel und erst recht in den ländlichen Gebieten, wo unsere Landwirte, Winzer oder Gartenbauer arbeiten, ist der Internet-Empfang eher bescheiden.


Bund und Länder haben viele Förderprogramme für den digitalen Ausbau aufgelegt: Reicht das?


Kempkes: Na ja; man gefällt sich zwar gerne im Preisen einer „Start-up Kultur“, in Praxis spüren wir aber wenig von der vermeintlichen digitalen Offensive der Politik. Ich wüsste auch nicht, an wen ich mich konkret wenden sollte, um öffentliche Mittel für die Digitalisierung der Landwirtschaft – immerhin der Versorger unserer Bevölkerung mit Lebensmitteln – aufzutreiben. Da haben andere Industriezweige offenbar eine bessere Lobby.  


Welche Rahmenbedingungen erwarten Sie von der Politik und wer muss dafür Sorge tragen?


Kempkes: Unsere Branche steht vor großen Herausforderungen. Es geht um die Akzeptanz einer notwendigerweise „industrialisierten“ Landwirtschaft – wie sonst soll man diese Vielzahl an weitestgehend sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmittel zu günstigen Preisen produzieren? Hier kann die Digitalisierung helfen. Wir alle wollen weniger Betriebsmittel ausbringen und mehr für das Wohl unserer Nutztiere tun. Das ist aber ein Prozess. Und dabei kann uns die Politik konstruktiv-wohlwollend begleiten. Das ist nicht immer der Fall. Manche Entscheidungen, die entgegen besseren Fachwissens aus reinem Populismus getroffen werden, erschrecken mich.


Welche rechtlichen Unsicherheiten bringt die Digitalisierung?


Kempkes: Letztlich geht es um eine Unmenge an Daten und darum, aus diesen sinnvolle Konklusionen zu ziehen. Je mehr Daten („Big Data“), desto besser die Schlussfolgerungen und daraus abgeleitet, die Handlungsempfehlungen. Hier muss man sich verlassen können, dass damit kein Missbrauch betrieben wird.


Wie gut sind die Landwirte auf das digitale Zeitalter vorbereitet? Wie steht es aus Ihrer Sicht um deren digitale Kompetenz?


Kempkes: Ich glaube, dass viele Landwirte sich noch nicht ganz sicher sind, ob die Digitalisierung Fluch oder Segen ist. Ich meine aber, dass letztlich alles, was man digitalisieren kann, auch digitalisiert werden wird – ähnlich wie bei der Automatisierung, die da, wo es geht, die Handarbeit abgelöst hat. Deshalb muss man das Thema positiv besetzen und konstruktiv angehen. Im Übrigen halte ich aber die Technik-Affinität unter der jungen Generation an Landwirten und Winzern für deutlich ausgeprägter, als man gemeinhin annimmt. Wir schmunzeln über das selbstfahrende Auto – der Schlepper kann das schon lange. 


Bei digitalen Anwendungen werden viele Daten der Landwirte generiert, verknüpft und ausgewertet. Dafür bieten die Unternehmen Portale und Softwarelösungen an. Auf welche Lösungen setzt die RWZ?


Kempkes: Wir setzten auf das , was der Landwirt und Winzer auch wirklich braucht. Dazu zählen Lösungen, um Transaktionen zwischen dem Landwirt und uns – verkaufs- und einkaufsseitig – einfach und verlässlich zu machen. Dazu zählen Anwendungen, die den Ertrag pro Hektar optimieren bei minimalem Betriebsmitteleinsatz. Dazu zählt aber nicht jede x-beliebige App oder Anwendung, die angebliche Wunder wirken kann, nur weil sie „digital“ daherkommt.


Oft sind die Softwarelösungen sogar kostenlos oder kostengünstig für die Nutzer. Welches Geschäftsmodell steht dahinter?


Kempkes: Das müssen Sie die entsprechenden Anbieter fragen. Wir müssen für unsere Beratungsdienstleistungen und Software-Lösungen jedenfalls Geld nehmen, sonst fehlen die Mittel, besser, relevanter zu werden, wovon dann ja auch der Landwirt profitiert.


Oder stehen Vertriebsaktivitäten im Vordergrund?


Kempkes: Klar, viele Anbieter wollen Kunden über vermeintlich kostenlose Leistungen in ihr womöglich geschlossenes System hinein-theatern, um ihnen dann etwas zu verkaufen oder die generierten Daten gewinnbringend zu verwenden. Das wollen wir nicht. Wir sind für offene Systeme mit Entscheidungshoheit beim Landwirt. Entsprechend strengen wir uns an, so dass er sich bei der Gesamtabwägung unsere Produkte und Services für die RWZ entscheidet.


In Deutschland ist der Datenschutz ein wichtiges Thema: Wem gehören die gewonnenen Daten und wer hat darauf Zugriff ?


Kempkes: Datenschutz ist sensibel und wichtig. Die Daten kommen vom Landwirt und gehören diesem folglich auch. Er muss diese aber mit uns teilen, sonst können wir nichts daraus machen. Das wird er auch tun, weil er uns als „seiner Genossenschaft“ vertraut. Grundsätzlich sollte man das Thema Datenschutz aber nicht überhöhen. Die meisten Menschen haben ja außerhalb der landwirtschaftlichen Anwendungen auch kein Problem, vieles von sich preiszugeben.


Garantiert die RWZ den Schutz der Daten? Und was tun sie dafür?


Kempkes: Wir sagen den Schutz der Daten zu und werden diese mit Sicherheit nicht verwenden, um den Landwirten irgendwelche ungefragten Postwurfsendungen zu schicken. Die RWZ arbeitet bei der IT-Sicherheit auf dem neusten Stand der Technik. Unsere Server sind real und gut abgeschirmt und nicht in irgendeiner „Wolke“.


Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals

 

Christoph Kempkes ist seit 1. Juni 2016 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG (RWZ). Zuvor war Kempkes u. a. Mitglied des Vorstandes der AGRAVIS Raiffeisen AG und Vorstandsvorsitzender der VK Mühlen AG (Hamburg).


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Hinweis:

Christoph Kempkes wird zum Thema auch beim Kongress "Farm & Food 4.0: Mitten in der Revolution - Chancen suchen für die Wertschöpfung von morgen" am 22. Januar 2018 im bcc Berlin Congress Center sprechen. Weitere Informationen zur Tagung finden Sie unter www.farm-and-food.com. Dort können Sie sich auch anmelden, wenn Sie teilnehmen wollen.

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