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Allgäuer Molkerei auf Welt-Tournee

Lesezeit: 9 Minuten

Die Privatmolkerei Ehrmann produziert in Deutschland, Russland und den USA. Deshalb kann sie ­einen der höchsten Milchpreise im Allgäu zahlen. top agrar sprach mit Geschäftsführer Christian Ehrmann.


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Herr Ehrmann, der Frische­-Bereich in Deutschland schwächelt seit Jahren. Sie konnten zuletzt als einzige Molkerei beim Absatz zulegen. Wie erreichen Sie das?


Ehrmann: Wir berufen uns auf unsere Kernwerte: Wir sind eine Familienmolkerei. Bei uns haben Ehrlichkeit, Tradition und Ursprung oberste Priorität. Das schätzen die Konsumenten. Und natürlich sind wir innovativ. Dabei kommt es vor allem darauf an, in Konzepten zu denken. Denn es bringt nichts, die Erdbeere mit der 28. Sorte Obst zu mixen – das gibt es alles schon. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Innovation ist unser Drei-Kammer-Becher. Der hat einen deutlichen Schub beim Joghurt-Absatz gebracht.


Offenbar helfen Ihnen auch Ihre Marken. Damit heben Sie sich vor allem von den Genossenschaftsmolkereien ab. Wie viel mehr Wertschöpfung lässt sich damit erzielen?


Ehrmann: Unsere Marke Almighurt gibt es mittlerweile seit über 50 Jahren. Wichtig ist, eine Marke permanent zu pflegen und zu bewerben. Der Verbraucher wird kontinuierlich an die Marke erinnert. Am besten funktioniert das für uns über das Medium TV. Aber natürlich sind hierfür auch hohe Investitionen für gute Werbeplatzierungen notwendig. Entscheidend ist, den Werbedruck vor allem auch in schwierigen Jahren aufrecht zu erhalten und die Marke so zu stützen.


Die Markenprodukte sichern vor allem das Absatz-Volumen, erhöhen aber nicht unbedingt die Wertschöpfung. Das sehen Sie im Moment ganz gut: Die Preise für sämtliche Milchprodukte sind kräftig gestiegen, dementsprechend auch die Milchpreise der Molkereien mit Standardprodukten. Für uns Marken-Artikler ist es da schwer, mitzu-halten. Denn wir können nicht fort-laufend höhere Preise beim Handel durchsetzen.


Ihr Almighurt-Joghurt muss oft als 29 Cent-Lockangebot herhalten. Wie kommt es zu solchen Ramsch-Angeboten?


Ehrmann: Discounter und Supermärk­- te nutzen unseren Joghurt gerne als sogenannten Anker-Artikel: Mit den Aktionspreisen locken sie Kunden in ihre Läden, die sonst nicht kommen. Die kaufen dann noch weitere Produkte und steigern den Umsatz. Natürlich ärgert uns das. Aber der Handel macht die Preise, wir haben keinen Einfluss darauf. Die Gefahr ist, dass bei einem zu großen Preisabstand zum nor­ma­len Preis die Marke leidet und die Verbraucher nur noch auf die Lockange­bote lauern. Der Absatz schnellt während der Preisaktionen immer in die Höhe, bricht danach aber für ein paar Tage ein, da sich die Leute erst einmal eingedeckt haben.


Der Europäische Gerichtshof will Ihnen die Marke „Monster Backe“ jetzt streitig machen. Er wirft Ihnen Verbrauchertäuschung vor. Worum geht es?


Ehrmann: Wer für Produkte mit einer gesundheitlichen Wirkung wirbt, muss laut EU-Recht auf der Verpackung weitere Hinweise zum Nutzen geben. Die Gutachter prangern unseren Werbespruch „So wichtig wie das tägliche Glas Milch“ an. Sie sind der Meinung, wir würden suggerieren, dass unser Quark die Gesundheit verbessere. Wir sehen das völlig anders. Da wir aber in einem laufenden Verfahren sind, möchte ich nicht mehr dazu sagen. Fest steht aber, dass wir in die nächste Instanz gehen und gespannt sind, wie die Richter entscheiden.


Sie sitzen mitten im Allgäu, umzingelt von zahlreichen Molkereien. Der Kampf um die Milch ist hart (Übersicht 1). Wie stellen Sie sicher, dass Sie an genügend Rohstoff kommen?


Ehrmann: Das ist relativ einfach: Wir zahlen den höchstmöglichen Milchpreis aus. Der liegt in der Regel über dem der anderen Molkereien. Dadurch haben wir sogar starken Zulauf. Beispielsweise bekommen wir im Januar 20 Mio. kg von ehemaligen Omira-­Lieferanten ­hinzu. Die Verarbeitungsmenge in Oberschönegg steigt damit auf 170 Mio. kg.


Bleibt das auch nach 2015 so? Oder bringt das Quotenende alles durcheinander?


Ehrmann: Wir fühlen uns der Region verpflichtet und wollen auch künftig immer einen der besten Milchpreise zahlen. Deshalb sind wir uns sicher, dass alle 700 deutschen Lieferanten bei der Stange bleiben. Da wir mehrjährige Lieferverträge abschließen, ist ein Großteil der Milch ohnehin schon über 2015 hinaus unter Vertrag. Zudem sehe ich das Quotenende sehr entspannt: Es wird nichts Spektakuläres passieren, die Milchmenge wird in Deutschland vielleicht um 3 bis 5 % steigen. Aber diese Mehrmengen können wir derzeit dringend gebrauchen!


Aber wo sollen die zusätzlichen Mengen hin? Der deutsche Markt ist gesättigt. Bedeutet das nicht, dass die Preise massiv unter Druck geraten?


Ehrmann: Deutschland ist das Epizentrum der Niedrig-Preise. Sobald man aus Deutschland heraus ist, wird es besser und das Preisniveau steigt. Das machen auch wir uns zum Nutzen: Rund ein Viertel unserer Produktion in Deutschland geht in den Export. Wir sind in nahezu allen europäischen Ländern unterwegs. Das verlangen die großen Lebensmittelhändler aber auch von uns: Den Quark, den wir in Deutschland liefern, will Lidl auch in Spanien haben.


Als eine der ganz wenigen deutschen Molkereien produzieren Sie sogar schon im Ausland. Was steckt hinter dieser Strategie?


Ehrmann: Der Export von Milchprodukten in ein spezielles Land ist immer etwas auf Zeit, meist so lange, wie sich Geld verdienen lässt. Wenn man sich aber einen Markt langfristig und strategisch aufbauen möchte, muss man vor Ort produzieren. Nur dann ist man fest verankert. Das hat mehrere Vorteile: Wir produzieren in Europa, Asien und Amerika und somit auf drei Kontinenten (Übersicht 2). Sollte in einer Region eine Wirtschaftskrise ausbrechen, tangiert das die anderen Regionen nur bedingt. Das bringt uns Stabilität. Ein anderes Beispiel ist die momentane Situation in Russland: Wegen der politischen Querelen haben die Russen die Grenzen für etliche deutsche Molkereien dichtgemacht. Wir sind hingegen vor Ort und können weiter produzieren.


Bleiben wir in Russland: Sie sind seit dem Jahr 2000 mit einer eigenen Molkerei in Raos vertreten. Was macht den Markt so spannend?


Ehrmann: Es gibt fast 150 Mio. Verbraucher. Und der Milchmarkt und der Milchverzehr stecken noch voll in der Entwicklung. Beispielsweise gibt es noch kaum Desserts in den Kühlregalen, hier sehen wir noch viel Potenzial. Insgesamt produzieren die Russen nur 60 % ihres Bedarfes an Milchprodukten selbst, 40 % müssen sie importieren.


Aber bleibt das so? Immerhin pumpt Putin jedes Jahr Millionen in den Ausbau der Milchproduktion.


Ehrmann: Russland ist auf Jahre noch auf die Milch-Importe aus anderen Ländern angewiesen. Die Milchproduktion rund um Moskau stagniert oder ist sogar rückläufig. Die Russen selbst haben wenig Interesse, Kühe zu halten. Ausländische Investoren sind vor allem am Boden interessiert und bauen nur selten die Milchproduktion aus. Wir verarbeiten derzeit 80 Mio. kg Milch von 20 Großbetrieben. Doch wir wissen nicht, ob wir diese Menge nächstes Jahr auch zusammenbekommen. Der Rohstoff ist knapp – und das bei umgerechnet 50 Cent Milchpreis!


Ihr anderer großer Markt sind die USA. Was ist hier so spannend?


Ehrmann: Das Land ist politisch und wirtschaftlich stabil, es gibt 300 Mio. Verbraucher und das Einkommens- und Preisniveau ist relativ hoch. Deshalb haben wir uns im Jahr 2010 ein Herz gefasst und in Brattleboro an der Ostküste eine Molkerei eröffnet. Zugegeben: Das war schon eine mutige Entscheidung. Denn anders als in Russland, konnten wir den Markt vorher nicht mit Exportprodukten testen. Allerdings haben wir auch aus den Fehlern in Russland gelernt. Dort haben wir nur einen Standort und müssen die Produkte 9 000 km durchs Land transportieren. Das ist viel zu aufwändig und teuer. Deshalb konzentrieren wir uns in den USA auf Regionalmärkte. Im Oktober haben wir die zweite Molkerei in Arizona eröffnet und beackern somit jetzt auch die Westküste.


Aber mal ehrlich: Was können Sie, was die Amerikaner nicht können?


Ehrmann: Ganz einfach: Leckeren Joghurt machen! Das bisherige Angebot ist qualitativ schlecht und wenig innovativ. Deshalb wundert es nicht, dass der Pro-Kopf-Verbrauch bei gerade einmal 6 kg liegt. In Deutschland sind es 20 kg. Doch es findet gerade ein Wechsel statt: Die Amerikaner essen weniger Eiscreme, dafür mehr Joghurt. Sie bevorzugen Produkte mit viel Protein, wenig Fett und einem guten Mundgefühl. Zudem boomt der griechische Joghurt im Moment. Auf dieser Welle reiten wir jetzt voll mit. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir nächstes Jahr bereits 120 Mio. kg Milch verarbeiten werden, etwa doppelt so viel wie dieses Jahr. Im Janu­- ar führen wir ein innovatives Konzept in den USA ein, davon versprechen wir uns weitere Absatz-Impulse.


Aber nicht jeder Auslands­-Ausflug gelingt Ihnen: Ihre Molkerei in Tschechien mussten Sie letztes Jahr wieder schließen. Warum?


Ehrmann: Wir haben jahrelang Milchprodukte nach Tschechien exportiert. Im Jahr 2002 kam unser tschechischer Händler auf uns zu, ob wir nicht Interesse an einer eigenen Molkerei im Land hätten. Damals waren wir schon erfolgreich in Russland unterwegs und wollten das Konzept kopieren. Im Nachhinein mussten wir uns aber eingestehen, dass eine Molkerei im Ausland bei nur 300 km Entfernung zum Heimatmarkt Deutschland keinen Sinn macht. Zudem gibt es dort nur 10 Mio. Verbraucher und Discounter prägen den Lebensmittelhandel. Deshalb haben wir die Molkerei wieder abgestoßen. Finanziell sind wir dabei mit einem blauen Auge davongekommen, emotional hat es mich allerdings schon getroffen. Doch wir haben auch etwas daraus gelernt: Wenn schon eine Molkerei im Ausland, dann in einem Land mit vielen Verbrauchern!


Was sind aus Ihrer Sicht denn noch spannende Zukunftsmärkte, in denen sich Investitionen lohnen?


Ehrmann: Da gibt es mehrere: Der südamerikanische Markt ist für uns sehr spannend, allerdings sind wir dort derzeit noch nicht vertreten. Eine ­Vertriebsniederlassung haben wir bereits in China. Eine eigene Molkerei kommt für uns dort aber nicht infrage. Denn die Chinesen kupfern in kürzester Zeit alles ab und produzieren dann selbst. Spannender ist beispielsweise Vietnam. Dort sondieren wir momentan.


Sie tanzen bereits auf mehreren Hochzeiten. Ist es nicht nur eine Frage der Zeit, wann Sie sich verheben?


Ehrmann: In der Tat sind wir in den letzten Jahren durch die Auslandsaktivitäten stark gewachsen. Deshalb steht jetzt die Konsolidierung ganz oben an. Wir müssen finanziell und personell alles ordnen. Beispielsweise ist es sehr schwer, in Russland oder Amerika an gute Fachkräfte zu kommen. Deshalb gibt es in den nächsten beiden Jahren keinen weiteren Wachstumsschritt.


Aber so ein umtriebiger Unternehmer wie Sie wird dann bestimmt wieder etwas anpacken. Wo sehen Sie die Molkerei Ehrmann im Jahr 2020?


Ehrmann (lacht): Wachstum ist zwingend notwendig, sonst funktioniert das ganze Geschäft nicht. Allerdings muss das Wachstum gesund sein! In den USA haben wir jetzt ein Werk rechts im Land, ein Werk links im Land, ­vermutlich haben wir bald auch eines in der Mitte. Fest steht, dass signifikantes Wachstum nur auf Auslandsmärkten möglich ist. Allerdings werden wir ­unseren Heimatmarkt Deutschland nicht vernachlässigen. Wachstum ist hier aber nur über den Zukauf von Marken möglich, wie wir es beispielsweise mit der Marke „Obstgarten“ ­getan haben.


Herr Ehrmann, vielen Dank für das Gespräch.

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