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„Den hohen Milchpreis holen wir im Export“

Lesezeit: 8 Minuten

FrieslandCampina zählt zu den besten Auszahlern in Europa. Das liegt an der hohen Wertschöpfung und der starken Internationalisierung.


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Herr Schaap, FrieslandCampina hat Niederlassungen in 32 Ländern und produziert in 21 Ländern. Wo macht das derzeit am meisten Spaß?


Schaap (lacht): Gute Frage! Aber Milchproduktion macht doch eigentlich überall Spaß, oder nicht?


Wo bereitet denn der Verkauf am meisten Freude? Immerhin erreichen Sie über 1 Mrd. Menschen in über 100 Ländern.


Schaap: Das ist nach wie vor China. In den letzten fünf Jahren hat sich unser Umsatz dort jedes Jahr verdoppelt. 2015 lagen wir bei den Konsumentenprodukten bei 446 Mio. €.


FrieslandCampina ist seit über 100 Jahren international unterwegs. Wie lassen sich Auslandsmärkte erschließen?


Schaap: Früher war das wirkliche Pionierarbeit. Einige Verkäufer sind damals mit einem Koffer voller Milchprodukte mit dem Schiff oder Flugzeug durch die Welt gereist, beispielsweise nach Indonesien oder Nigeria. Dort haben sie die Produkte verkauft, auf offener Straße oder über Händler. Diese mühselige Arbeit zahlt sich heute noch aus, von den Beziehungen profitieren wir nach wie vor.


Und wie sieht es heute aus?


Schaap: Ganz anders, und viel schneller. Zunächst erstellen wir eine detaillierte Analyse des Marktes: Wie sieht der Milchmarkt aus, welche Gewohnheiten haben die Verbraucher, wie wird sich die Nachfrage entwickeln? Dafür haben wir Experten hier in Amersfoort und arbeiten mit Branchenkennern vor Ort zusammen. Wenn der Markt spannend ist, versuchen wir über Beteiligungen, Akquisitionen oder Joint Ventures einzusteigen. Das ist schnell und effizient.


Wie kommen Sie an die Kontakte in den Ländern?


Schaap: Zum einen profitieren wir von unserer jahrzehntelangen Erfahrung auf dem Weltmarkt. Dadurch haben wir unzählige Kontakte. Unheimlich nützlich ist aber auch unsere Kooperation mit der Universität Wageningen bei dem Forschungs- und Entwicklungszentrum. Dort beschäftigen sich Studierende aus über 100 Ländern der Welt mit aktuellen Trends bei der Milch. Dabei lernen sie FrieslandCampina kennen. Wenn sie zurück in ihr Land gehen, können Geschäftsbeziehungen entstehen.


Beim Export konzentrieren Sie sich auf hochveredelte Produkte. Warum?


Schaap: Standard-Milchpulver von Europa in die Welt zu exportieren macht keinen Sinn. Das können andere Anbieter besser und vor allem günstiger, beispielsweise Neuseeland. Im weltweiten Vergleich haben wir in Europa hohe Produktionskosten. Deshalb setzen wir auf Mehrwert-Produkte, wie Baby- und Kindernahrung, Milchprodukte für Senioren, Marken-Käse oder spezielle Milchinhaltsstoffe, den sogenannten Ingredienzen. Nur damit lassen sich langfristig und nachhaltig höhere Erlöse erzielen.


Wie wichtig sind Marken für den Export?


Schaap: Ganz entscheidend. Von unseren zehn umsatzstärksten Verbrauchermarken sind acht in Ländern außerhalb Europas zuhause. In Nigeria zum Beispiel ist unsere Kondensmilch „Peak“ bekannter als Coca Cola. Und in Indonesien kennt zwar kaum jemand FrieslandCampina, aber nahezu jeder unsere Marke „Frisian Flag“. Die Verbraucher sehen es als ihre Marke an, nicht als Exportprodukt. Das ist wichtig für ein langfristiges Geschäft.


Sie produzieren diese Produkte in Europa. Wie kommen sie in die Märkte?


Schaap: Die meisten Milchprodukte verschiffen wir per Container von Rotterdam aus. Spezielle Lieferungen verschicken wir auch schon einmal per Flugzeug. Das sind meist Ingredienzen, die direkt an Geschäftspartner gehen.


Eine Erleichterung versprechen wir uns von der geplanten Eisenbahnstrecke zwischen Europa und Asien, der neuen Seidenstraße: Die Transportdauer würde sich von etwa 40 Tagen per Schiff auf etwa 18 Tage verkürzen.


Wie geht es mit dem Verkauf in den Auslandsmärkten weiter?


Schaap: Ganz unterschiedlich, kein Land ist wie das andere. Es hängt immer davon ab, was die Verbraucher gewohnt sind. Im Vergleich zu Europa kann das eher altmodisch oder viel moderner sein. Dazu zwei Beispiele: In Indonesien sind es die Konsumenten gewohnt, ihre Lebensmittel auf der Straße zu kaufen. Also kooperieren wir hier mit Händlern, die dort vertreten sind. Die Chinesen dagegen bestellen bereits über 40% ihrer Lebensmittel über das Internet. Da müssen wir natürlich dabei sein und arbeiten mit einem Versandhandel zusammen.


Sie kaufen und verarbeiten auch Rohmilch außerhalb Europas. Wo ist das?


Schaap: Insgesamt erfassen wir etwa 400 Mio. kg Rohmilch in Drittländern. In Indonesien haben wir seit über 80 Jahren ein eigenes Werk. Hier verarbeiten wir rund 100 Mio. kg lokale Milch, die von 14 kleinen Genossenschaften kommt. In Vietnam verarbeiten wir ebenfalls rund 100 Mio. kg Milch. Hier liefern Milcherzeuger direkt an uns. In Nigeria bekommen wir ebenfalls Rohmilch direkt von Milch-erzeugern, in Thailand von einer Genossenschaft. Alles ist Zukaufmilch, wir haben keine Mitglieder außerhalb Europas.


Warum die Vor-Ort-Produktion?


Schaap: Es gibt zwei entscheidende Gründe: Zum einen für die Herstellung von Frischprodukten wie Trinkmilch, Milchmischgetränke oder Joghurt. Hier macht der Export aus Europa heraus keinen Sinn. Zum anderen aber auch, um die Beziehung zum Land zu verbessern. Dazu gehört es, die Strukturen vor Ort zu stärken. Nur so lässt sich eine langfristige Partnerschaft aufbauen, von der beide Seiten profitieren.


Wie sieht das konkret aus?


Schaap: Wir geben unser Wissen an die lokalen Milcherzeuger und Verarbeiter weiter: Wir schulen sie beispielsweise in Qualität, Hygiene, Produktion und Kühlung. So können sie sich weiterentwickeln und ihren Lebensstandard erhöhen. Auf der anderen Seite binden wir z.B. lokale Behörden sowie Regierungen, die Mischfutter-Industrie oder Rinderzucht-Verbände mit ein. Dafür erhalten wir finanzielle Unterstützung und kommen durch die Vernetzung leichter und schneller an Genehmigungen für bestimmte Projekte. Beide Seiten profitieren somit.


Wie steht die niederländische Regierung dazu?


Schaap: Sie unterstützt uns – personell und finanziell. Aus gutem Grund: Allein FrieslandCampina hat letztes Jahr einen Exportwert von 5,1 Mrd. € erreicht. Davon 2,3 Mrd. € außerhalb der EU.


Kritiker werfen Ihnen dennoch vor, Ihre Export-Strategie würde die lokale Produktion in den Zielländern zerstören.


Schaap: Wenn es um rücksichtslosen Export geht, also eine Einbahnstraße von Europa in die Welt, kann ich den Vorwurf verstehen. Bei der Kombination Export und Unterstützung der lokalen Produktion aber nicht. Denn hier ist es ein Geben und Nehmen. Wir werden diese Kombination künftig noch verstärken, beispielsweise in China. Unser weltweites Programm dazu heißt Dairy Development Program.


Bauen Sie sich denn nicht eigene Konkurrenz auf, wenn Sie die Milcherzeuger vor Ort immer weiter stärken?


Schaap: Diese Frage stellen unsere Mitglieder auch oft. Doch diese Gefahr sehen wir überhaupt nicht. Der weltweite Milchbedarf steigt kontinuierlich weiter. Gleichzeitig hat die Milchproduktion in den Kernmärkten gewisse Grenzen erreicht. Beispielsweise dämmt die Phosphat-Quote in den Niederlanden das Wachstum künftig ein. Deshalb muss die Milchproduktion auch in den Import-Ländern steigen.


Was haben Ihre Mitglieder davon, dass Sie sich so stark außerhalb Europas engagieren?


Schaap: Viel! Am anschaulichsten zeigt sich das beim Auszahlungspreis. Dieser setzt sich bei uns aus dem Garantiepreis und dem Leistungszuschlag zusammen. Der Garantiepreis orientiert sich am Milchpreis europäischer Molkereien. Der Leistungszuschlag ist das, was wir darüber hinaus erwirtschaften. Das meiste davon stammt von Geschäften außerhalb Europas. 35% des Leistungszuschlags bekommen Milcherzeuger direkt ausgezahlt. Das waren zuletzt rund 3,5 ct pro kg. 20% des Leistungszuschlags gehen in feste Mitglieder-Obligationen und 45% in Rücklagen des Unternehmens für künftige Investitionen. Denn wenn wir in Märkten wachsen wollen, müssen wir dort auch investieren.


Wo wollen Sie denn als nächstes investieren? Welche Märkte sind lukrativ?


Schaap: Wir haben für 420 Mio. € die Mehrheit am Unternehmen Engro Foods gekauft. Es ist die zweitgrößte Molkerei in Pakistan. Das Land ist weltweit der fünftgrößte Markt.


Ansonsten sehen wir die Wachstums-Märkte in China, Süd-Ost-Asien und Indonesien. Zudem erwarten wir, dass die Wirtschaft in einigen Ländern Afrikas wächst und sich die Bevölkerung Milchprodukte leisten kann. Der Milchbedarf kann dann schnell steigen. Denn hier gibt es bereits eine Kultur des Milchverbrauchs, im Gegensatz beispielsweise zu China.


Unruhen, Embargos, Krisen und Währungsschwankungen: Wie schützt sich FrieslandCampina vor den Unannehmlichkeiten des Weltmarktes?


Schaap: Wir haben eine breite Produktpalette. Und wir sind in vielen Märkten unterwegs. Das schützt uns vor starken Schwankungen, wenn es irgendwo auf der Welt gerade abwärts geht. In den letzten Monaten hatten wir es in Europa beispielsweise sehr schwer. Dafür lief aber das Asien-Geschäft gut. Das sorgt für einen Ausgleich. Absicherungen über Warenterminbörsen sind für uns deshalb nicht so spannend. Das ist eher etwas für spezialisierte Molkereien.


Schaap: Wir haben eine breite Produktpalette. Und wir sind in vielen Märkten unterwegs. Das schützt uns vor starken Schwankungen, wenn es irgendwo auf der Welt gerade abwärts geht. In den letzten Monaten hatten wir es in Europa beispielsweise sehr schwer. Dafür lief aber das Asien-Geschäft gut. Das sorgt für einen Ausgleich. Absicherungen über Warenterminbörsen sind für uns deshalb nicht so spannend. Das ist eher etwas für spezialisierte Molkereien.


Das Interview führte Patrick Liste.

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