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Die Lehren aus der B.M.G.-Pleite

Lesezeit: 7 Minuten

Mitte März stoppte die Berliner Milcheinfuhrgesellschaft B.M.G. die Milchabholung. Hunderte Landwirte brauchten über Nacht einen neuen Abnehmer. Welche Lehren zieht die Branche?


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Den 13. März 2018 vergisst Klaus Gross nie wieder: Nachmittags holte der Tankwagen noch seine Milch ab, abends stellte die Berliner Milcheinfuhrgesellschaft B.M.G. den Geschäftsbetrieb ein. Diese Milch landete in der Biogasanlage, danach bekam Gross wochenlang für seine Biomilch nur den konventionellen Spotmarktpreis abzüglich Transportkosten.


„Keine Molkerei wollte die Biomilch der Milcherzeugergemeinschaft AllgäuOberschwaben haben“, sagt der Landwirt mit 75 Kühen aus Baindt. Gerechnet hatte er damit nicht. Drei Jahre lieferte er zur B.M.G., Abwicklung und Bezahlung klappten einwandfrei.


Jetzt ist Gross Mitglied einer Genossenschaft mit Biomilchverarbeitung. Seinen Schaden durch die B.M.G.-Pleite beziffert er auf 26000 € – plus das ausstehende Milchgeld für die zweite Februar- sowie erste Märzhälfte und die Nachzahlung 2017. Offen ist, ob das Geld im Insolvenzverfahren noch fließt. Investitionen hat Gross zurückgestellt.


Nur 25 ct/kg:

Ähnlich hoch ist der Verlust bei Kurt Kootz aus dem Kreis Bitburg. Auch er bekommt seit dem Aus der B.M.G. nur den Spotmarktpreis abzüglich Transportkosten – allerdings für konventionelle Produktion. Ende März waren das nur rund 25 ct/kg. „Ich bin in der MEG Rheinland-Pfalz und die Milch geht derzeit jede Woche an einen anderen Abnehmer“, sagt der Landwirt.


Die Molkereien in der Nähe hätten kein Interesse an der Milch. Dennoch ist Kootz zuversichtlich, dass die MEG noch im April einen festen Abnehmer findet. Um das finanzielle Loch zu stopfen, musste er einen Kredit aufnehmen.


Das Aus der B.M.G. hat für teils chaotische Zustände gesorgt. Abgesehen von dem alten Danone-Milchwerk in Hagenow und etwas Lohnverarbeitung war die B.M.G. auf den Handel mit Milch spezialisiert. Zuletzt soll sie bundesweit von etwa 900 Landwirten 900 Mio. kg erfasst und an Abnehmer weiterverkauft haben. Für etwa ein Drittel der Milch hatte der Händler keinen festen Abnehmer und vermarktete auf dem volatilen Spotmarkt, berichten Insider.


Händler sorgte für Wettbewerb.

Dennoch entschieden sich Landwirte bewusst für den Milchhändler und gegen eine Molkerei. Die B.M.G. hat in einigen Regionen für Wettbewerb um die Milch gesorgt und war die einzige Alternative zu einer Molkerei. Unter vielen Milcherzeugern hatte sie einen guten Ruf und erfasste in Spitzenzeiten rund 1,2 Mrd. kg Milch. „Sie hat immer alle Verträge eingehalten und Änderungen offen kommuniziert“, lobt Kootz.


Seit Jahresbeginn gab es aber vermehrt Kritik: Zunächst sorgte die neue Milchpreis-Systematik mit 20 ct/kg Grundpreis plus Zuschläge für Irritationen. Dann stürzte das Milchgeld in einigen Regionen auf rund 25 ct/kg ab. Es folgten außerordentliche Gesellschafter- und Aufsichtsratssitzungen, das Ausscheiden von Geschäftsführer Peter Gerber, das Rekrutieren des alten Geschäftsführers Erhard Buchholz sowie der Insolvenzantrag am 9. März 2018.


Einige Lieferanten zogen schon vor dem B.M.G.-Aus die Reißleine. Zum Beispiel in Brandenburg, das mit etwa 80 Landwirten und gut 300 Mio. kg Milch (ca. 25% der Brandenburger Milch) mengenmäßig stärkste Bundesland des Händlers. „Etwa 20 Landwirte haben im Februar ihr Sonderkündigungsrecht aufgrund der Turbulenzen genutzt“, sagt Lars Schmidt vom Landesbauernverband. Die anderen 60 Lieferanten hätten über Nacht neue Abnehmer gebraucht. Aber auch das habe geklappt. „Wo vorher die B.M.G. als Dienstleister war, wurde Kontakt zwischen Erzeuger und Molkerei hergestellt“, so Schmidt. Regionale Verarbeiter hätten die Brandenburger-Milch aufgenommen. Es sei kein Liter Milch stehen geblieben.


Diese Aussage dürfte bis auf wenige Ausnahmen auf ganz Deutschland zutreffen. Viele Molkereien haben B.M.G.-Landwirte aufgenommen. Geholfen haben dürfte auch der Appell der neuen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, dass die Milchwirtschaft sich solidarisch zeigen solle.


Kritik an Molkereien:

Allerdings haben einige Milcherzeuger nur Zwischenlösungen mit zum Teil schlechten Konditionen gefunden. Hier zeigt sich erst in den nächsten Monaten, wie nachhaltig und gut die neuen Milchströme sind.


Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter kritisiert, dass einige Molkereien die Erzeuger bewusst zappeln lassen: „Die Landwirte haben vor Jahren gekündigt. Jetzt meinen die Molkereien, dass diese Landwirte zurecht abgestraft würden. Deutlicher können Molkereien nicht sagen, dass sie keinen Wettbewerb wollen.“ Der Seitenhieb dürfte u.a. der Schwarzwaldmilch, Hochwald und MUH Arla gelten, die keine B.M.G.-Lieferanten aufgenommen haben sollen. Landwirte und Molkerei waren hier z.T. im Zwist auseinandergegangen.


Kritik kommt auch von Biokreis-Geschäftsführer Sepp Brunnbauer: „Die B.M.G. lieferte Biomilch an Biomolkereien. Es ist befremdlich, dass diese Molkereien die Milchannahme nach der B.M.G.-Insolvenz unerwartet einstellten und die Bauern auf der Straße stehen ließen.“ Die Biokreis-Landwirte haben ca. 11 Mio. kg Biomilch an den Milchhändler geliefert, vor allem aus Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Besonders Umsteller seien auf die B.M.G. angewiesen gewesen, da sie keinen Vertrag mit einer Biomolkerei bekommen hätten.


Molkereien wehren sich:

Gegen Pauschalkritik an Molkereigenossenschaften wehrt sich Dr. Henning Ehlers, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbands: „Sie haben sich solidarisch gezeigt und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Milchbauern aufgenommen. Aus Kapazitätsgründen, aber auch um den Auszahlungspreis für die eigenen Lieferanten und Eigentümer stabil zu halten, konnte teilweise keine weitere Milch aufgenommen werden.“


Das bestätigt Susanne Glasmann vom Verband der Bayerischen Privatmolkereien und ergänzt zum B.M.G.-Geschäftsmodell: „Schnelles Geld bedeutet oft ein hohes Risiko. Hier muss jeder Erzeuger abwägen, ob es der letzte Cent Milchpreis wert ist, auf jegliche Sicherheit beim Marktpartner zu verzichten. Zudem ist klar, dass ein Zwischenhändler auch verdienen möchte und am Ende für den Erzeuger weniger bleibt.“


Auf ähnlicher Linie ist Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband: Allein die Bündelung von Milch und ein Vertrag mit einer kapitalschwachen GmbH seien noch kein Garant für einen hohen Milchpreis. „Milchverträge mit Zuschlägen und Besserstellung gegenüber anderen funktionieren nicht, wenn die Abnehmer genug eigene Milch haben und die zugesagten Erträge am Markt nicht zu erlösen sind“, sagt der MIV-Referent. Stutzig macht ihn, dass einige Branchenvertreter vorher von den Molkereien forderten, ihre Milchmengenplanung und -verwertung zu verbessern, beim B.M.G.-Aus aber plötzlich forderten, die Milch aufzunehmen, die die Molkereien gegebenenfalls gar nicht gebrauchen konnten.


Damit könnte sich Ludwig Börger vom Deutschen Bauernverband angesprochen fühlen. Er analysiert die Situation etwas differenzierter: „Das Aus des Milchhändlers liegt in der Kombination eines riskanten Geschäftsmodells mit unternehmerischen Fehlentscheidungen. Wer den Erzeugern langfristige Preiszusagen macht, die Geschäfte auf der anderen Seite aber nicht mit Abnehmern oder über die Börse absichert, nimmt die Gefahr von Zahlungsschwierigkeiten sehenden Auges in Kauf.“


Grundsätzlich findet Börger die Idee eines freien Milchhändlers und einer alternativen Vermarktungsmöglichkeit aber richtig und appelliert: „Auch wenn eine konstruktive Diskussion immer hilfreich ist: Statt sich wiederholt in die agrarpolitischen Debatten einzubringen, hätten sich einige Wortführer einen größeren Gefallen getan, ihre Energie in durchdachte Vermarktungskonzepte und Lieferverträge zu investieren.“


Ruf nach Mengendrosselung:

Hans Foldenauer vom BDM fordert als Fazit aus der B.M.G.-Pleite eine andere Milchpolitik: „Ein wirklicher Wettbewerb um Milch kann nur gelingen, wenn sich der Markt im Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage befindet. Daher müssen sich die Rahmenbedingungen ändern!“ Foldenauer plädiert für ein erweitertes Sicherheitsnetz für den EU-Milchmarkt, damit zeitlich befristete Drosselmaßnahmen auf EU-Ebene greifen.


Auch Peter Guhl von der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board sieht das Problem in der Überversorgung am Markt: „Ohne ein beherztes politisches Eingreifen werden wir es nicht lösen. Wir brauchen gesetzlich verpflichtende Lieferverträge mit klaren Inhalten zu Laufzeit, Menge, Qualität und Preis.“


Dass privatrechtliche Mengenvereinbarungen Krisen verhindern, bezweifelt Markus Seemüller von der Bayern MeG. Sie würden zwar eine bessere Kalkulierbarkeit in den Milchmarkt bringen, aber keine Krisen lösen. „Nur ein wirksames politisches Sicherheitsnetz in der gesamten EU kann Krisen abfedern. Viele B.M.G.-Verträge enthielten Aspekte einer „modernen Lieferbeziehung“ bzw. erste Schritte in Richtung Menge und Preis. All das schützt aber nicht, wenn ein Marktpartner plötzlich die Milchabholung einstellt“, sagt Seemüller.


Erst Biomolkerei suchen!

Allen Umstellern auf Biomilch rät Rüdiger Brügmann, Bioland: „Zuerst sollten sie die Biomolkereien kontaktieren und Vorverträge schließen. Sinnig kann auch die Kooperation mit den Bio-MEG sein.“ Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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