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Jetzt auf die Fitness konzentrieren!

Lesezeit: 8 Minuten

Hohe Abgangsraten und steigende Kosten für die Remontierung sind nicht nur ein Problem bei der Rasse Holstein. Auch bei Fleckvieh und Braunvieh ist die Nutzungsdauer leicht rückläufig. Die Tiere erreichen bei Fleckvieh im Schnitt noch 3,3 Laktationen, bei Braunvieh 3,8. Die Lebensleistung ist bei Fleckvieh zwar in den letzten 22 Jahren um 3 526 kg auf 17094 kg gestiegen, doch die Melktage haben sich im gleichen Zeitraum deutlich reduziert: Während Fleckviehkühe im Jahr 1978 noch durchschnittlich 999 Tage gemolken wurden, sind es heute nur noch 928 Tage. Bei Braunvieh ist der Trend noch deutlicher: Hier ist die Anzahl der Melktage im Schnitt der Rasse seit 1978 von 1273 auf 1162 Tage zurückgegangen. Selektionsschärfe entscheidet In der Holsteinzucht werden die hohen Bestandsergänzungsraten vor allem durch Zwangsabgänge aufgrund von massiven Euter- und Fruchtbarkeitsproblemen verursacht. Bei Fleckvieh und Braunvieh sieht das anders aus. Hier bestimmen die Tierhalter oft selbst den frühen Abgangszeitpunkt der Kühe, vor allem wenn sie mit der Leistung nicht zufrieden sind. Bernhard Luntz von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub kann das bestätigen. Auch er sieht die Ursache vor allem im Selektionsverhalten in den Betrieben: Bei Fleckvieh wird bereits in der 1. Laktation stärker nach Leistung selektiert. Die Tiere haben daher kaum noch Gelegenheit ihr Leistungspotenzial in den folgenden Laktationen zu zeigen. Die Erfahrungen der Besamungsstation München-Grub zeigen aber, dass gerade die Bullen, die Töchter mit mittelmäßigen Einsatzleistungen hervorbringen, später die beste Nutzungsdauer vererben und zu den höchsten Lebensleistungen führen. Sie legen bei stets guten Eutern und stabiler Fruchtbarkeit in der Leistung erst später deutlich nach, weiß Dr. Thomas Grupp, Geschäftsführer in Grub. Dass vor allem Fleckviehhalter so scharf nach Leistung selektieren, liegt seiner Meinung nach vor allem an der Möglichkeit zur Doppelnutzung der Rasse. Bei hohen Fleischpreisen sind hohe Abgangsraten unter Umständen betriebswirtschaftlich sinnvoller als mittelmäßige Kühe weiter zu melken. Vor allem, wenn leistungsfähige Nachzucht bereit steht, was durch den Zuchtfortschritt in Sachen Milchleistung in den meisten Betrieben der Fall ist. Das sieht bei der Rasse Braunvieh etwas anders aus. Sie ist nach wie vor die Rasse mit der höchsten Nutzungsdauer (im Schnitt 6,2 Jahre) und sie bringt immer noch die meisten Dauerleistungskühe hervor. Und das, obwohl das Erstkalbealter im Schnitt 32 Monate beträgt! Dr. Franz Birkenmaier von der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Braunvieh führt die hohen Lebensleistungen hauptsächlich auf die Robustheit und Anpassungsfähigkeit der Rasse zurück. Auch der Weideanteil in der Aufzucht spiele eine Rolle. Braunvieh bringt nach einer Auswertung des LKV Bayern bei 1 Mio. Kühen circa sechsmal so viel 100 000 kg-Kühe hervor als die Rasse Holstein. Gegenüber Fleckvieh sind es doppelt so viel! Bei Fleckvieh sind die Einsatzleistungen mit durchschnittlich 5 700 kg zwar mittlerweile ganz ordentlich. Aber dafür bleibt die Lebensleistung mehr und mehr auf der Strecke. Und das gilt im Rasseschnitt auch bei Braunvieh. Vor allem Leistung zählt Trotz dieser Entwicklung zählt für die Züchter in der Auswahl der Bullen immer noch eines: Und das ist Milchleistung! Wohin eine solche einseitige Ausrichtung aber letztlich führen kann, sieht man seit einiger Zeit bei der Holsteinzucht. Stationsleiter Grupp warnt: Wir sind gerade dabei, die gleichen Fehler wie die Holsteinzucht zu machen, indem zu einseitig auf Leistung und Milchtyp geachtet wird. Erste Anzeichen zeigen sich neben der immer kürzeren Nutzungsdauer auch in der Fruchtbarkeit, die sich bei den Fleckvieh-Kühen in den letzten Jahren merklich verschlechtert hat. Das gilt generell auch für Braunvieh. Hier entwickelt sich der Zuchtwert für die maternale Fruchtbarkeit momentan negativ. Kühe mit dem höchsten Milchwert sind nicht die leistungsfähigsten und wirtschaftlichsten, so die Erfahrung von Dr. Grupp aus einer Umfrage der Prüfstation im Jahr 1999 bei 139 bayerischen Betrieben. Obwohl das in der Praxis bekannt sei, werde nicht danach gehandelt. Dr. Roland Aumüller, Niederbayerische Besamungsgenossenschaft Landshut-Pocking, bringt das Dilemma auf den Punkt: Man will auf den Zuchtfortschritt bei der Leistung nicht verzichten, andererseits sollen aber die Vorzüge der Rasse Fleckvieh wie Problemlosigkeit, geringe Zellzahlen und Fleischleistung unbedingt erhalten bleiben. Nach Ansicht mancher Zuchtexperten reicht das mittlerweile erzielte Leistungsniveau auch allmählich aus: Jetzt muss vielmehr die funktionale Kuh in den Mittelpunkt des Zuchtgeschehens gestellt werden, denn auch hochleistende Kühe sind nur ökonomisch, wenn sie lange durchhalten, meint Luntz. Fitness wiegt 45 % im Gesamtzuchtwert Dass die Fitness der Tiere im ökonomischen Gesamtzuchtwert (GZW) mittlerweile mit 45 % gewichtet wird und damit sogar die Milch übertrifft, war deshalb für manche ein notwendiger Schritt. Vor zwei Jahren machte die Fitness noch 37% aus. Jetzt wird die Milch mit 39 % gewichtet, Fleisch mit 16% und die Fitness mit insgesamt 46%. Die Nutzungsdauer selbst erhält innerhalb der Fitness mit 13,7% die stärkste Gewichtung. Die übrigen Merkmale innerhalb der Fitness sind Zellzahl, Laktationsverlauf, Kalbeverlauf, Totgeburtenrate und Melkbarkeit. Die Nutzungsdauer wird unabhängig von der Leistung berechnet. Ihre Erblichkeit wurde bei Fleckvieh und Braunvieh auf 12 % geschätzt. In die Berechnung fließen regionale, saisonale und Managementfaktoren, ebenso das Erstkalbealter, die Laktationszahl und das Laktationsstadium, die Herdengröße und der genetische Effekt mit ein. Die Sicherheit des Zuchtwertes wird nur anhand abgegangener Kühe berechnet. So haben schlecht veranlagte Bullen recht früh eine hohe Sicherheit im Zuchtwert, gute Bullen erst spät. Bei Jungbullen im Zweiteinsatz werden die Exterieurmerkmale Fundament, Euter, Euterboden, Strichstellung, Zentralband und Sprunggelenksausprägung als Hilfsmerkmale herangezogen, damit frühzeitig ein Zuchtwert berechnet werden kann. Mittlerweile sind die Nutzungsdauer- Zuchtwerte schon recht hoch. Die Spitzen- Fleckviehbullen wie Modi, Honer oder Renoir liegen schon drei Standardabweichungen über dem Durchschnitt (Übersicht 1). Ihre Töchter stehen über 1,5 Jahre länger im Bestand als Töchter von Bullen mit Zuchtwert 100, erklärt Dr. Roland Aumüller. Auch bei dem Braunviehbullen Huvic wird mit 131 ein hoher Wert bei gleichzeitig hoher Sicherheit erzielt. Zwölf Punkte entsprechen etwa einem halben Jahr höherer Nutzungsdauer. Aber nicht nur bei der Bullenauswahl sollte auf die Zuchtwerte für Fitness geachtet werden, auch die Langlebigkeit der Kuhfamilie ist mit einzubeziehen. Weil die Fleckvieh- und Braunviehzucht der Funktionalität gegenüber der Milch einen höheren Stellenwert eingeräumt hat, ist sie der Holsteinzucht heute schon einen Schritt voraus. Und das, obwohl die Probleme bei Holsteins deutlich gravierender sind. Das Bewusstsein für die Sekundärmerkmale scheint bei den Zuchtverbänden für Fleckvieh und Braunvieh schon deutlich ausgeprägt zu sein. Das zeigt sich v. a. darin, dass einzelne Verbände längst eigene Zuchtprogramme zur Verbesserung dieser Merkmale aufgebaut haben. Alternative Zuchtprogramme laufen an So hat z. B. die Besamungsstation in Grub als Vorreiter bereits 2002 das so genannte Linie 2-Programm installiert, bei dem pro Jahr 20 Bullen getestet werden. Geeignete Bullenmütter und Väter werden dazu nach strengen Kriterien ausgewählt. Dabei legen wir Wert darauf, dass der Bulle in Fitness und Zellzahl top ist und dass er 500 bis 1000 l Milch pro Laktation zulegt, erklärt Dr. Grupp. Schon im nächsten Jahr sind die ersten Bullen aus diesem Programm zu erwarten. Auch der Besamungsverein in Neustadt- Aisch hat im November 2003 ein alternatives Zuchtprogramm eingeführt. Im Rahmen des so genannten FENProgramms (Funktionalität-Eiweiß-Nutzungsdauer- Programm) soll bei der Auswahl der Bullenmütter und Prüfbullen neben dem Zuchtwert auch die absolute Leistung für Eiweiß, Funktionalität und Nutzungsdauer im Vordergrund stehen. Aus der Praxis haben wir deutliche Hinweise, dass mehr Eiweiß die Tiere stoffwechselstabiler macht. Daher hängt der Zuchtwert für Eiweiß eng mit der Nutzungsdauer zusammen, erklärt Geschäftsführer Dr. Johannes Aumann. Die ersten zwölf Bullen wurden jetzt für das Programm angekauft und sind in Prüfung. Darunter finden sich Söhne von Bullenmüttern aus den Malf- und Horb-Linien, die für ihre hohe Nutzungsdauer und gute funktionale Eigenschaften bekannt sind. Viele der ausgewählten Bullen sind bereits sehr populär im breiten Einsatz. Wir werden in den nächsten Jahren ca. 25 % der Jungbullen nach diesem Programm ankaufen, so Dr. Aumann. Erste Ergebnisse sind Ende 2007 zu erwarten. Bei der Besamungsgenossenschaft in Landshut-Pocking gibt es zwar kein eigenes Zuchtprogramm, aber im Rahmen des Embryotransfer-Programms werden viele alte und langlebige Kühe eingesetzt. Damit wollen wir das Merkmal Langlebigkeit erhalten und weiter bearbeiten, erklärt Dr. Aumüller. Die älteste Kuh hat bereits elf Kälber, außerdem sind drei Kühe mit je sieben Kälbern im Programm. Auch bei Braunvieh legt man bereits viel Wert auf die Langlebigkeit der Kuhfamilien bei der Auswahl von Bullenmüttern für das Zuchtprogramm. Zusammen mit dem Zuchtwert für Nutzungsdauer haben wir hier die genetische Basis zur Verbesserung dieses Merkmals gelegt, ist sich Dr. Birkenmaier sicher. Vielversprechende Ergebnisse erwarten die Experten auch von der Zweitbewertung der Prüfbullentöchter nach dem dritten Kalb durch die Zuchtwertprüfstelle in Bayern. Neue Erkenntnisse aus der Zweitbewertung Daraus ergeben sich wichtige Hinweise auf die Sekundärmerkmale: Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Bullen, deren Töchter als Jungkühe bezüglich des Zentralbandes ähnlich eingestuft wurden, nach dem dritten Kalb ganz unterschiedlich bewertet werden mussten. Während das Euter bei der einen Tochter überdurchschnittlich absank, saß es bei der anderen noch recht fest am Euterboden, erklärt Luntz, der die Zweitbewertung momentan auswertet. Damit können weitere Aussagen über Bullen gemacht werden, die gute Nutzungsdauer vererben. Trotz dieser Maßnahmen ist auch bei Fleckvieh und Braunvieh der Einfluss des Managements auf das Abgangsalter nach Meinung der Experten höher als die Genetik. Dr. Birkenmaier betont: Deshalb ist entscheidend, das Haltungssystem tiergerecht zu gestalten und das Fütterungsmanagement dem Leistungsvermögen der Kuh anzupassen. S. Lehnert

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