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Milch bis vor die Haustür

Lesezeit: 6 Minuten

Georg Hanslmeier hält 65 Kühe. Einen Teil der Milchmenge vermarktet er direkt an Endkunden. Dazu beliefern fünf Fahrer rund 900 Haushalte. „Der Milchmann“ bietet ausschließlich Vollmilch an.


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Im Umkreis von 25 km rund um den Hof Hanslmeier in Reichertsheim (Bayern) sind die weißen Kühlautos mit der Aufschrift „Frische Milch vom Bauernhof“ längst bekannt. Bereits vor 18 Jahren startete Georg Hanslmeier mit der Direktvermarktung von Milch. Von der Hauptstraße aus sieht der Hof allerdings aus wie ein ganz normaler Milchviehbetrieb (siehe Kasten „Die Milchviehhaltung“, Seite R11). Weder Plakate noch Hofschilder weisen auf das Konzept des gelernten Landwirts hin. Der 50-Jährige erklärt: „Für mich stand damals von Beginn an fest, die Milch nicht ab Hof zu vermarkten.“ Ihn hat das Milchmann-Konzept überzeugt: „Du gehst zum Kunden hin und musst nicht darauf warten, dass er zu Dir kommt.“ Inzwischen zählen gut 900 Haushalte zum Kundenstamm.


Etwas eigenes schaffen


Der Startschuss fiel 2002: „Als ich nach meiner Meisterprüfung zurück auf den Betrieb kam, waren meine Eltern noch fit“, erklärt Hanslmeier. „Ich wollte etwas eigenes schaffen und mehr Wertschöpfung aus der Milch generieren“, lautete sein Plan. Ein Artikel in der landwirtschaftlichen Fachpresse brachte ihn auf die Idee, Milch zu pasteurisieren und direkt zu vermarkten.


Er nahm an Fortbildungen teil und investierte in eine kleine Hofmolkerei. Das Gebäude besteht aus mehreren Räumen: In der Milchkammer ist der „normale“ Milchtank untergebracht. Über einen extra Anschluss am Tank gelangt die Milch über Rohrleitungen zur Pasteurisierungsanlage, die, genau wie die Abfüllanlage, im Raum nebenan untergebracht ist. Zusätzlich befindet sich in dem Gebäude ein Kühlraum für die abgefüllte Milch sowie eine Waschstraße für die Mehrwegbehälter. Alles in allem investierte Hanslmeier rund 125000 €.


Nach der Abnahme durch das Gesundheits- und das Veterinäramt startete der Landwirt die Produktion. Das bedeutete zunächst einmal vor allem eines: Klinkenputzen. „Ich bin durch die umliegenden Ortschaften gefahren und habe mich vorgestellt“, erinnert er sich. „Wenn Sandkästen und Dreiräder vor der Haustür standen, wusste ich: Da muss ich hin“, sagt er und grinst. Denn Familien mit Kindern nehmen viel Milch ab. Schlussendlich startete er mit 50 Milchkunden und einem Kühlfahrzeug.


Stufenweise gewachsen


„Nach dem Start kamen schnell weitere Kunden hinzu, sodass ich einen Fahrer eingestellt habe“, erklärt Hanslmeier. Dieser übernahm seine Tour. Durch die frei gewordenen Kapazitäten konnte der Landwirt eine zweite Tour aufbauen, die er selbst fuhr. Inzwischen beschäftigt er fünf Fahrer auf 450 €-Basis, die mit zwei Kühlautos von montags bis samstags die Vollmilch ausliefern. ▶


Produktion und Logistik liegen in Familienhand. Seine Frau Christine übernimmt die Büroarbeit. „Insbesondere die Logistik ist eine große Herausforderung“, weiß ihr Mann. Meldet sich ein Kunde neu an, legt dieser fest, wie viel Milch an welchen Wochentagen vor seiner Haustür landen soll. Sofern er nicht umbestellt, bleibt es bei der Routine. „Aufwendig wird es vor allem in den Sommerferien, wenn die Kunden in den Urlaub fahren“, sagt Hanslmeier. „Dann kommen laufend Änderungen, die wir alle bei der Produktion und Tourplanung berücksichtigen müssen.“


Vor der ersten Lieferung schaut einer seiner Fahrer, gemeinsam mit dem Kunden, wo die Milch abgestellt wird, wenn niemand zu Hause ist. „Viele stellen Kühlboxen bereit, andere haben beispielsweise einen Kühlschrank in der Garage. Es gibt bei jedem individuelle Lösungen“, erklärt Hanslmeier.


„Der Milchmann“ beliefert Privathaushalte ausschließlich mit 2 l-Gebinden. Pro Liter berechnet er 1,15 €, also 2,30 € je Mehrwegflasche, inklusive Lieferung. 2002 ist er mit 0,95 €/l gestartet. Die Bezahlung erfolgt monatlich per Lastschrifteinzug. „Ich werde manchmal gefragt, warum ich nicht mehr Geld nehme“, räumt Hanslmeier ein. Er orientiert sich am Preisniveau der Region. „Ich möchte vor allem Haushalte mit Familien beliefern, die viel Milch trinken“, erklärt er. „Diese sollen sich unsere Milch leisten können.“ Außerdem spielt die Kostendegression eine wichtige Rolle. „Wenn ich viele Kunden auf engem Raum habe, halte ich meinen zweitgrößten Kostenblock, die Lieferkosten, klein“, erklärt der Landwirt. Er fährt auch Hofläden und Verkaufsautomatenbetreiber an, allerdings keine Supermärkte. Das wäre zu viel Aufwand.


Kaum Werbung mehr nötig


Werbung betreibt er kaum noch. „Kunden, die ausscheiden, weil etwa die Kinder ausgezogen sind, halten sich mit Neukunden die Waage“, erklärt er. Etwa 20 bis 25% der Milch von den 65 Kühen vermarktet er direkt an Endkunden. Den Rest liefert die Familie an das Milchwerk Jäger. Dank der regelmäßigen Milchuntersuchungen der Molkerei, muss er den Rohstoff, den er zu Hause verarbeitet, nicht gesondert prüfen lassen. Die pasteurisierte Milch dagegen schon: Das Veterinäramt gibt stichprobenartige Untersuchungen vor.


Um die Kunden zuverlässig zu beliefern, pasteurisieren Hanslmeiers an zwei Tagen pro Woche: montags und donnerstags. Die Milch kommt mit 6°C in die Anlage. Dort wird sie für 15 bis 30 Sekunden auf über 72°C erhitzt, bevor sie anschließend wieder auf 6°C gekühlt wird. „Der Prozess dauert zwei Minuten“, erklärt der Milchviehhalter. Ihm ist besonders wichtig, dass der ursprüngliche Geschmack bleibt. Deshalb wählte er einen sogenannten Durchlaufpasteur, der besonders schonend mit der Milch umgeht. Im Anschluss füllt er die Milch in 2 l-Mehrweggebinde ab. Diese kommen von den Kunden wieder zurück, Hanslmeiers reinigen sie in einer dafür vorgesehenen Waschstraße und verschließen die aufgefüllten Flaschen mit einem Deckel, der mit einem Haltbarkeitsdatum versehen ist. „Die Milch ist nicht homogenisiert und rahmt auf“, sagt Hanslmeier. „Das muss man den Kunden am Anfang erklären.“


Auch die Entstehung der Milch erklärt die Familie ihren Kunden gerne. Für Interessierte bieten sie Führungen an. Neuigkeiten zum Hof teilen sie über Rundschreiben mit. „Beispielsweise haben wir kommuniziert, dass unser ältester Sohn in den Betrieb einsteigen will. Das interessiert die Leute“, so seine Erfahrung. Hin und wieder nimmt er auch zu kritischen Themen Stellung, die in den Medien kursieren. „Wir haben einen Betriebszweig geschaffen, der uns nicht nur eine höhere Wertschöpfung ermöglicht, sondern auch für viele Personen wieder einen Zugang zur Milchproduktion verschafft“, ist er überzeugt. „Das führt zu mehr Verständnis für die Landwirtschaft in der Region.“


Auf dem Boden der Tatsachen


Seit 18 Jahren produziert Hanslmeier ausschließlich Vollmilch. Oft erhält er Anfragen von Kunden, ob er seine Produktpalette nicht beispielsweise auf Joghurt oder Quark ausweiten will. Davon sieht der Landwirt allerdings ab: „Unsere Woche hat nur sieben Tage.“ Seinen Hof sieht er nach wie vor schwerpunktmäßig als Milchviehbetrieb. Aus seiner Sicht laufen Direktvermarkter Gefahr, den anderen, schon bestehenden Betriebszweig schleifen zu lassen. „Mehr Umsatz ist nicht gleich mehr Gewinn“, sagt er. Ihm ist wichtig, die Arbeit zusammen mit seiner Familie bewerkstelligen und darüber hinaus noch gemeinsam Freizeit verbringen zu können: „Weniger ist oft mehr.“


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

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