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Mit viermal „W“ die Arbeit organisieren

Lesezeit: 7 Minuten

Mehr Tiere, mehr Arbeit, mehr Mitarbeiter – wer aufstockt, merkt schnell, dass er für seine Abläufe im Betrieb genaue Regeln braucht. Wie das gelingen kann, zeigt Eckart Schlamann, Coach bei entra Unternehmensberatung.


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Herr Schlamann, viele Betriebe in Nordwest-Deutschland sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Sie berichten häufig über Streitereien mit ihren Mitarbeitern. Führt Wachstum automatisch zum Chaos?


Schlamann: Nein. Grundsätzlich gibt es sowohl in reinen Familienbetrieben als auch in Betrieben mit mehreren Mitarbeitern gute Möglichkeiten, die Arbeit zu strukturieren und dem Chaos aus dem Weg zu gehen. Es ist nur eine Frage, wie man es angeht.


Dann jammern die Betriebsleiter also zu Unrecht, wenn sie Stress mit Angestellten beklagen?


Schlamann: Statt zu urteilen, sollten wir uns die Ursachen angucken: Den Betriebsleitern fehlt während der Bau- und Wachstumsphase die Zeit, das Management der neuen Situation anzupassen. Sie haben andere Dinge im Kopf. Hinzu kommt, dass die allermeisten vorher noch nie Mitarbeiter geführt oder Arbeitsabläufe strukturiert haben.


Und dann kommt es zu Missverständnissen zwischen ihnen.


Schlamann: Richtig! Wenn nicht klar ist, wer wofür zuständig und verantwortlich ist, werden einige Mitarbeiter überlastet, während andere nicht voll ausgelastet sind. Außerdem kann es passieren, dass Aufgaben doppelt oder gar nicht erledigt werden. Aber auch Führungskräfte rennen nur im Kreis, wenn Ordnung und klare Regeln fehlen. Das endet in gegenseitigen Schuldzuweisungen und kostet wertvolle Arbeitszeit. Das gilt ebenso für Familienbetriebe wie für größere Betriebe. Ich rate deswegen, schriftlich festzulegen, wer wofür zuständig ist und wann welche Arbeiten erledigt werden. In extra Protokollen, den sogenannten Standard-Arbeitsanweisungen, gibt der Betriebsleiter vor, wie die Arbeiten genau ausgeführt werden sollen...


...damit noch ein Ordner mehr im Büro steht? Seien Sie ehrlich, so was verkommt doch zum Papiertiger.


Schlamann: Pläne und Anweisungen leben natürlich von der Kommunikation mit den Mitarbeitern. Ständige Gespräche und Kontrollen – immer in Bezug auf das schriftlich Vereinbarte – machen Verbesserungen im Arbeitsprozess überhaupt erst möglich.


Das heißt nicht, dass sich die Mitarbeiter daran halten. Keiner macht gerne etwas, das ihm vordiktiert wird.


Schlamann (lacht): Das stimmt. Wenn Führungskräfte die neuen Strukturen von oben herab anordnen, nach dem Motto „so läuft das hier ab sofort“, wird es so kommen, wie Sie sagen. Nimmt man sie aber von vornherein mit ins Boot, wird es ein komplett anderes Ergebnis. In einer offenen Runde sollten sie jedes der vier W’s, also wer, was, wann und wie, mitgestalten können.


Viele Köche verderben den Brei. Was soll das bringen?


Schlamann: Erstens bringen die Mitarbeiter wertvolle Erfahrungen und Einschätzungen zu den Arbeitsprozessen mit. Zweitens fühlen sie sich wertgeschätzt, wenn man sie danach fragt. Das motiviert natürlich. Aber nicht nur das: Sie haben etwas im Team geschaffen und ziehen an einem Strang.


In der Theorie hört sich das gut an. Nehmen wir das Worst-Case-Szenario: Die Arbeitsabläufe sind das reinste Chaos und die Mitarbeiter zerstritten. Wie bringen Sie Ruhe und Ordnung in den Betrieb?


Schlamann: Letztendlich sind es die Beteiligten selber, wir moderieren den Prozess nur. In der Auftaktveranstaltung, dem sogenannten Analyseworkshop, erarbeiten wir mit den Mitarbeitern die Stärken, Engpässe und Herausforderungen, die es im Team bzw. Betriebsablauf gibt. Die Vorschläge sammeln wir an einer großen Pinnwand und ordnen sie nach Thema und Dringlichkeit. Damit die Mitarbeiter ungehemmt reden können, machen wir das ohne Führungskräfte. Danach tragen einige Mitarbeiter die Ergebnisse den Chefs vor. In der Regel präsentieren zwei die Stärken, zwei die Schwächen. Auch hier agieren wir nur als Moderatoren. Die Beteiligten müssen lernen, miteinander über Probleme oder Konflikte zu reden! Danach beziehen die Chefs Stellung und wir überlegen, welche der Herausforderungen wir sofort angehen können und welches mittel- und langfristige Projekte sind.


Woran hapert es am meisten?


Schlamann: Kommunikation, Personalführung und Zuständigkeiten sind die Top Drei. Im Bereich Kommunikation können Chefs und Mitarbeiter sofort den ersten Schritt machen, indem sie Teambesprechungen einführen. In welchem Intervall sie stattfinden und wie viel Zeit sie dafür ansetzen, ist je nach Betrieb verschieden. Ich möchte aber ein paar Tipps geben: Die Besprechung sollte immer mit etwas Positivem starten: Was ist gut gelaufen? Was hat sich verbessert? Was haben wir trotz Ausnahmesituation alles geschafft? Als nächstes sollten sie ansprechen, was besser laufen könnte oder was für sie nicht akzeptabel ist. Achtung: Beschuldigungen oder Vorwürfe wie „Das habt ihr falsch gemacht!“ bringen nur Unmut. Darüber hinaus sollten die Beteiligten in der Besprechung klären, was an dem Tag oder in der Woche Außergewöhnliches anliegt. So können sie gleich Teams bilden und die Planung auf die anderen Prozesse abstimmen. Und noch etwas Wichtiges: Die Teambesprechung darf kein Monolog der Führungskraft werden, sondern ist ein Dialog aller Beteiligten.


Von den Führungskräften wird nicht wenig verlangt – sie sollen an sich arbeiten und gleichzeitig mit gutem Beispiel vorangehen...


Schlamann: Deshalb coachen wir sie parallel dazu in Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung, Mitarbeiterführung oder Teambildung. Wir legen großen Wert darauf, dass auch Mitarbeiter der mittleren Führungsebene, wie z.B. Herdenmanager, daran teilnehmen. Sie agieren unmittelbar mit dem Rest der Mannschaft. Ihnen kommt damit eine Schlüsselrolle zu. Meiner Meinung nach investieren die Betriebsleiter zu wenig Geld in die persönliche Entwicklung der mittleren Führungsebene!


Wer den Nutzen für seinen Betrieb sieht, ist meist auch bereit zu investieren...


Schlamann: ...und dieser Nutzen ist auf den ersten Blick monetär schwer zu erfassen. Meiner Erfahrung nach können sich die Investitionen je nach Ausgangssituation des Betriebes kurz-, mittel- oder langfristig bezahlt machen. Sei es, weil die Mitarbeiter effizienter arbeiten und weniger Überstunden machen oder sei es, weil sie sorgfältiger melken und weniger Euterentzündungen auftreten. Außerdem steigt bei guter Personalführung die Attraktivität des Arbeitgebers. Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, tragen das nach außen und sind die beste Werbung. Das wiederum zieht gute Mitarbeiter an.


Solange die Zuständigkeiten nicht geregelt sind, wird es Streitpotenzial geben. Daran ändert auch der beste Umgang nichts. Haben Sie ein Patentrezept für die Arbeitsorganisation?


Schlamann: Nein, das ist individuell so verschieden! Was bei dem einen Team wunderbar funktioniert, kann bei dem anderen scheitern. Ich rate allerdings, die Mitarbeiter auch hierbei einzubeziehen. Umso besser sind die Chancen auf Erfolg.


Eine Organisationsstruktur zu etablieren, ist in der Regel ein größeres Projekt und bei uns Thema eines zweiten Workshops. Darin klären wir zunächst mit den Mitarbeitern, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten sie haben, was sie zukünftig gerne machen und nicht mehr machen wollen. Die zentrale Frage ist: Wo fühlt sich der Mitarbeiter am richtigen Platz? Danach analysieren wir mit einem kleinen Kreis von Mitarbeitern die Abläufe: Wo gibt es Reserven und wo Engpässe? Wo können wir Zeit sparen? Was können wir verbessern? Das stellen wir in einem Organigramm dar und erstellen für jeden Mitarbeiter ein Stellenprofil, in dem seine Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten detailliert beschrieben sind.


Jetzt fehlt zur „perfekten“ Organisation nur noch das „Wie“. Dazu nutzen viele Standard-Arbeitsanweisungen. Gibt es eine Form, die sich bewährt hat?


Schlamann: Auch das ist von Betrieb zu Betrieb völlig verschieden. Damit halten Führungskräfte genau fest, wie und in welcher Reihenfolge die Arbeiten ausgeführt werden sollen. So lässt sich die Qualität des Arbeitsprozesses festlegen – und ganz wichtig – auch überprüfen! Ob das besser mit Fotos, Grafiken oder Texten funktioniert, muss man ausprobieren. Wir unterstützen Betriebe gerne bei der Erstellung, machen aber keine Vorschriften. Ich empfehle, erst die Zuständigkeiten zu regeln und die Arbeitsabläufe aufeinander abzustimmen, bevor man sie im Detail beschreibt. Letztendlich bleibt aber auch das jedem selbst überlassen. Hauptsache, man fängt überhaupt an!


Das Interview führte top agrar-Redakteurin Svenja Pein.

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