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„Ohne Preisabsicherung verschwindet die Milch“

Lesezeit: 6 Minuten

Die Molkereien müssen künftig Preise an der Börse absichern. Sonst bleiben Milcherzeuger und Molkereien auf der Strecke.


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Frank Lenz aus Schinne in Sachsen-Anhalt ist ein Pionier. Der Milcherzeuger hat schon einmal seinen Milchpreis an der Börse abgesichert – und zwar erfolgreich: Als im Herbst 2014 die Auszahlungspreis von knapp 40 Cent in Richtung 30 Cent rauschten, hat sich Lenz für einige Monate einen Milchpreis von 38 Cent über die Börse gesichert. „Es ist schön, hohe Milchpreis-Phasen zu verlängern. Aber niemand sollte den Aufwand dafür unterschätzen!“, sagt er. Lenz fordert deshalb die Molkereien auf, diesen Service für ihre Milcherzeuger anzubieten.


Schärfer formuliert es Jobst Jungehülsing aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium: „Die deutsche Milchwirtschaft ist für liberalisierte Märkte mit schwankenden Preisen schlecht aufgestellt. Wenn sich das nicht schleunigst ändert, ist die Milchproduktion in Deutschland nicht zukunftsfähig!“


Hohe Hürden für Bauern:

Wie kommen die beiden zu der Einschätzung?


Die Lenz GbR hält 350 Kühe und produziert 3,2 Mio. kg Milch pro Jahr. Als die Auszahlungspreise Mitte 2014 bei etwa 40 Cent lagen, hat Lenz geahnt, dass der Markt bald drehen wird. Deshalb stieg er in die Preisabsicherung über die Börse ein. Dabei musste er mehrere Hürden überwinden:


  • Intensive Vorbereitung: Um die Milchpreis-Absicherung über die Börse zu verstehen, hat Lenz zwei Seminare besucht. Zudem hat er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und eingelesen.
  • Kostenanalyse: Mit der Börsenabsicherung wollte sich Lenz den Milchpreis sichern, den er mindestens benötigt. Dazu hat er eine umfassende Analyse der Vollkosten, des Deckungsbeitrages und der Grenzkosten gemacht. Sein Absicherungspreis lag bei mind. 32 ct/kg.
  • Banken und Liquidität: Wer an der Börse aktiv ist, benötigt einen starken Finanzpartner. Lenz hatte Glück, dass seine Hausbank (Volksbank Stendal) offen für das Thema war. Sie stellte die Grundsicherheit für das Börsengeschäft, etwa 10% des Kontraktwertes. Lenz musste noch für ausreichend Liquidität sorgen. Als Faustzahl gilt pro abgesicherter 100000 kg Milch mindestens 5000 €. Das tatsächliche Abwickeln des Börsengeschäfts lief über eine zentrale Stelle, die sogenannte Clearingbank. Hierum musste sich Lenz nicht direkt kümmern, aber den Überblick behalten.
  • Börsengang: Unterstützung erhielt er beim Börsengang von der VR Agrarberatung. Diese trat als sogenannter Broker auf, der das Börsengeschäft abwickelt. Mit ihnen hat sich Lenz intensiv ausgetauscht. Um alle Formalitäten abzuwickeln, musste er rund 100 Unterschriften leisten. „Allein das zeigt, wie wichtig es ist, sich mit vielen Dokumenten im Detail zu befassen“, sagt Lenz.
  • Markteinschätzung: Die Broker haben Lenz unterstützt. Wann sie kaufen und verkaufen sollten, musste Lenz aber selbst entscheiden. Deshalb musste er sich sehr intensiv mit dem Markt befassen. „Und das ist deutlich komplexer als bei Getreide.“ An der Börse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig lassen sich Butter, Magermilchpulver und Molkenpulver absichern. Lenz musste seine Rohmilch also umrechnen. 100000 kg Milch pro Monat ist die Mindestmenge. Sie entspricht etwa einem Kontrakt Butter (5 t) und zwei Kontrakten Magermilchpulver (je 5 t). Lenz musste den Verlauf dieser beiden Preiskurven akribisch beobachten und abschätzen. Eine erfolgreiche Preisabsicherung gelingt nur, wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt. Denn das Börsengeschäft funktioniert so, dass man zuerst seine Kontrakte verkaufen und später wieder zurückkaufen muss. Ideal ist also, kurz vor dem Preishöhepunkt und dem Absinken der Preise zu verkaufen und bei niedrigen Preisen zurückzukaufen. Das ist allerdings schwer zu ermitteln und vor allem völlig losgelöst von den Auszahlungspreisen.
  • Selbstdisziplin: Die Teilnahme an der Börse verlangt ein hohes Maß an Selbstdisziplin. „Als es gut lief, haben wir natürlich überlegt, mehr Milch abzusichern als wir tatsächlich produzieren. Doch das wäre zocken und spekulieren gewesen. Wir mussten uns deshalb wieder darauf besinnen, dass es um die Absicherung von Preisen geht“, sagt Lenz.


Kaum zu leisten:

Um die Hürden zu nehmen, hat sich Lenz Freiräume geschaffen. Die Arbeitszeit, die er sonst im Stall verbracht hat, investierte er in Büroarbeit. Voraussetzung dafür war ein gutes Team von Mitarbeitern.


Dass der Entschluss erfolgreich war, zeigt folgendes Beispiel: Im Oktober 2014 zahlte seine Molkerei einen Grundpreis von 34,0 ct/kg. An der Börse hatte er sich einen Milchpreis von 38,3 ct/kg abgesichert – 4,3 Cent mehr als der Molkereipreis. Weil die Börsenpreise seitdem sehr niedrig sind, sichert Lenz seine Milchpreise nicht mehr an der Börse ab.


Dennoch dürfte er zu den Milch-erzeugern mit der meisten Börsen-Erfahrung gehören. Und für ihn ist klar: „Die meisten Milcherzeuger können den zusätzlichen Zeitaufwand durch die Börsenabsicherung gar nicht leisten. Zudem gibt es eine neue finanzielle Belastung. Deshalb muss die Milchpreis-Absicherung als Dienstleistung von den Molkereien kommen.“


Hinzu kommt, dass aufgrund der gehandelten Kontraktgrößen an der EEX eine Preisabsicherung nur für Betriebe mit mindestens 1,2 Mio. kg Jahresmilchmenge Sinn macht. „Somit scheiden etwa 95% der deutschen Milcherzeuger per se aus“, sagt Jungehülsing aus dem Bundesministerium.


Er appelliert deshalb an die Milcherzeuger, energischer Strategien zur Preis-absicherung von den Molkereien einzufordern: „Die Schwankungen auf dem Milchmarkt werden künftig noch heftiger. Es muss aber damit Schluss sein, dass der Handel und die Molkereien das Preisrisiko vollständig an die Milcherzeuger weiterreichen und diese bei der Preisabsicherung alleine lassen!“


Molkereien in der Pflicht!

Die Molkereien sieht Jungehülsing in der Pflicht, in Personal und Know-how für die Preisabsicherung zu investieren. Nur so seien sie künftig wettbewerbsfähig – national und international.


  • Vor dem nächsten Einbruch der Weltmarktpreise werden sich clevere Milcherzeuger ihre Molkerei danach aussuchen, ob diese Absicherungsmöglichkeiten für extreme Preise bietet.
  • Auf Exportmärkten ist Preisabsicherung für den Ein- und Verkauf unerlässlich, allein wegen der Währungsschwankungen.


Die bekannten Ausreden der Molkeristen, warum sie nicht ins Termingeschäft einsteigen, lässt Jungehülsing nicht gelten (Kasten links). Das einzige ernst zu nehmende Gegenargument sei, dass es Geld koste. „Natürlich kann die Molkerei auch nur über Lagerhaltung oder interne Mengenanpassungen auf volatile Preise reagieren – aber auch das kostet Geld“, sagt Jungehülsing. Und wer gar nichts mache, riskiere in extremen Marktphasen die Zahlungsunfähigkeit – das sei garantiert noch teurer. P. Liste

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