Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

„Freigang“ fünf Tage nach der Rausche

Lesezeit: 8 Minuten

Ab wann hält man frisch belegte Sauen am besten in der Gruppe? Die Tierproduktion Alkersleben GmbH hat drei Varianten getestet.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Diskussion um die Kastenstandhaltung im Deckzentrum, die im Herbst 2014 in den neuen Bundesländern erstmalig entbrannte, machte auch vor der Tierproduktion Alkersleben GmbH nicht halt. Im thüringischen Alkersleben nahe Erfurt hält das Unternehmen der Familie Poels 5000 Sauen inklusive Ferkelaufzucht. Die Anlage ging 2010 in Betrieb. 20 Mitarbeiter betreuen die Herde. Der Niederländer Rik Haverkate (27) ist Anlagenleiter.


Drei Zeitpunkte getestet:

Statt die aufkeimenden Diskussionen auf die leichte Schulter zu nehmen, wollte man in Alkersleben agieren anstelle irgendwann zu reagieren. Die Verantwortlichen überlegten, wie sie den Sauen mehr Freilauf ermöglichen konnten. Als Vorbild diente das „holländische Modell“, wo die Sauen bereits am vierten Tag nach der Belegung in Gruppen laufen.


„Auch wir wollten die Sauen früher in die Gruppe geben statt wie bisher am 24. Trächtigkeitstag die Fressliegebuchten zu öffnen“, schildert Rik Haverkate die Überlegungen Ende 2014. Doch welcher Tag nach der Belegung wäre dafür der beste?


Um das herauszufinden und erste Erfahrungen zu sammeln, startete man in Alkersleben Anfang 2015 eine Probephase. Man testete die Gruppenhaltung...


  • ...unmittelbar nach dem Besamen,
  • ...ab dem vierten Tag nach dem Besamen bzw. ab dem fünften, wenn der erste Besamungstag mitgezählt wird,
  • ...und eine Woche nach dem Besamen.


In dieser Testphase gewannen Rik Haverkate und sein Team in Alkersleben folgende Erkenntnisse: Die Gruppenhaltung unmittelbar nach dem Belegen bereitete Probleme. Denn einige Sauen waren zu diesem Zeitpunkt noch rauschig. Das verursachte sehr viel Unruhe in der Gruppe.


Die Sauen eine Woche nach dem Belegen in die Gruppe zu geben, war ebenfalls kritisch. Die Umrauschquote stieg, weil der Umstellungszeitpunkt scheinbar schon zu nah an der sensiblen Ei-Einnistungsphase lag. Am besten funktionierte die Gruppenbildung am fünften Tag nach der Belegung. Hier war die Rausche bereits abgeschlossen.


Veterinäre begrüßen Umstellung.

Seit Anfang Mai 2015 erhalten nun alle Sauen ab dem fünften Trächtigkeitstag bis zum Umstallen in den Abferkelstall eine Woche vor dem Abferkeln „Freigang“. Auch das Kreisveterinäramt des Ilm-Kreises in Thüringen, das das Unternehmen in seine Überlegungen mit einbezog, begrüßte diese Entscheidung. „Die Veterinäre finden gut, dass wir die Kastenstände nach fünf Tagen öffnen“, erklärt Rik Haverkate erfreut.


Die Umstellung erfolgte auch passend zum Start der Initiative Tierwohl. Denn sowohl für die Sauenhaltung als auch für die Ferkelaufzucht hatten die Verantwortlichen in Alkersleben eine Zusage erhalten.


Das neue System wurde fest in das Management der Sauenanlage integriert: Im 1-Wochen-Rhythmus mit vier Wochen Säugezeit werden jeden Mittwoch etwa 225 Sauen abgesetzt und ins Deckzentrum umgestallt. Als Deckzentrum steht ein Großraum-Abteil mit neun Reihen à 32 Kastenständen, eine kürzere zehnte Reihe mit 10 Kastenständen und vier Eberbuchten zur Verfügung. Die Sauen werden hier, wie auch im Warte- und Abferkelstall, trocken per Volumendosierer gefüttert.


Genauer Zeitplan:

Am darauffolgenden Montagvormittag erfolgt die erste Besamung, am Dienstagmorgen die zweite. Am Nachmittag des gleichen Tages werden die Sauen dann in die Fressliegebuchten im Wartebereich umgestallt, die noch bis Freitag verschlossen bleiben.


Der Wartebereich besteht aus vier Großraum-Abteilen mit je 24 Reihen à 33 Fressliegebuchten. Zudem gibt es ein fünftes Abteil, das sich ans Deckzentrum anschließt und 14 Reihen mit je 33 Fressliegebuchten beherbergt.


Zwischen zwei gegenüberliegenden Liegebuchten-Reihen liegt jeweils ein 2,30 m breiter Laufgang. In diesen Bereich wird jeweils eine Gruppe mit 65 Sauen eingestallt. Die Gruppe wird dabei nicht nach Kondition der Sauen gebildet, sondern besteht aus 14 Jung-sauen und 51 Altsauen.


Beim Einstallen in den Wartebereich ist Haverkate und seinem Team Ruhe sehr wichtig. Zunächst treiben sie die Jungsauen aus dem separaten Jungsauen-Deckstall in den Wartebereich und füllen dann die Plätze mit den Altsauen auf. Dabei bleiben die Zuchtsauen, die für die Eigenremontierung der Herde per Wechselkreuzung ausgewählt wurden, immer in einer Gruppe zusammen.


Wichtig ist auch, dass die Jungsauen in den ersten Tagen, bis die Buchten geöffnet werden, weniger Futter erhalten als die Altsauen – etwa 2,2 kg/Tag.


Während dieser Zeit entfernen die Mitarbeiter auch täglich den Kot hinter den Tieren. Ab Freitag „erledigen“ die Sauen dann selbst diese Arbeit. Denn an diesem Tag werden die Fressliegebuchten geöffnet, während die Sauen fressen. Weil es keinen automatischen Öffnungsmechanismus gibt, müssen die Mitarbeiter jede Flügeltür einzeln per Hand einklappen. „Die Sauen verstehen sofort, dass sie nun die Bucht verlassen können“, schildert Rik Haverkate seine Beobachtungen.


Zur Gesundheitskontrolle gehen die Mitarbeiter täglich hinter den Fressliegebuchten entlang, während die Sauen darin fressen. Besonders aufmerksam müssen sie vom 18. bis 25. Trächtigkeitstag nach der Belegung sein. Hier findet die Umrauschkontrolle statt. Dabei achten sie gründlich auf Rauschesymptome wie z.B. eine angeschwollene Vulva.


Umrauscher sofort umstallen:

Umrauscher stallen sie sofort ins Deckzentrum zurück. „Das ist ganz wichtig, damit es in der Gruppe ruhig bleibt“, erklärt Rik Haverkate. Denn umrau-schende Sauen springen auf andere Tiere auf und sorgen so für viel Lärm und Unruhe. Das will man in Alkersleben unbedingt vermeiden.


Die Umrauscher werden im Deckzentrum erneut belegt. Rauschen sie anschließend ein weiteres Mal um, werden sie ausselektiert.


Drei Wochen nach dem Belegen findet die erste Trächtigkeitsuntersuchung statt. Dazu schließen die Mitarbeiter die Türen der Fressliegebuchten manuell, um die Sauen in Ruhe scannen zu können. Bevor die Tiere wieder freigelassen werden, stallen sie nicht tragende Sauen ins Deckzentrum um. Zur Sicherheit erfolgt eine zweite Trächtigkeitsuntersuchung drei Wochen später.


Jungsauen-Management:

Nicht nur in puncto Gruppenhaltung gab es 2015 in Alkersleben Veränderungen. Auch bei den Jungsauen nahmen Rik Haverkate und sein Team Anpassungen vor.


Ursprünglich wurden die Jungsauen direkt nach der ersten Rausche aus der Gruppenbucht in ein separates Jungsauen-Deckzentrum mit zehn Reihen à 33 Kastenständen umgestallt. Hier wurden sie sechs Wochen später in ihrer insgesamt dritten Rausche belegt. Weil aber die Einzelhaltung von Zuchtläufern – also Jungsauen vor der ersten Belegung – nach Nutztierhaltungsverordnung nicht erlaubt ist, beanstandete das Veterinäramt diese Vorgehensweise.


Seitdem verbleiben die Jungsauen bis unmittelbar zur Belegung in den Gruppenbuchten. Nach ihrer ersten Rausche verabreichen die Mitarbeiter ihnen per Drencher drei Tage lang Eistee. So gewöhnen sie sich an die Menschen und den Drencher und können anschließend problemlos „regumatisiert“ werden. Nach der 18-tägigen Regumate-Gabe werden sie ins Jungsauen-Deckzentrum umgestallt. Hier werden sie sozusagen parallel zu den Altsauen belegt, damit sie anschließend gemeinsam mit den älteren Tieren den Wartebereich beziehen können.


Alles in allem konnte die Gruppenhaltung ab dem fünften Trächtigkeitstag sowie die neue Jungsaueneingliederung in Alkersleben relativ problemlos umgesetzt werden. Weil die Sauen auch schon vorher direkt nach dem Belegen in den Wartebereich kamen – dann aber noch dreieinhalb Wochen in den Fressliegebuchten fixiert waren – fielen keine Umbaukosten für das neue System an. „Wir hatten Glück, dass wir 2009 schon entsprechend gebaut hatten“, bemerkt Rik Haverkate erfreut.


Abferkelquote gesunken:

Doch wie wirkte sich der frühere Start der Gruppenhaltung auf die Leistung aus? Anfangs gab es eine kurze Phase mit schlechteren Leistungen, weil Umrauscher übersehen und leere Sauen zu spät identifiziert wurden. „Das haben wir mit aufmerksameren Kontrollen in den Griff bekommen“, erläutert Rik Haverkate. Dennoch liegt die Abferkelquote von rund 90% bis heute etwa zwei bis drei Prozentpunkte niedriger als vor der Umstellung. Ein Unterschied, der aber aufgrund des Tierwohls zu tolerieren sei, so der junge Anlagenleiter.


Insgesamt ist er sogar positiv überrascht von der vorgezogenen Gruppenhaltung. Bei den Rangkämpfen gab es keine negativen Veränderungen, auch zusätzliche Probleme mit Lahmheiten sind ausgeblieben. „Es gefällt mir zu sehen und zu erzählen, dass die Sauen jetzt früher „Freigang“ haben“, betont Haverkate. Daher steht für ihn fest, dass sie das neue System auch ohne Initiative Tierwohl beibehalten würden.


Kontrollen sehr wichtig:

Enorm wichtig ist aber, dass die Mitarbeiter bei der Rausche- und Gesundheitskontrolle intensiv aufpassen. Die Zeit, die sie vor Mai 2015 in den ersten drei Wochen zum Kot abschieben genutzt haben, vergeht heute vollständig für die Kontrolle.


Trotz des Erfolges möchten Rik Haverkate und sein Team auf keinen Fall darauf verzichten, dass die Sauen zur Rausche und unmittelbar nach dem Belegen in Einzelhaltung stehen. Auch wissen sie, dass die Gruppenhaltung ab dem fünften Trächtigkeitstag nicht zu jeder Anlage passt. Problematisch wird es für jeden Betrieb, der die Sauen bislang 28 Tage im Deckzentrum behält.


„Ich rate ebenfalls davon ab, wenn die tragenden Sauen einer Gruppe nicht gleichzeitig gefüttert werden können“, erklärt Rik Haverkate. Denn rangniedere Sauen würden dann beim Fressen immer den Kürzeren ziehen.


Regina Imhäuser

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.