Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Hohe Verluste beim Freien Abferkeln

Lesezeit: 8 Minuten

Wie schneidet das Freie Abferkeln im Vergleich zur Säugephase im Ferkelschutzkorb ab? Edina Hickl und Prof. Dr. Steffen Hoy von der Uni Gießen haben 350 Abferkelungen ausgewertet.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Tage des Ferkelschutzkorbes mit dauerhafter Fixierung der Sau sind vermutlich gezählt. Denn seit einigen Jahren wird verstärkt daran gearbeitet, hohe Tierwohl-Standards für alle Haltungsbereiche der Sauen umzusetzen. Nachdem die Gruppenhaltung zunächst im Wartestall Pflicht wurde und jetzt auch im Deckzentrum zeitnah umgesetzt werden soll, steht als nächstes der Ferkelschutzkorb im Abferkelstall zur Diskussion.


Zwei Alternativen zur Wahl:

Die Tierschützer und Verhaltensforscher kritisieren schon länger, dass der Ferkelschutzkorb die Bewegungsfreiheit der Sauen zu stark einschränkt und sie daran hindert, ihre artgerechten Verhaltensweisen auszuüben.


Als Alternativen zum Ferkelschutzkorb werden zurzeit die Bucht für das „Freie Abferkeln“ und die „Bewegungsbucht“ diskutiert:


  • In der Bucht für das Freie Abferkeln wird die Sau vom Einstallen bis zum Absetzen nicht fixiert, zumindest nicht dauerhaft. Eine kurzzeitige Arretierung muss jedoch auch beim Freien Abferkeln möglich sein. So schreiben es die Unfallverhütungsvorschriften der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vor.
  • Die Bewegungsbucht dagegen verfügt über einen Ferkelschutzkorb, der ab kurz vor der Geburt bis mindestens drei Tage nach der Geburt geschlossen bleibt. Dadurch lässt sich ein Großteil der Ferkelverluste verhindern. Denn Untersuchungen zeigen, dass sich 60 bis 80% aller Ferkelverluste in den ersten drei Lebenstagen ereignen.


Doch ist das Freie Abferkeln wirklich eine Alternative? Kann man die Sauen im Abferkelstall nahezu die ganze Zeit frei laufen lassen? Im Projekt „Abferkelbuchten 2020“, das im hessischen Landwirtschaftszentrum Eichhof durchgeführt wurde, hat man genau das untersucht.


Von November 2015 bis Dezember 2017 wurden drei Prototypen von Buchten für das Freie Abferkeln mit kurzzeitiger Fixierungmöglichkeit mit herkömmlichen Abferkelbuchten und Ferkelschutzkorb verglichen. Es wurden biologische, arbeits- und betriebswirtschaftliche Aspekte ausgewertet.


Die drei Prototypen wurden in Zusammenarbeit mit zwei Stalleinrichtern, den Mitarbeitern des Landwirtschaftszentrums Eichof und der Universität Gießen entwickelt, gebaut und untersucht. In Übersicht 1 sind die drei Varianten der Freien Abferkelbucht dargestellt. Da es sich nur um Prototypen handelt, wurden sie nicht mit dem Herstellernamen versehen, sondern nur mit den Kürzeln „1a“, „1b“ und „2“.


Der Buchtentyp „2“ wurde spiegelverkehrt in zwei Buchten eingebaut. In den Übersichten 1 und 3 sind die Ergebnisse unter der Bezeichnung „2a“ und „2b“ dargestellt.


5,9 bis 6,6 m2 Platz je Bucht:

Die Referenzbuchten mit Ferkelschutzkorb waren 4,5 bis 4,75 m2 groß. Die Buchten für das Freie Abferkeln wiesen dagegen eine Fläche von 5,9 bis 6,6 m2 auf. Der Bewegungsbereich für die Sauen war zwischen 3,3 und 4,2 m2 groß.


Durch das Umschwenken eines Gatters, das den Sauen- vom Ferkelbereich trennt, konnten die Sauen bei Bedarf kurzfristig am Trog fixiert werden, z.B. wenn die Ferkel behandelt wurden. Bei etwa 6% der Sauen war die kurzzeitige Fixierung auch dringend nötig, weil sich die Sauen gegenüber dem Betreuungspersonal mitunter recht aggressiv verhielten, um ihre Ferkel zu schützen.


In 36 Durchgängen wurden im Rahmen von 350 Abferkelungen insgesamt 5383 Ferkel geboren. Die 72 frei abferkelnden Sauen haben im Schnitt 8,0% ihrer Ferkel tot geboren. Bei den Sauen im Ferkelschutzkorb betrug dieser Anteil 9,7%. In den Buchten für das Freie Abferkeln wurden im Durchschnitt 15,9 Ferkel lebend geboren, in den Buchten mit Ferkelschutzkorb 15,3 Ferkel.


Innerhalb der ersten 48 Lebensstunden wurde ein Wurfausgleich unter den Ferkeln durchgeführt, bei dem die Tiere zwischen allen Buchtensystemen umgesetzt wurden. Deshalb wurden alle Leistungs- und Verlustdaten zweimal berechnet – zunächst bezogen auf alle lebend geborenen Ferkel und dann noch einmal bezogen auf alle Ferkel nach dem Wurfausgleich.


Von den lebend geborenen Ferkeln verstarben in den Buchten für das Freie Abferkeln 16,9% bis zum Wurfausgleich, 9,6% davon wurden erdrückt. In den Buchten mit Ferkelschutzkorb ließen dagegen bis zum Wurfausgleich nur 9,9% der Ferkel ihr Leben, davon wurden 5,1% erdrückt.


Schutzkorb rettet Ferkelleben:

Unter dem Strich gab es in den Buchten für das Freie Abferkeln mit 3,1% hochsignifikant mehr Ferkel, die in den ersten 48 Stunden aufgrund von Tritt- und Bissverletzungen durch die Sau starben oder gemerzt werden mussten, als in den Buchten mit Ferkelschutzkorb (0,4%).


Nach dem Wurfausgleich betrugen die Ferkelverluste in den Buchten für das Freie Abferkeln sehr hohe 21,9%, davon wurden 12,9% durch die Sau erdrückt. In diesen Buchten gab es mitunter zehn, in einem Fall sogar 13 tot gelegene Ferkel pro Wurf.


In den Buchten mit Ferkelschutzkorb war die Verlustquote mit 11,2% dagegen nur etwa halb so hoch, wie Übersicht 2 verdeutlicht. Davon wurden nach dem Wurfausgleich 5,2% durch die Sau erdrückt. In den Buchten für das Freie Abferkeln starben 1,9% mehr Ferkel durch Tritte oder Bisse der Sauen als in Buchten mit Ferkelschutzkorb (0,5%).


Dreieckige Flächen besser:

Zwischen den drei Buchtenvarianten für das Freie Abferkeln gab es jedoch Unterschiede. Insbesondere zwischen den Buchten mit rechteckiger und dreieckiger Bewegungsfläche traten in puncto Ferkelverluste erhebliche Differenzen auf. In der Bucht „1b“ mit rechteckiger Bewegungsfläche für die Sau waren die Ferkelverluste bis zum Wurfausgleich mit 20,2% am höchsten. Davon wurden 14,9% aller Ferkel erdrückt. In den Buchten mit dreieckiger Bewegungsfläche betrugen die Ferkelverluste dagegen nur 15,8%. Davon wurden im Schnitt 7,9% der Tiere erdrückt.


Auch nach dem Wurfausgleich waren die Ferkelverluste in Bucht „1b“ mit 27,4% am höchsten (siehe Übersicht 3). In Bucht „1a“ fielen die Verluste dagegen mit 14,4% am niedrigsten aus. Im Mittel waren die Ferkelverluste in den Buchten mit dreieckiger Bewegungsfläche 7,2% geringer als in Bucht „1b“.


Die höchsten Erdrückungsverluste nach dem Wurfausgleich traten in Bucht „1b“ (19,7%) und die niedrigsten in Bucht „1a“ (8,6%) auf. Im Durchschnitt wiesen die Buchten mit dreieckigen Flächen 9% geringere Erdrückungsverluste auf als Bucht „1b“ mit rechteckiger Bewegungsfläche. Die Ursache für die hohen Verluste in Bucht „1b“ führen die Versuchsbeteiligten auf technische Probleme zurück, die im Verlauf der Untersuchungen abgestellt werden konnten, und auf die rechteckige Form der Bucht. Die beiden senkrechten Eckpfosten des Ferkelnestes erhöhten das Erdrückungsrisiko für die Ferkel, sobald sich die Sau anlehnte und hinlegte. Durch den Einbau eines zusätzlichen Abweisbügels konnte dieses Risiko entschärft werden.


„Rollen“ der Sau gefährlich!

Zudem versperrte die Sau den Eingang zum Ferkelnest, sobald sie mit dem Rücken davor lag. Dadurch konnten nicht alle Ferkel zum Gesäuge gelangen. Im Verlauf der Untersuchungen wurde daher in die Seite des Ferkelnestes eine zusätzliche Öffnung für die Ferkel geschnitten.


Rechteckige Bewegungsflächen haben für die Sauen den Vorteil, dass sie ungehindert ihre Lage wechseln können. Sie können sich von der Bauch- in die Seitenlage rollen. Dieses „Rollen“ kann jedoch lebensbedrohlich für die Ferkel sein. In Bucht „1b“ starben 78,1% aller Ferkel, die dabei unter die Sau gerieten.In den Buchten mit dreieckiger Bewegungsfläche verendeten auf diese Weise nur 45,6% der Ferkel. Wahrscheinlich erschwert die Buchtenform mit den spitzen Winkeln den Sauen das „Rollen“ von der Bauch- in die Seitenlage.


Die niedrigen Verluste in Bucht „1a“ lassen sich auch durch den guten Zugang zu den Sauen erklären. Das Tor kann schnell geöffnet werden, sodass der Landwirt zügig eingreifen kann, wenn ein Ferkel unter die Sau gerät. Auf diese Weise konnte einigen Ferkeln das Leben gerettet werden.


Das zeigt: Auch bei den Buchten für das Freie Abferkeln kommt es oftmals auf Details an. Sie können darüber entscheiden, ob das jeweilige Buchtenkonzept in der Praxis wirklich funktioniert oder eben nicht.


Ein Teil der Sauen wurde vor dem Einstallen in den Abferkelstall und nach dem Absetzen der Ferkel gewogen. Aus der Differenz wurde der Gewichtsverlust der Sauen während der Säugezeit berechnet. Das Wurfgewicht sowie das Gewicht von Fruchtwasser und Plazenta wurden dabei nicht vom Einstallgewicht abgezogen. Das Ergebnis: Die Sauen, die sich nach dem Abferkeln frei in der Bucht bewegen konnten, verloren mit 40,9 kg tendenziell etwas mehr Lebendmasse als die Sauen, die in Ferkelschutzkörben fixiert waren. Hier betrug der Gewichtsverlust 39,5 kg. Statistisch absichern ließ sich dieser Unterschied allerdings nicht.


Mehr Schulterläsionen:

Außerdem wurden Schulterläsionen und die Verschmutzung der Sauen beim Einstallen in die Abferkelbucht sowie beim Ausstallen bonitiert. Von 568 beurteilten Sauen wiesen im Schnitt 13,9% Aufliegeschäden (Läsionen) an den Schultern auf. In den Buchten zum Freien Abferkeln waren 21,2% der Tiere betroffen, in den Buchten mit Ferkelschutzkorb dagegen nur 12,9% (siehe Übersicht 4).


Möglicherweise ist die höhere Verletzungsquote in den Buchten zum Freien Abferkeln auf ungeschützte Ausrüstungsteile zurückzuführen, wie z.B. Schraubenköpfe am Trog, die die Gatter stabilisieren sollen.


Insgesamt 72,7% der Sauen waren beim Ausstallen aus der Abferkelbucht mehr oder weniger stark verschmutzt. In den Buchten mit Ferkelschutzkorb hatten 67,1% der Sauen eine verschmutzte Hinterhand. In den Buchten zum Freien Abferkeln waren es dagegen nur 32,9% aller Tiere.


Das liegt vermutlich daran, dass die Sauen im Ferkelschutzkorb keine Möglichkeit haben, dem Kot auszuweichen. Allerdings wurden in den Buchten zum Freien Abferkeln mehr stark verschmutzte Tiere registriert.


Futteraufnahme geringer:

Von 277 untersuchten Sauen konnte die tägliche Futteraufnahme ausgewertet werden. Sie war bei den Sauen in den Buchten zum Freien Abferkeln mit 7,0 kg/Tag etwas geringer als bei den Sauen im Ferkelschutzkorb. Hier betrug sie 7,3 kg Futter pro Tag.


Aber auch zwischen den Buchten zum Freien Abferkeln gab es Unterschiede. Die Sauen in den spiegelverkehrt eingebauten, aber ansonsten identischen Buchten „2a“ und „2b“ nahmen während der Säugezeit im Mittel 7,5 kg Futter pro Tag auf und damit deutlich mehr als die Tiere in den Buchten „1a“ und „1b“, die es im Mittel nur auf 6,6 kg Futter pro Tag brachten.


Das mag daran liegen, dass die Sauen in den Buchten „2a“ und „2b“ diagonal in der Bucht aufgestallt waren. Sie fraßen „Kopf an Kopf“ mit den ihnen gegenüberstehenden Sauen und haben sich als „Synchronfresser“ möglicherweise gegenseitig zur Futteraufnahme angeregt.Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.