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Ist die Ferkelproduktion die Rettung?

Lesezeit: 7 Minuten

Die dänischen Schweinehalter stecken in einer finanziellen Krise. Die Hintergründe und die Folgen für die Schweinehaltung schildert Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst*).


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Die dänischen Schweinehalter stecken seit Ende 2009 in großen finanziellen Schwierigkeiten. Die hohen Preise für landwirtschaftliche Nutzflächen stürzten dramatisch ab – mit verhängnisvollen Auswirkungen auf die Absicherung der Kredite der Schweinehalter. Was ist geschehen?


Bis Mitte des Jahres 2004 stiegen die Bodenpreise recht gleichmäßig an. Der Wert der Flächen entwickelte sich parallel zu den wachsenden Schweinebeständen und -fleischexporten. Dann schossen die Flächenpreise plötzlich in die Höhe (siehe Übersicht 1). Allein zwischen den Jahren 2005 und 2008 nahmen die pro Hektar geforderten Bodenpreise um 60 % zu! Der durchschnittliche Verkaufspreis lag im Jahr 2008 bei umgerechnet rund 47 900 € pro ha.


Regierung griff in den Bodenmarkt ein


Die Preisentwicklung wurde sehr stark beschleunigt durch eine Verschärfung des Gesetzes zum Flächennachweis, die die dänische Regierung bereits Mitte der 1990er-Jahre erlassen hatte. Demzufolge mussten die Schweinehalter je nach Tierzahl deutlich mehr Eigentumsflächen als bisher nachweisen. So galt beispielsweise für Betriebe mit mehr als 500 Großvieheinheiten die Vorgabe, 100 % Eigentumsflächen nachweisen zu müssen!


Neben dem Gesetzgeber trugen auch die Banken dazu bei, dass die Bodenpreise weiter nach oben schnellten. In den steigenden Flächenpreisen sahen sie eine gute Deckung ihrer Darlehen. Und angesichts der guten Exportmöglichkeiten für Ferkel und Schweinefleisch gaben sie investitionswilligen Schweinehaltern Kredite bis zu einer Höhe von 70 % der künstlich überhöhten Buchwerte der Flächen. Die Schweinehalter selbst drängten auf Kredite, um Landkäufe sowie Neu- und Umbauten von Schweineställen finanzieren zu können.


Am Bodenmarkt war ein Ende der Preisspirale nach oben nicht abzusehen. Die Regierung reagierte auf die von ihr verursachte Fehlentwicklung und machte die Verschärfungen beim Flächennachweis im Jahr 2009 teilweise wieder rückgängig. Seither müssen die Schweinehalter nur noch 25 % Eigentumsflächen nachweisen. Den Rest können sie über Pachtverträge belegen.


Durch die erneute Gesetzesänderung kam die Flächennachfrage Ende 2008 schlagartig zum Erliegen, und die Preise stürzten ab. Bis Anfang 2010 sind sie um mehr als die Hälfte auf umgerechnet rund 17 450 € eingebrochen! Seither verharren die Preise etwa auf diesem Niveau. Gleichzeitig stiegen die Pachtpreise deutlich an.


Kaum noch Investitions­chancen für Schweinehalter


Der durch die Gesetzesänderung maßgeblich verstärkte Preissturz am Bodenmarkt hatte schwerwiegende Folgen für alle Schweinehalter. Am stärksten betroffen sind diejenigen, die in der Zeit der überhöh­ten Bodenpreise viel Fremdkapital aufgenommen und umfangreich investiert haben. Denn die Sicherheiten für ihre Kredite brachen schlagartig weg. Viele Betriebe wurden dadurch sozusagen „technisch insolvent“.


Gemeinsam mit den Schweinehaltern entwickelten die Banken Konzepte, um einerseits ihre eigenen Verluste zu minimieren und andererseits den Fortbestand der dänischen Schweineproduktion zu gewährleisten. So weit möglich, versuchten sie, Betriebe durch Umschuldungen zu retten. Für viele war eine Entschuldung jedoch nicht mehr möglich! Da die Banken nicht in den Besitz dieser insolventen Betriebe kommen wollten, vermittelten sie den Verkauf insbesondere an leistungsstarke Sauenhalter. Denn diese lassen am ehesten einen Abtrag der gewährten Kredite erwarten. Mit dieser Strategie sind Banken und Schweinehalter offenbar auf einem guten Weg.


Für alle Ferkelerzeuger und Mäster, die die finanzielle Krise überstehen, gilt, dass sie zumindest in der nahen Zukunft keine größeren Investitionen tätigen werden. Denn einerseits haben sie in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viel investiert. Andererseits ist es derzeit ausgesprochen schwierig, von den Banken neue Kredite zu bekommen. Wie sich die finanzielle Krise auf den Strukturwandel der Schweine haltenden Betriebe in Dänemark im Einzelnen auswirkt, können Sie im Kasten auf Seite S 30 lesen.


Trotz Krise künftig mehr dänische Ferkel


Um die Folgen der finanziellen Krise für die dänische Schweinehaltung einschätzen zu können, hat die Interessenvertretung der dänischen Schweinehalter, Danske Svineproducenter (DSP), eine umfangreiche Studie über die Entwicklung der dänischen Schweinehaltung von 2010 bis 2015 durchgeführt. Die DSP kamen zu einem überraschenden Ergebnis: Die Anzahl der erzeugten Ferkel wird in diesem Zeitraum um etwa 5 Mio. Tiere steigen (siehe Übersicht 2)! Gleichzeitig wird sich die Anzahl der Sauen voraussichtlich nur um 0,9 % verringern. Auch für das laufende Jahr gehen die Dänen davon aus, dass die Anzahl der erzeugten Ferkel um 400 000 Tiere steigen wird.


Wachstumspotenzial sehen die Dänen vor allem in der Erzeugung von Ferkeln für den Export. Denn sie rechnen damit, dass die Nachfrage nach dänischen Ferkeln vor allem in Deutschland, aber auch in anderen EU-Mitgliedsländern, künftig steigen wird, und zwar schneller als die Produktionsausweitung in Dänemark. Zudem erwarten die Dänen einen Nachfrageschub, weil die Anzahl der Sauen und damit der Ferkel ab 2013 voraussichtlich EU-weit kurz- bis mittelfristig sinken wird. Denn etliche Ferkelerzeuger werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in die dann von der EU geforderte Gruppenhaltung der Sauen investieren, sondern stattdessen die Produktion aufgeben.


Neben den DSP rechnet auch der Dachverband der dänischen Land- und Ernährungswirtschaft, Landbrug & Fødevarer, mit einer steigenden Nachfrage nach dänischen Ferkeln. Anders als die DSP geht der Verband jedoch davon aus, dass die Ferkelzahlen bis 2015 nur um 3 Mio. steigen werden. Diese eher vorsichtige Schätzung hat der Verband mit der inzwischen intensiv und kritisch geführten Diskussion um die optimale Zahl der abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr begründet. Denn auch in Dänemark deutet sich an, dass die Zucht sich neu ausrichtet.


Unabhängig davon, ob die Dänen im Jahr 2015 nun 3 oder 5 Mio. Ferkel mehr erzeugen als im laufenden Jahr, diese Tiere werden nicht in Dänemark gemästet. Denn die Mastkapazitäten werden dort mittelfristig nur begrenzt zunehmen. Und zwar aus folgenden Gründen: Abgesehen davon, dass die Mäster derzeit keine neuen Kredite bekommen, planen sie zumindest in naher Zukunft keine weiteren Investitionen. Denn die Gewinnerwartung für die Schweinemast ist bei den derzeit niedrigen Weltmarktpreisen für Schweinefleisch äußerst gering. Und angesichts des hohen Selbstversorgungsgrades, der zurzeit mehr als 600 % beträgt, sind die Weltmarktpreise ausschlaggebend für die Perspektiven der dänischen Mäster.


Mastkapazitäten bleiben hoch


Dies gilt auch trotz der im laufenden Jahr erstmals seit Jahren deutlich gestiegenen Aus­zahlungspreise. Sie sind angezogen, weil die Inlandsnachfrage nach Schlachtschweinen steigt. Das liegt daran, dass der deutsche Schlacht­konzern Tönnies Fleisch im Sommer dieses Jahres die Kapazität seines Schlachthofs im dänischen Brørup von wöchentlich 19 000 auf etwa 30 000 Schweine ausgeweitet hat. Die inländische Nachfrage nach Schlachtschweinen wird dadurch um jährlich mehr als 500 000 Tiere ansteigen.


Ein weiterer Grund für die höheren Auszahlungspreise ist, dass die Schlacht- und Zerlegebetriebe ihre hohen Lohnkosten, die mehr als doppelt so hoch waren wie in Deutschland, etwas senken konnten. Mit diesem Schritt will die Schlachtbranche verhindern, dass die Mäster ihre Schweine zunehmend in Deutschland vermarkten. Denn das lohnt sich, sobald die dänische Notierung mindestens 12 Cent pro kg SG unter den deutschen Notierungen liegt. Im laufenden Jahr sind die Lebendexporte von Schlachtschweinen tatsächlich stark rückläufig. Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, ist allerdings sehr fraglich. Denn die dänische Notierung ist schon wieder rückläufig und lag in der 34. Kalenderwoche 21 Cent unter den deutschen Notierungen.


Nichtsdestotrotz ist unser nördlicher Nachbar mit einer Jahresproduktion von ca. 1,85 Mio. t (2009) einer der weltweit wichtigsten Produzenten und Exporteure von Schweinefleisch. Und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.


Fazit


Am dänischen Bodenmarkt kam es nach einer Preisexplosion bis Ende 2008 zu einem drastischen Preisrückgang. Hauptursachen waren Gesetzesänderungen beim Flächennachweis. Dadurch sind vielen Schweinehaltern die Sicherheiten für ihre Kredite weggebrochen. Und sie gerieten in große finanzielle Probleme.


Die Banken versuchten gemeinsam mit den Schweinehaltern, die Krise zu meistern. Unter anderem vermittelten sie insolvente Sauenbetriebe an sehr erfolgreiche Sauenhalter. Die Krise hat den Strukturwandel in der Schweinehaltung längerfristig drastisch verschärft.


Dennoch werden die Dänen bis zum Jahr 2015 voraussichtlich 3 bis 5 Mio. Ferkel mehr produzieren als 2010, vorrangig für den Export nach Deutschland. Denn die dänische Schweinehaltung hat vor allem in der Ferkelproduktion Wachstums­potenzial. Die Erzeugung und der Export von Schweinefleisch werden nach wie vor einen hohen Stellenwert haben. Allerdings werden die Mastkapazitäten zumindest in naher Zukunft kaum wachsen.


*) Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) und Landesinitiative Niedersächsisches Kompetenzzentrum Ernährungswirtschaft (NieKE) an der Uni Vechta

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