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Leptospiren im Stroh

Lesezeit: 5 Minuten

Mäuse in der Einstreu übertragen Leptospiren. Das führte in einem Betrieb mit 600 Sauen zu massiven Fruchtbarkeitsstörungen. Tierarzt Dr. Stefan Gedecke aus Wonsees schildert den Praxisfall.


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Die Probleme kamen völlig unerwartet. Morgens, beim Kontrollgang durch den Wartestall, entdeckte Ferkelerzeuger Peter Fritsche (Name geändert) im Stroh an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Spätab-​orte. Parallel dazu ferkelten im Abferkelstall etliche Sauen zu früh, einige gebaren Mumien und zahlreiche Ferkel wurden lebensschwach geboren. Etliche von ihnen verendeten wenig später. Und Sauen, die nach dem Absetzen zurück ins Deckzentrum kamen, litten häufiger unter Ausfluss.


Akuter PRRS-Schub?

„Auf den ersten Blick sah es aus wie ein akuter PRRS-Schub“, erinnert sich Fritsche. Der 46-Jährige bewirtschaftet in Sachsen einen Ferkelerzeugerbetrieb mit 600 produktiven Sauen dänischer Genetik. Alle Jungsauen werden zugekauft. Fritsche fährt den 14-Tage-Rhythmus. Pro Sau und Jahr setzt er im Schnitt 31 Ferkel ab.


Bis zum damaligen Zeitpunkt war die Herde PRRS-unverdächtig. Die Sauen wurden routinemäßig gegen Parvo/Rotlauf und gegen Influenza geimpft. Die Jungsauen erhielten zusätzliche Impfungen gegen die Schnüffelkrankheit (Rhinitis atrophicans und gegen PCV2. Die Aufstallung der Sauen ist konventionell. Im Deckzentrum verbringen die Tiere 28 Tage im Kastenstand. Hier werden sie künstlich besamt. Anschließend werden die Sauen in den stroheingestreuten Wartestall mit Abruffütterung umgestallt.


Um die Ursache der Fruchtbarkeitsprobleme abzuklären, wurden zunächst bei 40 Sauen im Wartestall Blutproben gezogen und zusammen mit Abortmaterial in ein Untersuchungslabor geschickt.


Das Ergebnis der serologischen Untersuchung auf im Blut enthaltene Antikörper ergab keine Auffälligkeiten. Alle untersuchten Sauen erwiesen sich als PRRSV- und PCV2-negativ und waren frei von den klassischen Tierseuchen-erregern wie der Klassischen und der Afrikanischen Schweinepest. Auch Leptospiren-Antikörper ließen sich nicht nachweisen. Einige Proben waren Chlamydien-positiv, andere wiesen Influenza-Antikörper auf. Die Ergebnisse waren jedoch unspektakulär.


Auch die Untersuchung des eingeschickten Abortmaterials ergab keine Anhaltspunkte. Insgesamt wurden an mehreren Tagen mehr als zehn Abortproben gewonnen und analysiert. Es ließ sich jedoch kein Erreger mit den beobachteten Fruchtbarkeitsstörungen in Verbindung bringen.


Wasser- und Futteranalyse:

Da sich das Verferkeln währenddessen unvermindert fortsetzte und bei Andreas Fritsche allmählich die Nerven bloß lagen, entnahm der Tierarzt im Stall Wasser- und Futterproben, die er ebenfalls untersuchen ließ. Der Betrieb bezieht Wasser aus einem eigenen Brunnen. Aber der Keimgehalt des Wassers war im grünen Bereich, und der Mykotoxingehalt des Futters war unauffällig.


Zur Sicherheit ließ Fritsche auch das Stroh, mit dem der Wartestall eingestreut wird, auf Mykotoxine und Keime untersuchen. Aber auch diese Ergebnisse waren unauffällig. Lediglich von den untersuchten Sauenmilch- und Gallensaftproben wiesen einige leicht erhöhte Werte auf. Aber die nachgewiesenen Werte hätten in keinem Fall ausgereicht, um das massive Abortgeschehen zu erklären.


In der Zwischenzeit eskalierte die Situation weiter. Von 60 ehemals tragenden Sauen einer Gruppe ferkelten zum Schluss nur 40 bis 45 tatsächlich ab. Und die Qualität der geborenen Ferkel war eine mittlere Katastrophe. Landwirt und Tierarzt schickten deshalb noch einmal Abortmaterial ins Labor und ließen die Proben erneut per PCR (Polymerase Kettenreaktion) untersuchen. Bei diesem Verfahren werden die Erreger direkt nachgewiesen.


Leptospiren als Auslöser:

In einigen Feten, vor allem aber in den Eihäuten ließen sich mithilfe des PCR-Verfahrens Leptospiren nachweisen. Alle anderen Erregernachweise verliefen ergebnislos. Somit war der Auslöser der massiven Fruchtbarkeitsprobleme entdeckt: Es handelte sich um eine Infektion mit Leptospiren. Um die Diagnose zu bestätigen, wurden nochmals bei 40 Sauen Blutproben genommen und ein Anti-körpernachweis per Mikroagglutinationstest (MAT) durchgeführt. Der MAT ist inzwischen das Standard-Nachweisverfahren für Leptospiren. Dazu werden die Blutseren der Sauen verdünnt und mit lebenden Leptospirenstämmen versetzt. Sind Antikörper vorhanden, kommt es zu Verklumpungen, die man unter dem Mikroskop deutlich erkennen kann.


Zur Sofortbehandlung wurden alle Sauen zweimalig per Spritze mit Oxytetracyclin behandelt. Nach vier Wochen wurde die Behandlung dann noch einmal oral wiederholt. Da die Übertragung des Erregers durch Urin, abortierte Feten oder sonstige Ausscheidungen von infizierten Sauen erfolgt, wurden der Warte​stall geräumt und die Sauen kurzfristig in einer Scheune untergebracht. Der stroheingestreute Stall wurde dann ausgemistet, komplett gereinigt und anschließend desinfiziert.


Vorsorglich werden die Sauen seitdem mit einem Dreifachimpfstoff geimpft, der nicht nur vor Rotlauf und Parvovirose schützt, sondern auch vor Leptospiren. Sauen, die bisher noch nicht geimpft wurden, erhalten die erste Injektion 6 bis 8 Wochen vor dem erwarteten Besamungstermin. Vier Wochen später wird die Impfung noch einmal wiederholt (geboostert). Die Wiederholungs- bzw. Auffrischungsimpfungen erfolgen dann alle 6 Monate.


Mäusenester im Stroh:

Doch wie hatten sich die Sauen angesteckt? Bei der Ursachensuche wurden Tierarzt und Landwirt schließlich im Strohlager fündig. Dort entdeckten sie etliche Mäusenester und Mäusekot. Die Schadnager, die als potenzielle Lepospirenüberträ-ger gelten, hatten dort genistet und sich vermehrt. Auch auf der Gülle-​Schwimmschicht unter den Abrufstationen entdeckte Fritsche jede Menge Mäusenester.


Um die Gefahr einer erneuten Ansteckung mit Leptospiren zu reduzieren, übergab Peter Fritsche die Schadnagerbekämpfung an einen professionellen Schädlingsbekämpfer. Der hat zunächst das gesamte Gelände und die kritischen Brennpunkte erfasst und dann einen Plan zum Aufstellen der Köderboxen entworfen. Er kontrolliert seitdem regelmäßig die Boxen und erneuert bei Bedarf die Köder.


Grundsätzlich ist es jedoch schwierig, Schadnager 100%-ig aus dem Strohlager fernzuhalten. Dieses Problem darf man nicht außer Acht lassen, wenn vonseiten des Tierschutzes gefordert wird, den Schweinen mehr Wühl- und Beschäftigungsmaterial in Form von Stroh und Heu anzubieten!


Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com

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