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TÄHAV: Mehr Bürokratie, höhere Kosten

Lesezeit: 4 Minuten

Selten haben die Tierärzte eine neue Verordnung so einhellig kritisiert wie die neue Tierärztliche Hausapothekenverordnung. Über die Knackpunkte sprach top agrar mit PD Dr. Andreas Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte.


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Seit dem 1. März ist die Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) in Kraft. Was ist neu?


Palzer: Eine wesentliche Neuerung ist, dass der Tierarzt in bestimmten Fällen verpflichtet ist, die Empfindlichkeit der bakteriellen Erreger durch ein Antibiogramm zu testen. Dies gilt insbesondere bei den für die Humanmedizin als wichtig angesehenen Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation. Zusätzlich gilt für diese Stoffgruppen bei bestimmten Tierarten ein Umwidmungsverbot. Darüber hinaus wurden die Dokumentationspflichten auf dem Anwendungs- und Abgabebeleg deutlich ausgeweitet.


Welche Folgen haben die Anwendungseinschränkungen bzw. Hürden beim Einsatz bestimmter Stoffgruppen für die Behandlung von Schweinen?


Palzer: Auf den ersten Blick wenige, denn beim Schwein gibt es als Alternative für diese beiden Wirkstoffgruppen genügend zugelassene andere Präparate. Allerdings wurden Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation ja nicht ohne Grund eingesetzt. Es besteht die Gefahr, dass ältere Präparate in manchen Fällen nicht so wirksam sind. Deshalb kann sich in der Folge die Heilung verzögern. Die Tiere müssen eventuell länger leiden, wenn sie zunächst mit weniger wirksamen Antibiotika behandelt werden. Der Einsatz von Fluorchinolonen und Cephalosporinen ist aber nicht verboten! Die jetzt geltenden Vorschriften haben lediglich zum Ziel, die Anwendung dieser beiden Stoffgruppen auf das nötige Maß zu beschränken.


Vor jeder neuen Verschreibung muss der Tierarzt die Tiere vor Ort untersuchen. Ist das praktikabel?


Palzer: Bisher war es in einigen Bundesländern möglich, dass der Landwirt eine Behandlung, die er bei erkrankten Schweinen in einem Abteil durchgeführt hat, nach Rücksprache mit dem Tierarzt auf Tiere in einem anderen Abteil ausweiten durfte, wenn die Schweine mit den gleichen Symptomen erkrankten.


Das ist jetzt nicht mehr möglich. Der Tierarzt muss vor der antibiotischen Behandlung eine klinische Untersuchung durchführen. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass es zu einem unmittelbaren physischen Kontakt mit dem Tier bzw. dem Tierbestand kommt. Es besteht allerdings noch Klärungsbedarf, wie dies im Rahmen der Bestandsbetreuung genau umgesetzt werden muss.


Wichtig ist in meinen Augen auch, dass die im Arzneimittelgesetz vorgesehenen Regelungen zur Abgabe weiterhin gelten. Das heißt, die 7-Tage- und 31-Tage-Regeln bleiben natürlich weiterhin bestehen.


Welche Kosten kommen durch die neue Antibiogrammpflicht jetzt auf die Landwirte zu?


Palzer: In der amtlichen Begründung ist die Rede von jährlich ca. 25 Mio. €. Dieser Wert wurde meiner Meinung nach aber viel zu niedrig angesetzt. Unterstellt man, dass jedes Antibiogramm inklusive Probennahme und Auswertung etwa 50 € kostet und beispielsweise je Sauenbetrieb und Jahr fünf sowie je Mastbetrieb zwei zusätzliche Antibiogramme angefertigt werden müssen, dann errechnet sich eine Gesamtsumme von 45 bis 50 Mio. € für alle Tierhaltungsbetriebe in Deutschland. Und diese Kosten müssen alleine von den Landwirten getragen werden, denn die müssen laut TÄHAV die Antibiogramme in Auftrag geben. Es zeichnet sich ab, dass die staatlichen Einrichtungen diese Flut von Antibiogrammen nicht mehr bezahlen können, wie dies bisher in einigen Bundesländern der Fall war.


Wie nützlich sind die zusätzlich erstellten Antibiogramme?


Palzer: In dieser Fülle ist der Nutzen fragwürdig. Wenn bisher schon Diagnostik betrieben wurde, ist der zusätzliche Erkenntnisgewinn nicht sehr hoch. Auch ist es nicht so einfach, die Ergebnisse, die bei der Anbrütung im Labor gewonnen wurden, 1:1 auf die Situation im Stall zu übertragen. Um diesen ganzen Problemen gerecht zu werden, gibt die TÄHAV auch nicht zwingend vor, dass sich weitere Behandlungen am Ergebnis der Untersuchung ausrichten müssen. Der Tierarzt sollte das Ergebnis vielmehr im Rahmen seiner Behandlungen in angemessener Weise berücksichtigen und als Entscheidungshilfe nutzen.


Was ist nötig, um die Resistenzentwicklung wirklich einzudämmen?


Palzer: Bei der Verminderung des Antibiotikaverbrauches haben wir in der Nutztierhaltung in den vergangenen Jahren sehr viel erreicht. Der Verbrauch wurde nahezu halbiert. Die Auswertungen zeigen aber, dass sich die Anwendung beim Schwein kaum noch senken lässt, wenn die Tiere nicht darunter leiden sollen. Es macht also keinen Sinn, den Landwirten und Tierärzten weiter die Daumenschrauben anzuziehen. Jetzt kommt es vielmehr darauf an, die bestehenden Systeme zur Überwachung von Resistenzen besser auszubauen. Wir brauchen ein Resistenzmonitoring und keine wilde Ansammlung von zum Teil sinnlos gewonnenen Antibiogrammen.


Kontakt: henning.lehnert@topagrar.com

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