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Wenn Sauen ihr „letztes Hemd“ hergeben

Lesezeit: 7 Minuten

Schulterverletzungen bei Sauen sind ein Problem. Woran das liegt und wie man vorbeugt, hat Dr. Eckhard Meyer vom sächsischen Lehr- und Versuchsgut Köllitsch untersucht.


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Bis zu 20% Sauen mit Schulterverletzungen in einer Herde sind inzwischen leider keine Seltenheit mehr. Besonders betroffen sind die leistungsfähigen Herkünfte mit großen Würfen. Denn hier müssen die Sauen während der Säugezeit Höchstleistungen erbringen. Da lassen sich Verluste bei der Körpersubstanz nicht vermeiden. Um keine Fruchtbarkeitsprobleme im Folgewurf zu riskieren, sollten diese Verluste allerdings maximal 15% des Körpergewichts der Sau unmittelbar nach der Geburt ausmachen. In der Praxis sind die Gewichtsverluste der Tiere jedoch häufig viel größer.


Sauen müssten 8 kg fressen:

Um mit der aus dem Futter aufgenommenen Energie vierzehn Ferkel säugen zu können, müssten die Sauen während ihrer Säugezeit im Durchschnitt über das Futter pro Tag etwa 100 MJ ME Energie aufnehmen. Das entspricht bei einem Futter mit 88% Trockensubstanzgehalt einer täglichen Verzehrsmenge von 8 kg! Das ist jedoch selbst bei den auf hohe Futteraufnahmen getrimmten Herkünften kaum realistisch – schon gar nicht an heißen Tagen.


Die Folge: Immer mehr Sauen bekommen ernsthafte Probleme. Bei vielen Herkünften scheinen Milchmengenbildung und Futteraufnahme inzwischen entkoppelt zu sein. Die von den Ferkeln abgerufene Milchmenge wird in jedem Fall gebildet – egal, ob die Sauen die dafür erforderliche Futtermenge aufnehmen oder nicht.


Um den Energiebedarf zu decken, schmilzt der Organismus dann Körperreserven ein. In Lehrbüchern steht, dass die Sauen dabei zunächst auf den subkutanen Rückenspeck zurückgreifen. Sind dort die Reserven aufgebraucht, werde in der zweiten Stufe das intermuskuläre Fett verstoffwechselt, also das Fett zwischen den Muskeln. Und in der dritten Stufe muss dann die letzte Reserve daran glauben, das intramuskuläre Fett.


Beobachtungen in der Praxis scheinen diese Theorie jedoch zu widerlegen. Bei Sauen mit geringen Fettreserven wird offensichtlich von Anfang an auch Eiweiß (Muskelmasse) eingeschmolzen.


Standsicherheit ist wichtig:

Ob Leistung und Fütterung zusammenpassen, lässt sich am besten an der Häufigkeit von Schulterverletzungen ablesen. Denn die Fettreserven des Körpers spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Liegebeulen. Daneben gibt es noch weitere Einflussfaktoren, wie das Alter der Tiere, die Genetik und natürlich die Bodengestaltung in der Abferkelbucht.


Es muss ein Kompromiss zwischen Liegekomfort und Standsicherheit gefunden werden. Zur Verbesserung des Liegekomforts wird häufig über den Einbau von Gummimatten diskutiert. Ganzflächig aufgebrachte Matten führen zwar zu einer Druckentlastung an den Schulterblättern. Die Matte nimmt jedoch Feuchtigkeit auf, und Feuchtigkeit wiederum kann das Entstehen von Schulterverletzungen fördern.


Um die Standsicherheit für die Sauen zu erhöhen, sollte der Bereich unmittelbar vor dem Trog optimal drainiert sein. Denn eigene Versuche zeigen, dass die höheren Zunahmen in der Jungsauenaufzucht dazu geführt haben, dass viele Jungsauen nicht nur Schwächen im Hinterbeinbereich haben, sondern auch in der Vorderhand unsicher sind.


Doch wie kann man Liegekomfort und Standsicherheit miteinander verbinden, ohne dass Profilierungen an der Oberfläche sogar zu Verletzungen führen? Dazu hat das sächsische Lehr- und Versuchsgut Köllitsch einen Praxisversuch durchgeführt.


Der Versuch erfolgte in einem an das dänische Zuchtprogramm DanAvl angeschlossenen Praxisbetrieb. Insgesamt wurden 238 F1-Kreuzungstiere und 50 Reinzuchten in fünf aufeinanderfolgenden Abferkelgruppen während der Säugephase beobachtet. Die Sauen wurden in zwei extra dafür umgebaute Abferkelabteile mit gerader Aufstallung eingestallt.


Es wurden insgesamt drei Versuchsgruppen gebildet:


  • Versuchsgruppe 1 kam in Abferkelbuchten, die im Vorderbein-Bereich mit umgekehrt profilierten (Trittmulden)Standsicherheits-Gussrosten ausgelegt waren.
  • Die Sauen der zweiten Versuchsgruppe kamen in Buchten, die vorn mit schlitzreduzierten Gussrosten ausgelegt waren. Zwei zusätzlich aufgeschraubte Gummibänder sollten den Tieren Halt gewähren.
  • Und die Kontrollgruppe stand in Abferkelbuchten mit schlitzreduzierten Gussspalten im vorderen Bereich des Standes. Es handelte sich dabei um die Original-Aufstallung des Betriebes.


Extrem geringe Speckauflage:

Am Anfang der Säugezeit wurden bei den Sauen im Mittel nur 17,9 mm Rücken-speck gemessen. Und davon wurden dann während der Säugezeit weniger als 1,9 mm eingeschmolzen. Das zeigt: Sind die Fettdepots aufgrund der Genetik von vornherein gering, wird von Anfang an auch Muskelmasse mobilisiert. Sind die Fettdepots der Sauen dagegen groß, kann während der Säugezeit auch mehr Fett mobilisiert werden.


Diese Erkenntnis ist neu. In früheren Untersuchungen mit weniger leistungsfähigen Herkünften betrug die Fetteinschmelzung rund 1,5 mm Fett pro Woche Säugezeit. Bei vier Wochen Säugezeit wurden also im Mittel 6 mm Speck mobilisiert.


Früher schlugen sich Defizite bei der Sauenfütterung sofort in geringeren Ferkelgewichten nieder. Den Sauen war also der eigene Körpererhalt wichtiger als das Wohl der Ferkel. Das ist heute scheinbar anders. Moderne Sauen geben sprichwörtlich ihr „letztes Hemd“ für den Nachwuchs.


Erschwerend kommt hinzu, dass der Energiebedarf bei hohen Leistungen stärker steigt als der Eiweißbedarf. Eine Sau, die zwölf Ferkel säugt, hat daher ganz andere Nährstoffansprüche als eine Sau mit 16 Ferkeln. Folglich braucht sie auch ein anderes Futter.


Letztlich entscheidend ist die Futtermenge. Eine zu geringe Futteraufnahme lässt sich auch nicht durch ein noch so ausgeklügeltes Futter wettmachen. Um Schulterverletzungen ausschließen zu können, müssten alle Sauen der Herde im Schnitt pro Tier und Säugetag 8 kg Futter zu sich nehmen. Das schaffen jedoch die wenigsten Tiere. Und die durch die zu geringe Speckauflage verursachten Liegebeulen heilen auch während der anschließenden Tragezeit nicht vollständig aus. Dadurch nehmen die Probleme im Alter zu.


Als Ursache für diese Altersabhängigkeit wird oft vermutet, dass ältere Sauen geringere Fettreserven haben. Das stimmt aber nicht. Bei entsprechender Tragefütterung haben Sauen beim siebten oder achten Wurf nachweislich genauso große Fettreserven wie Sauen zum fünften oder sechsten Wurf.


Viel entscheidender ist, dass die Speckauflage bei modernen Sauenherkünften generell sinkt. Um das Entstehen von Liegebeulen zu verhindern, müssten die Sauen zu Beginn ihrer Säugezeit 30 mm Speck auf ihren Rippen haben. Das ist fast das Doppelte von dem, was im vorliegenden Versuch tatsächlich gemessen wurde (17,9 mm).


Halt und Komfort kombinieren:

Deshalb ist es wichtig, die Standfläche unter der Sau so komfortabel und trittsicher wie möglich zu gestalten. Im vorliegenden Praxisversuch wurden die unprofilierten, glatten Standardrosten aus Gusseisen mit umgekehrt profilierten Gussrosten (Trittmulden) und Standard-Gussrosten verglichen auf die in Eigenleistung kurze Gummistücke aufgeschraubt wurden.


Es wurde erfasst, welcher Anteil der Sauen die Säugezeit völlig ohne Schulterläsionen übersteht und wie viele Sauen mit schweren Schulterverletzungen aus der Abferkelbucht kamen.


Ergebnis: Bei den Sauen, die auf den Gussrosten mit Trittmulden standen, konnten am Ende der Säugezeit deutlich mehr Sauen mit unverletzten Schultern (92%) gezählt werden (siehe Übersicht) als bei den auf Gußrosten (80%) bzw. Gussrosten mit Gummiauflage (74%) gehaltenen Sauen.


Der Anteil von Tieren mit schweren Schulterbefunden nahm während der Säugezeit bei allen drei Varianten um 6% bis 10% zu. Statistisch absichern ließen sich die Unterschiede aber nicht.


Von den Trittmulden in den Rosten geht offensichtlich tendenziell ein positiver Effekt aus. Bei den aufgeschraubten Gummibändern ist es dagegen eher umgekehrt. Hier kommen am Ende der Säugephase deutlich mehr Sauen mit Schulterverletzungen aus dem Abferkelstall heraus als bei den anderen beiden Bodenvarianten. Aber auch dieser Effekt ließ sich statistisch nicht von der zufällig bedingt höheren Speckauflage dieser beiden Versuchsgruppen trennen.-lh-

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