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„Wir haben unseren eigenen Ferkelpreis“

Lesezeit: 8 Minuten

Seit 15 Jahren liefert Sauenhalter Rainer Kühn seine Babyferkel an Aufzüchter und Mäster Henning Harms. 2008 führten beide Landwirte ein eigenes Abrechnungsmodell ein. Transparent und fair teilen sie den Erlös des Mastschweins nach einem festen Prozentsatz auf.


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Eines vorneweg: Henning Harms und Rainer Kühn sind weder Brüder noch verwandt oder verschwägert. Sie kannten sich „nur“ von der Landjugend, als sie 2001 beschlossen, eine feste Lieferbeziehung einzugehen. Dennoch – oder vielleicht auch genau deshalb – hält ihre „Ehe“ nun schon seit fast 15 Jahren.


Henning Harms aus Damnatz nordöstlich von Dannenberg (Elbe) ist Ferkelaufzüchter und Mäster. Rainer Kühn aus dem 20 km südlich gelegenen Lüchow-Tarmitz erzeugt mit aktuell 210 Sauen die Babyferkel für ihn.


Die beiden Betriebe sind damit quasi ein großes Geschlossenes System, auch wenn sie außer einer §51a-Gesellschaft wirtschaftlich nicht miteinander verflochten sind. Auch ihre betriebliche Entwicklung war und ist nicht zu 100% aufeinander abgestimmt, vielmehr reagierten sie auf die Wachstumsschritte und Leistungssteigerungen, die jeder Betrieb in den letzten 15 Jahren vollzogen hat.


So baute Henning Harms 2001 an einem Aussiedlungsstandort 300 m von seiner Hofstelle entfernt einen Außenklimastall mit 1000 Ferkelaufzucht- und 300 Vormastplätzen. Bis dato mästete er auf 400 Plätzen an der Hofstelle.


Nacheinander gewachsen:

Vor 2001 bezog er über seine Erzeugerorganisation 30-kg-Ferkel von verschiedenen Betrieben. „Mit diesen „undefinierten“ Ferkeln war ich jedoch sehr unzufrieden“, erinnert sich Henning Harms. Also schaute sich der 48-jährige Landwirt nach einem festen Ferkelerzeuger um. Und er fand Familie Kühn, die bereits 1999 auf 240 Sauen aufgestockt hatte. Im Dezember 2001 lieferte sie die ersten Tiere an Familie Harms.


Die Folgejahre waren dann geprägt von Wachstum und Leistungssteigerungen auf beiden Seiten. 2005 baute Mäster Harms 1000 Mastplätze an seinem Aussiedlungsstandort dazu. Entsprechend stockte Rainer Kühn 2007 auf 300 Sauen im 2-Wochen-Rhythmus mit drei Wochen Säugezeit auf. „Bei allen Veränderungen in den letzten 15 Jahren war stets unser Ziel, dass die Direktbeziehung bestehen bleibt“, betont Henning Harms.


Eine Herausforderung war mit Sicherheit das Jahr 2013. Damals entschieden sich Henning Harms und seine Frau Angela, am Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes und des Schlachtkonzerns Vion teilzunehmen. In der Einstiegsstufe mussten sie von nun an jedem Mastschwein statt 0,75 m2 mindestens 1,1 m2 zur Verfügung stellen. Damit konnten sie statt der jährlich üblichen 7000 Babyferkel nur noch 5000 Ferkel von Rainer Kühn abnehmen.


Doch lösungsorientiert und pragmatisch wie die beiden Landwirte sind, fanden sie schnell einen zweiten Aufzüchter und Mäster, der Rainer Kühns restliche Babyferkel abnehmen konnte. Weil dieser jedoch im Herbst 2015 aus der Schweinemast ausstieg, entschlossen sich Rainer Kühn und seine Frau Susanne schweren Herzens, auf 210 Sauen im 3-Wochen-Rhythmus mit vier Wochen Säugezeit abzustocken.


„Durch die längere Säugedauer wollten wir zudem die Absetzgewichte erhöhen“, nennt Kühn einen weiteren Grund für diese Entscheidung. Aktuell setzt er mehr als 30 Ferkel je Sau und Jahr mit einem Durchschnittsgewicht von 7,5 kg ab.


Damit erzeugt er nun jährlich rund 6300 Babyferkel, die perfekt zu Henning Harms Betrieb mit 1080 Ferkelaufzucht- und 2140 Mastplätzen passen. Aktuell erreicht der Unternehmer drei Umtriebe.


Dass eine Direktbeziehung trotz all dieser betrieblichen Veränderungen hält, ist nicht selbstverständlich. Denn häufig scheitern sie, wenn eine Seite einen größeren Wachstumsschritt vollzieht. Was also läuft bei Henning Harms und Rainer Kühn anders?


Ohne Geheimnisse:

Zunächst gehen beide Landwirte sehr respekt- und vertrauensvoll miteinander um. „Wir verheimlichen nichts“, sagt Rainer Kühn. So ist es für den 52-jährigen Ferkelerzeuger beispielsweise selbstverständlich, dass er Henning Harms informiert, wenn die Tiere im Abferkelstall Durchfallprobleme hatten. „Der Austausch über den Gesundheitsstatus der Ferkel ist sehr wichtig“, unterstreicht auch Mäster Harms. Beide Betriebe werden deshalb auch vom selben Tierarzt und vom selben Berater der Beratungsorganisation VzF GmbH aus Uelzen betreut.


Keine Preis-Spekulation:

Auch die Produktion in regionalen Kreisläufen mit bekannten Partnern und kurzen Wegen hat für beide Landwirte eine hohe Priorität. „Ich könnte nie Ferkel aus den Niederlanden oder Dänemark einstallen“, sagt Henning Harms ehrlich. Der Status 4xD – also geboren, aufgezogen, gemästet und geschlachtet in Deutschland – ist ihm ganz wichtig.


Im Gegensatz zu vielen Mästerkollegen hält er zudem nichts davon, zu spekulieren, ob die Ferkel nächste Woche noch günstiger sind. Für diese Springer-Mäster habe er kein Verständnis, nimmt Harms kein Blatt vor den Mund.


Ganz im Gegenteil: Er und Rainer Kühn haben seit 2008 sogar ein festes Abrechnungsmodell auf Basis des Schlachtschweineerlöses etabliert – ein weiterer wichtiger Stabilitätsfaktor für die Direktbeziehung.


Bis 2004 rechneten beide Schweinehalter nach dem Babyferkel-Marktpreis der VzF ab. „Weil aber die Preisausschläge im Frühjahr und Herbst sehr stark waren, schlug ich Henning ein faires und kalkulierbares Abrechnungsmodell vor“, erinnert sich Rainer Kühn.


Zunächst vereinbarten die Landwirte einen Notierungsausgleich am Jahresende. Da dieses Modell aber nicht zeitnah genug war, machten sie sich auf die Suche nach einer Alternative.


In Anlehnung an den Orientierungspreis, der auch in den Wochenblättern veröffentlicht wird, etablierten sie 2008 eine „Absatzferkelnotierung nach Vollkosten“. Dazu berechneten sie in einer Exceltabelle zunächst die Vollkosten für die Babyferkelerzeugung, die Ferkelaufzucht und die Mast. Als Maßstab dienten die Durchschnittswerte des VzF aus 2008. Hier betrugen beispielsweise die jährlichen Gebäudekosten inklusive Versicherung und Reparatur für die Babyferkelerzeugung 171 € je Sau. In der Aufzucht fielen knapp 21 € je Ferkel an und in der Mast 42,75 € je Mastschwein. Der Lohnanspruch je Stunde betrug einheitlich 15 €.


„Wir haben bewusst keine betriebsspezifischen Kennzahlen genommen“, erinnert sich Rainer Kühn, „weil bessere Werte im Geschick jedes Betriebsleiters liegen, und er sie nicht an den anderen durchreichen muss.“ Ihre Berechnung überprüfte im Anschluss ein Sachverständigen- und Beratungsbüro für Landwirtschaft. „Das gab uns das gute Gefühl, dass es passt“, betont Henning Harms.


23,5% für Babyferkelerzeuger:

Sie stellten schließlich fest, dass 25% der Vollkosten für ein Schlachtschwein auf die Babyferkelerzeugung entfallen. Nach einer Korrektur im Jahr 2011 auf 23,5% ist dieser Prozentsatz bis heute entscheidend für die Aufteilung des Mastschweineerlöses. Eine erneute Anpassung fanden die beiden Landwirte bislang nicht nötig. Leichte Schwankungen zwischen Ferkelerzeugung und Mast würden sich über die Jahre wieder ausgleichen, so ihre Annahme. Wäre eine Seite jedoch längerfristig im Nachteil, sei eine Korrektur natürlich jederzeit möglich.


Betrachtet man nun als Beispiel die VEZG-Preise der letzten beiden April-Wochen und der ersten Mai-Woche, ergibt sich abzüglich der Vorkosten von 4,70 € und zuzüglich der Mehrwertsteuer ein Erlös je Mastschwein von knapp 132 € (siehe Übersicht). Anhand des Prozentsatzes der Vollkostenrechnung von 23,5% errechnet sich daraus ein „Ferkelerlös“ von knapp 31 €. Zuzüglich des Bonus und abzüglich der Mehrwertsteuer kaufte Henning Harms Anfang Mai also ein 7-kg-Ferkel bei Rainer Kühn zu einem Nettopreis von ca. 31,50 € ein.


Die Rechnungsstellung für die Babyferkel übernimmt für eine Provision von 0,10 €/Tier der örtliche Viehvermarkter. Er transportiert auch die Mastschweine vom Betrieb Harms zum Schlachthof. Zwei Wochen nach jeder Lieferung erhält Rainer Kühn sein Ferkelgeld.


Spitzen und Täler geglättet:

Dank des Abrechnungsmodells, das beide Landwirte im Übrigen nie vertraglich fixiert haben, können sie Preistäler und -spitzen besser glätten und dadurch ihre Liquidität stabilisieren. Auch verteilen sie gute und schlechte Marktpreise fair untereinander. „Wir können nur das aufteilen, was das Mastschwein am Haken gebracht hat“, bringt es Henning Harms auf den Punkt. Und Rainer Kühn ergänzt: „Wir schauen beide nur noch auf den VEZG-Preis. Für mich als Ferkelerzeuger ist das eher untypisch.“


Insgesamt sind beide mit ihrem „Ferkelpreis“ sehr zufrieden. „Ich kaufe die Ferkel tendenziell zwar etwas teurer als am Markt ein“, sagt Henning Harms, „aber ich weiß, was ich bekomme – und das ist es mir allemal wert.“ Von Auswertungen in seinem überbetrieblichen Arbeitskreis und im DLG-Forum Spitzenbetriebe wisse er zudem, dass er vielleicht in ausgewählten Jahren weniger erlöst hat als so mancher Berufskollege, der gut verhandelt hat. Über die Jahre gesehen fahre er aber mit seinem Modell sehr gut.


Durch die bekannte Ferkelherkunft sind beispielsweise seine Tierarztkosten bestehend aus den Medikamenteneinsätzen und den Bestandsbesuchen mit 1 € je Aufzuchtferkel und 0,20 € je Mastschwein auf einem sehr geringen Niveau. Auch die Mast- und Schlachtleistungen sind mit durchschnittlich 900 g Tageszunahmen, einer Futterverwertung von 1:2,68 und 0,99 Indexpunkten äußerst stabil.


Auch Rainer Kühn möchte die transparente Ferkelbezahlung nicht mehr missen. „Dafür brauche ich keinen Aufzuchtstall bauen“, sagt er ehrlich. Für ihn als Babyferkelerzeuger bieten zudem die festen Abholtermine große Vorteile.


Alle drei Wochen donnerstags um 8.30 Uhr steht Henning Harms oder einer seiner Mitarbeiter bei Rainer Kühn an der Verladerampe, um die Ferkel mit dem eigenen Viehtransporter abzuholen. Zuvor hat der Sauenhalter die Ferkel nach Geschlecht sortiert und gewogen. Das Gewicht dient als Basis für die spätere Abrechnung.


Alle Ferkel abgeholt:

Der Kühn’sche Abferkelstall wird stets komplett geräumt, selbst Brüchlinge und Binneneber nimmt Harms ab. „Da werden wir uns an der Rampe schon einig“, sagt Rainer Kühn gelassen. Auch die schwankenden Partiegrößen gehen für Henning Harms in Ordnung. „Das ist Natur, die ist nicht immer gleich“, deutet der Mäster verständnisvoll an. Auf die unterschiedlichen Partiegrößen kann er dank seiner 45er-Buchten gut reagieren.


Voraussetzungen und Einstellungen, die bestimmt nicht bei jedem Mäster gegeben sind. Entsprechend wissen Harms und Kühn auch, dass ihr Modell längst nicht auf alle Betriebe übertragbar ist. Dennoch würden sie sich wünschen, dass es mehr Nachahmer findet.


„Schließlich sind wir in der Schweinekette doch alle voneinander abhängig“, unterstreichen beide Landwirte. Regina Imhäuser

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